Kampf dem Zerfall. Zuvor muss sich der Verein Wassermühle Karoxbostel mit den Tücken des Vereinsrechts herumschlagen.
Karoxbostel. Der Verein Wassermühle Karoxbostel hat sich ehrgeizige Ziel gesteckt, bis 2017 die heute verwaiste und vor dem Verfall bedrohte Mühle mit Wohnhaus und Sägerei in der kleinen Seevetaler Ortschaft wieder instand zu setzen. In 2017 wird es genau 200 Jahre her sein, dass das älteste Gebäude des unter Denkmalschutz gestellten Mühlenensembles, das Wohn- und Wirtschaftshaus, gebaut wurde.
Wie schwierig das Unterfangen ist, bekommen die ehrenamtlichen Mühlenretter an kleinen, nie geahnten Stolpersteinen zu spüren. Jüngste Hürde sind die Tücken des deutschen Vereinsrechts: Das Registergericht Lüneburg nahm Anstoß an einer Formulierung des vor kurzem gegründeten Vereins, die die Vertreterfolge innerhalb des Vorstands regelt. Dabei hatten zuvor mehrere Juristen, die dem Verein angehören, den Satzungsentwurf für gut empfunden. Die Mühlenretter kommen deshalb am Donnerstag, 12. April, 19.30 Uhr, im Restaurant Derboven in Karoxbostel zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zusammen, um den dritten Vorsitzenden, Victor Mann, noch einmal in seinem Amt zu bestätigen.
Erst wenn dieser Formfehler behoben ist, erhält der Verein den Zusatz "eingetragen". Diese Rechtsform ist wichtig, damit das Projekt Mühlenrettung überhaupt gelingen kann. "Als eingetragener Verein dürfen wir Spenden sammeln", erklärt die 1. Vorsitzende Emily Weede. Die Historikerin hat früher am Mühlenmuseum in Moisburg gearbeitet.
Was die Instandsetzung des knapp 200 Jahre alten Mühlenensembles kosten wird, ist offen. Der Verein setzt auf den ehrenamtlichen Einsatz seiner inzwischen 150 Mitglieder. Darunter sind Architekten, Restauratoren, Dachdecker - und Franz Rosenkranz, der Müller an den Wassermühlen in Moisburg und Ovelgönne. Auch der Vorsitzende der Mühlenvereinigung Niedersachsen-Bremen, Rüdiger Heßling, hat sich dem Verein angeschlossen. "Die Leute brennen darauf, endlich loszulegen", sagt Emily Weede.
+++ Die Mühle bekommt ihren Kopf zurück +++
Ungeklärt ist noch die Eigentumsfrage. Der letzten Mühleneigentümer, August-Wilhelm Denecke, ist im Dezember 2011 nach schwerer Krankheit gestorben. Direkte Verwandte hatte der Mann nicht, der als freundlicher Sonderling im Dorf galt und ohne Heizung und Herd in dem Mühlengebäude lebte. Zurzeit verwaltet der Harburger Fachanwalt für Erbrecht, Karsten Grosinski, den Nachlass. Er ermittelt gerade entfernte Verwandte Deneckes als Erbberechtigte. Der Verein und die Gemeinde Seevetal haben zusammen dem Nachlassverwalter ein Angebot unterbreitet. Aber auch gewerbliche Mitbieter, so Emily Weede, haben ein Auge auf das Grundstück geworfen.
Mit Zustimmung des Nachlassverwalters haben acht Mühlenretter inzwischen mehrere Archivalien geborgen und in das Seevetaler Gemeindearchiv in Sicherheit gebracht. Einbrecher hatten zuvor schon das Wohnhaus auf den Kopf gestellt. Die Vereinsmitglieder haben die Baupläne des Mühlengebäudes sowie die Konstruktionspläne der verwüsteten Sägerei entdeckt. Dazu schafften sie einen alten Dielentisch heraus. In diesen Barocktisch hatten Kosaken während der Befreiungskriege (1813 bis 1815) ihre Namen eingeritzt.
Als Schatz für Geschichtswissenschaftler und Heimatforscher gelten auch die gefundenen Mühlenbücher. Die frühesten Eintragungen stammen von 1787. Sie zeigen, dass in der Region die proteinreichen Ackerbohnen, damals Energiespender für die armen Leute, im weitaus größeren Stil verarbeitet wurden als bisher angenommen. Die Wassermühle in Karoxbostel wurde 1438 das erste Mal urkundlich erwähnt. Das Wohn- und Wirtschaftshaus wurde 1817 errichtet, das heutige Mühlengebäude stammt aus dem Jahr 1893. Die Mühlentechnik mit drei Mahlsteinen ist komplett im Original erhalten.
Die Mühlenretter wollen wieder Leben in das zwei Jahrhunderte alte Gebäude bringen. Die Liste an Ideen ist lang: Zimmer könnten als Herberge für Fahrradtouristen genutzt werden. Bewirtschafter könnte ein Hausmeister sein, der in einer Wohnung ständig in der Wassermühle leben soll. Eine Wasserkraftturbine soll zusätzlich zum alten Wasserrad das Haus mit Strom versorgen. Die Mühle könnte als Kulisse für Konzerte, Theateraufführungen, aber auch Hochzeiten und Taufen dienen. Naturerlebnistage für Kinder aller Seevetaler Schulen sind eine weitere Idee. Den früheren Schweinestall könnten Bands als Proberaum nutzen.
Die Mühlenretter planen auch, Lebensmittel aus eigener Produktion zu vermarkten. Brot, aber auch Apfelsaft und Honig unter der Marke Karoxbosteler Mühle könnten dem Verein kontinuierlich Einnahmen sichern.