Siedler feiern ihren 75. Geburtstag und sprechen sich gegen die Reichsstraßen-Verlegung aus
Wilhelmsburg. Es sollte eigentlich nur ein entspannter, geselliger Nachmittag bei Kaffee und Kuchen werden: 75 Jahre Verein Kirchdorfer Eigenheimer - eine Feier mit 200 Menschen meist gesetzteren Alters. Aber es wurde - auch - ein geballter Widerstand gegen die "Autobahnpläne" des Senats auf der Elbinsel Wilhelmsburg.
Am Freitag hatten sich die Kirchdorfer an langen Tischen, auf denen Kaffeekannen und Mineralwasserflaschen standen, im Bürgerhaus versammelt. Im Saal war auch ein wenig Prominenz versammelt: Die Senatorin für Wissenschaft und Forschung, Dr. Herlind Gundelach (CDU) - sie lebt in Wilhelmsburg -, Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) und der Regionalbeauftragte für Wilhelmsburg/Veddel, Thorsten Schulz. Sogar die Internationale Bauausstellung (IBA) hatte ihre Pressesprecherin gesandt.
Die Reden waren noch nicht losgegangen, da stellte der Vorsitzende des Vereins Kirchdorfer Eigenheimer, Helmut Biljes, 66, den Männern und Frauen zwei Fragen - ein Dokumentarfilmer hielt die Szenen fest: "Wer ist für die IBA und die Internationale Gartenschau?" Es meldeten sich rund 50 Eigenheimer. "Wer ist dagegen?" Etwa 20 Eigenheimer hoben ihre Arme.
"Und wer ist für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße in Richtung Osten auf den Bahndamm?", fragte der Vorsitzende dann. Ein Raunen ging durch den Saal. Etwa zehn Eigenheimer hoben ihre Arme. "Und wer ist dagegen?" Rund 100 Arme streckten sich in die Höhe. "Ich stelle fest, dass mindestens 80 Prozent der Eigenheimer gegen die Verlegung der Reichsstraße sind", bilanzierte Helmut Biljes.
Schon heute führt die Bahntrasse an den Häusern der Eigenheimer vorbei. Viele befürchten, dass eine Reichsstraße auf dem Bahndamm für noch mehr Lärm sorgen würde. Eigenheimer haben eine "Klagegemeinschaft" gegen die Straßenverlegung gegründet.
Helmut Biljes sprach denn auch die "Autobahnpläne des Hamburger Senats" an: "Die Stadt plant eine Autobahnverbindung von der A 1 zur A 7 mitten durch Wilhelmsburg. Dies widerspricht eindeutig einer modernen Stadtplanung, die Trassen für Straßen und Bahn außerhalb von Wohngebieten führt. Die Bürgerbeteiligung in der Planungsphase zur Reichsstraße war eine Farce. Die Fragen der Bürger in Bezug auf Emissionsschutz und Lärmdämmung wurden nur unzureichend behandelt."
Senatorin Gundelach bemühte sich, die Verlegung der Reichsstraße zu verteidigen: "Die Alternative wäre, die B 4/75 mit Standstreifen auszubauen. Die Verlegung bietet eine Chance für optimalen Lärmschutz zu beiden Seiten." Mitte-Chef Schreiber ging nicht auf die Straßenpläne ein und analysierte, in der Siedlung sei "die Welt noch in Ordnung". Der Regionalbeauftragte Schulz appellierte an die Siedler, sich über das Lärmschutzkonzept zu informieren.
Helmut Biljes sagte, der Verein sei schon dreimal erfolgreich "wehrhaft" gewesen: Er habe für Lärmschutz an der Bahntrasse nach Osten gesorgt, verhindert, dass eine Müllverbrennungsanlage in Wilhelmsburg gebaut und die Siedlung verdichtet wird.