Das Frauenkulturhaus Harburg besteht seit 25 Jahren und bietet seinen Besucherinnen nicht nur Kulturelles. Es gibt auch Lebensberatung
Bei jedem Tritt knarren die alten grau lackierten Holzdielen, die im Kanzlerhaus in der Neuen Straße hinauf in den ersten Stock des Frauenkulturhauses führen. Oben warten eine Handvoll Damen im Seminarraum auf ihre Dozentin Ursula Buchholz, um den Englischkurs zu starten. An der Wand ihres kleinen Seminarraums leuchtet eine Lichterkette, es gibt Kaffee und in der geschützten Atmosphäre des kleinen Kurses falle es unter Frauen nicht schwer, die nächsten 90 Minuten Englisch zu sprechen, sagen sie. Ganz ohne störende Männer. Wie jeden Mittwoch.
Seit 25 Jahren gibt es das Frauenkulturhaus. Seine Karriere fing mit einem bedruckten Flugblatt an, das die Malerin Anke de Vries verteilte und in dem sie die Gründung eines Frauenkulturhauses für Harburg forderte. Bis ein "frauenfreundlicher Ort" mit Bildungsangeboten, Beratungsangeboten und Arbeitsmöglichkeiten endlich gefunden war, dauerte es allerdings erneut zwei Jahre. Die Geburtsstunde der Frauenkulturstätte ist unauslöschlich mit der Maretstraße verbunden. "Winzige Räume" seien das gewesen, sagt Gründungsmitglied Waltraud Behrens, eine eloquente Dame mit blondiertem Haar und rosa Schal. Erinnern kann sie sich, wie damals zur ersten Stunde allein drei Sitzungen für die Frage aufgewendet wurden, ob man nun runde oder eckige Tische kaufen wollte.
Sogar männliche Handwerker waren ungern gesehen
Bewegte Jahre also, in denen sogar männliche Handwerker nicht gern gesehen waren und männliche Journalisten ihre Feder voller Gift tanzen ließen. Das Frauenkulturhaus ließ sich jedoch nicht unterkriegen und expandierte. Es folgten die Stationen Küchgarten und ein uriges Hinterhof-Domizil über Kock & Sack am Kleinen Schippsee. Orte, an denen die Arbeit der Frauen auf Hochtouren lief, jedoch nicht so sichtbar war wie heute.
Frauen ins Kanzlerhaus! Das gilt nicht erst seit der weiblichen Machtübernahme von Kanzlerin Angela Merkel. Harburg machte es gewissermaßen vor. Denn seit knapp zehn Jahren sitzen die Damen in den repräsentativen Räumen des Kanzlerhauses in der Neuen Straße 59 direkt gegenüber der Lämmertwiete mit ihren pittoresken Häuschen und gastronomischen Angeboten. Mit dem Umzug brach die Zeit der neuen Geschäftsführerin Nadja Martinez Griese an, vormals Landesbildungsreferentin. Martinez Griese, diplomierte Kulturpädagogin, sitzt in ihrem Büro, dessen Fenster auf die Lämmertwiete und die historischen Laternen vor novemberlich grauem Himmel gehen.
Ein schönes Altbaubüro mit Stuck an der Decke und Holzdielen. Martinez Griese serviert einen wärmenden Kräutertee und legt die Kursfaltblätter des Hauses auf den Tisch, die zwei Mal jährlich erscheinen: "Mir ist wichtig, einen eigenen und geschützten Raum für Frauen zu schaffen, wo diese unter sich sind", sagt sie. Das habe auch etwas mit einer gewissen Emotionalität zu tun, der "gemütlichen Atmosphäre im Haus", den Details wie der Weihnachtslichterkette im Englischraum oder dem Umstand, dass die Englischgruppe zu Hause schon mal englische Gerichte koche oder die Geburtstage gemeinsam feiere.
Martinez Griese, die mit Mann und Sohn in Barmbek wohnt, war von Anfang an wichtig, die Harburgerinnen mit einem breiten Spektrum "direkt anzusprechen", sich in Harburg zu allen Belangen von Frauen zu vernetzen und auszutauschen. Neben der legendären Malgruppe "Gruppe 7", Gesundheitsangeboten für Frauen wie Pilates, Qi Gong, Hatha Yoga und Sprachkursen verbirgt sich unter dem Dach des Fachwerkhauses mit der Hausnummer 59 aber noch vieles mehr.
Da wäre der "Mädchentreff", den die heute 18 Jahre alte Tuba seit ihrem sechsten Lebensjahr besucht und dort schon ihren siebten Geburtstag feierte. Ein Ort, wo man mit Mädchen einfach auf der ausladenden Couchlandschaft unter einer gemütlichen Schleiergardine als Baldachin reden, gemeinsam essen oder Hilfe bei Hausaufgaben oder Bewerbungen finden kann. "Meine Probleme und vieles andere sind hier gut aufgehoben", findet eine Besucherin mit langen dunklen Haaren und einem kleinen Mädchen auf dem Arm, die seit 16 Jahren in den Treff kommt und dort mittlerweile seit knapp sechs Jahren sogar als Honorarkraft arbeitet. Für sie ist klar, wenn ihre dreijährige Tochter groß ist, soll sie auch in den Mädchentreff gehen: "Weil es so schön hier ist."
Ganz oben unter den Dachgiebeln liegen ganz geborgen die Räumlichkeiten des "biff" - einer Beratung und Information für Frauen. Im Einsatz sind hier eine Psychologin und drei Frauen mit einem anderen beruflichen Hintergrund, wenn es um Krisenbegleitung, Angebote gegen Stress und Angst im Berufsleben oder die offene Beratung zu verschiedenen Themen geht.
Neben dem Müttertreff gibt es auch Angebote für Kinder
Neben einem internationalen Müttertreff gibt es neuerdings auch die "biffkids" - ein Angebot für Kinder, die Gewalt gegen ihre Mütter erleben mussten und ob dieser Widerfahrnisse traumatisiert sind.
Mittlerweile werden zu den Vernissagen des Hauses auch Werke männlicher Künstler gezeigt - allerdings in der Minderheit, und auch männliche Besucher wurden bei den Eröffnungen des Frauenkulturhauses gesichtet. Denn auch das "Kultur" in Frauenkulturhaus nimmt man sehr ernst: Der von der Galeristin Mesaoo Wrede kuratierte "Kunsthafen 59°" versteht sich als "Aktionsforum für Kunst und Kultur", das relevante zeitgenössische Künstler ausstellt und Harburger Kultur schon mal an der Überseebrücke, und zwar auf der Cap San Diego, bewusst macht. Regelmäßig Performances, Ausstellungen oder Lesungen finden statt und Salonabende informieren schon mal über beeindruckende Frauen. Doch eins ist sicher: Im Frauenkulturhaus Harburg sind auch viele beeindruckende Frauen zu finden, und manche Dame aus Harburg wird vielleicht profitieren, wenn sie die Tür des repräsentativen Kanzlerhauses aufstößt. Das nächste Kursfaltblatt erscheint im Januar.