Neben den vielen vorhandenen Geschäften hat am Harburger Sand ein neuer Wettbewerber eröffnet
Harburg. Wie viele Bäcker verträgt ein Stadtteil? In Harburg drängen sich die Bäckerläden dicht an dicht. Allein im Innenstadtbereich sind es weit über zehn, oft direkt nebeneinander - Supermärkte, die Backwaren anbieten, gar nicht erst mitgerechnet.
Am Sand steht die jetzt eröffnete Filiale der Bäckerei Weiß neben der Mühlenbäckerei Schmacke, während auf dem Markt der Stand des Backhauses Wedemann um Kunden wirbt. Oft stehen sogar noch zwei weitere Backstände auf dem Markt.
In der Lüneburger Straße machen sich gleich sechs Bäckereifilialen und Backshops die Kundschaft streitig. Zu den alteingesessenen Unternehmen gesellen sich immer mehr Ketten wie Kamps und Ditsch, die vor allem mit schnellen Snacks locken.
Hendrik Weiß von der Bäckerei Weiß, die gerade dem Laden der Marktbäckerei am Sand übernommen hat, findet nicht, dass es in Harburg zu viele Bäckerläden gibt. "Wenn wir nicht glauben würden, dass die Nachfrage da ist, hätten wir ja die Filiale nicht aufgemacht", so Weiß. Er glaubt, dass die Kunden die Abwechslung schätzen, die mehr Bäckereien auf engem Raum bieten. "Es gibt immer noch viele Leute, für die Essen ein Stück Lebensqualität ist", sagt er.
Etwas anders sieht das Peter Becker. Seine Bäckerei Becker hat vier Filialen in Harburg, die älteste davon gibt es seit 51 Jahren. Für ihn ist der Markt hier übersättigt. Besonders die vielen neu entstandenen Backdiscounter ärgern ihn. Als diese sich ab 2000 verstärkt in Harburg ansiedelten, habe man das schon bei den Verkaufszahlen gemerkt. Letztendlich habe man aber die Marktanteile weitgehend halten können, fügt er hinzu. Trotzdem ist für den Innungsmeister klar: "Das ist ein Verdrängungswettbewerb, da müssen wir Flagge zeigen und mit Qualität und Service überzeugen."
Er bedauert vor allem, dass viele der alteingesessenen Bäcker den neuen Billigläden weichen mussten. "Von den rund 30 Bäckern, die wir hier so vor 30 Jahren hatten, ist nur noch eine Handvoll übrig geblieben."
Die Bäckerei Körner schloss im Mai ihre Filiale in der Lüneburger Straße, weil sie sich einfach nicht mehr rentierte - nach 23 Jahren. Allerdings findet Jan Henning Körner nicht, dass es generell in Harburg zu viele Bäcker gäbe. Nur sei in der Lüneburger Straße die allgemeine Situation nicht so rosig, und das merke man eben auch als Bäcker. Die Ursache sieht er vor allem in der Eröffnung des Phoenix-Centers. Dadurch sei die Lüneburger Straße zunehmend verödet. Dennoch wirkt Körner optimistisch. Zwar gibt es einen Konkurrenzkampf - "Jeder, der mittags Essen anbietet, ist mein Konkurrent" - das Kerngeschäft sei aber nicht beschädigt. Bereits im Juni eröffnete eine neue Filiale in der Buxtehuder Straße, gewissermaßen als Ersatz für den Harburger Stammladen. Viele Stammkunden habe man behalten und in die anderen Filialen mitnehmen können. Das freut Körner, der nach eigenen Angaben bis zu 70 Prozent seines Umsatzes mit Stammkunden macht. Auch er setzt genau wie Becker auf selbst hergestellte, möglichst individuelle Produkte.
Das Backhaus Wedemann geht andere Wege, um sich diesem Konkurrenzkampf zu entziehen. "80 Prozent unseres Umsatzes machen wir nicht mehr mit Direktkunden, sondern mit dem Weiterverkauf unserer Ware an Kantinen, Fluggesellschaften, das Studentenwerk und ähnliche Abnehmer", sagt Geschäftsführerin Franziska Wedemann. Daher merke man nichts von dem Konkurrenzdruck, dem die auf den Direktverkauf spezialisierten Kollegen ausgesetzt seien. Auch in den fünf Filialen spüre man nichts von einem möglichen Überangebot. Allerdings sei man auch nicht mit einer festen Filiale im Harburger Zentrum vertreten, räumt Wedemann ein. Der Verkaufsstand auf dem Harburger Markt zieht ihrer Ansicht nach vor allem Stammkunden an, die ganz genau wissen, was sie suchen, und vor allem Wert auf den persönlichen Kontakt wie das Schwätzchen mit der Verkäuferin legen.
Über mangelnde Kundschaft kann jedoch offenbar keine der Bäckereien klagen. Vielleicht liegt das auch am veränderten Essverhalten vieler Menschen, wie Bäcker Körner beobachtet hat. "Immer weniger Leute gehen noch morgens zum Bäcker und kaufen ihre Brötchen für das Frühstück zuhause. Stattdessen geht der Trend zum belegten Brötchen auf die Hand und 'Coffee to go'."
Verena Worm findet zwar, dass es in Harburg eindeutig zu viele Bäckereien gibt - ihren Kaffee trinkt sie mit Schwester Bea aber gerne bei Kamps. "Der Kaffee schmeckt lecker, die Bedienung ist freundlich - wir gehen gerne hier hin." Ihr Brot kaufe sie mal hier, mal da. Einen Stammbäcker habe sie nicht.
Auch beim "Backhus" in den Harburger Arcaden findet sich eine lange Schlange. Das Ehepaar Gerken aus Fleestedt kommt jedes Mal hierher, wenn sie nach Harburg zum Einkaufen fahren. Am Backhus überzeugt sie vor allem die nette Bedienung.
Martin Wehr, der gerade Kuchen für seine Kollegen kauft, bedauert dagegen, dass es zwar viele, aber kaum noch eigenständige Bäckereien gibt. Viel schöner fände er es, wenn die Bäcker mehr eigene, unterscheidbare Produkte anböten. "Irgendwie schmeckt doch inzwischen alles fast gleich."