Erschütterungen müssen vermieden werden, um die störanfällige alte Brücke zu schonen. Sie muss nämlich noch fast zwei Jahre halten.
Wilhelmsburg. Halbzeit an der Rethe, im Hafengebiet von Wilhelmsburg. Europas größte Klappbrücke, deren Bau im September 2010 begonnen wurde, lässt bereits künftige Dimensionen erkennen. Voraussichtlich fertiggestellt sein wird das gut 70 Millionen Euro teure Bauwerk Ende 2013.
Die neue Klappbrücke bekommt ihren Platz wenige Meter westlich neben der alten Hubbrücke von 1934, die in der Vergangenheit wegen technischer Pannen schon häufiger lange Sperrzeiten hatte. Nach Fertigstellung der neuen Klappbrücke soll die alte Hubbrücke abgerissen werden.
Wegen der Störanfälligkeit der alten Hubbrücke erhielten Ingenieure der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) bereits 2005 den Auftrag für die Projektentwicklung der neuen Klappbrücke. Es wird im Grunde eine Doppel-Klappbrücke: Eine Klappbrücke für das Güterzug-Gleis der Hafenbahn und eine Straßen-Klappbrücke für die Verbindung der Hohe-Schaar-Straße im Süden mit Rethedamm und Neuhöfer Damm im Norden. 24 Meter Breite wird das neue Bauwerk haben. Auf der alten Brücke sind Gehweg, Straße und Bahngleis hingegen auf nur 14 Meter Breite zusammengequetscht.
Fußgänger, Radfahrer, rund 10 000 Lastwagen und Pkw und gut 40 Güterzüge nutzen täglich die Strecke. Und weil auch noch kleinere und größere Seeschiffe von der Rethe in den südlichen Reiherstieg, unter anderem zum Umschlagsbetrieb Wallmann, wollen, wird die alte Hubbrücke pro Jahr gut 3000 mal hochgefahren. Bei etwa 50 Meter Höhe ist Schluss. Die künftige Klappbrücke wird den passierenden Schiffen nach oben hin unendliche Höhe bieten. Die Rethe und der Reiherstieg sind natürliche Flussläufe der Elbe, die für die Hafennutzung ausgebaut wurden.
Das hohe Verkehrsaufkommen zu Wasser und zu Land beeinflusst die Bauarbeiten. "Wir arbeiten gewissermaßen neben dem rollenden Rad", sagt Dipl.-Ing. Markus Warnken von HPA, der als Oberbauleiter die Aufsicht führt, "der Hafenbetrieb muss trotz unserer Arbeiten möglichst ungestört funktionieren können. Das ist nicht immer einfach, wenn alle Verkehrswege so dicht beieinander sind und wir uns mittendrin auf engstem Raum bewegen müssen."
+++ Eine Hommage an die Hansestadt +++
Der Bau der Klappbrücke hat bereits für große bauliche Veränderungen im Abschnitt Hohe-Schaar-Straße/Eversween/Blumensand gesorgt. Dort ist bereits eine Straßenbrücke fertiggestellt, unter der das künftige Güterbahngleis zur Klappbrücke verlaufen wird. Noch müssen alle warten, wenn Züge die Straßen kreuzen. Der Bau dieser Straßenbrücke kostet etwa acht Millionen Euro. Das gesamte Bauprojekt erfordert nach den Worten von Markus Warnken außergewöhnlich hohe Ingenieurleistung. Für das Großprojekt haben sich die Firmen Züblin, Hochtief, F+Z, MCE Stahl- und Maschinenbau sowie Waagner Biro zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Das Baugeschehen wird von den Ingenieurgesellschaften Grassl und Sellhorn überwacht.
Sicherheit habe - so Warnken - höchste Priorität. Das könne jedem deutlich werden, der übers Geländer der alten Hubbrücke auf die Baustelle schaut.
Dort sind die künftigen Baugruben der Brückenfundamente in Arbeit. Die Stützwände sind aus gut 120 Tragrohren über 20 Meter tief ins Erdreich gebohrt und mit Spundwänden abgedichtet. Trotz dieser massiven Bauweise sind die Stützwände zusätzlich noch von innen und außen mit Verstrebungen gesichert, um dem Druck von allen Seiten standzuhalten, darunter dem Wasserdruck oder auch dem seitlichen Druck der alten Hubbrücke. Auf der Südseite steht die künftige Baugrube komplett im Wasser, auf der Nordseite steht sie in der Uferzone. Auf der Nordseite ist auch schon mit dem Ausheben der Grube begonnen worden. Sie wird etwa 15 Meter tief. Der Bodenaushub, insgesamt gut 20 000 Kubikmeter Erdreich, wird vor Ort auf Schadstoffbelastungen untersucht. Je nach Belastungsgrad kommt der Aushub auf unterschiedliche Deponien. Für die Tragfestigkeit des künftigen Brückenfundaments werden laut Warnken in den Untergrund der Baugruben noch sogenannte Verpresspfähle gedrückt, bevor voraussichtlich ab Sommer mit den Betonarbeiten angefangen wird. Um die Standsicherheit und den Betrieb der alten Hubbrücke nebenan nicht zu gefährden, wird seinen Worten nach kein Pfahl gerammt, um Erschütterungen zu vermeiden. Polier Thomas Fendt von der Firma Hochtief sagt, dass derzeit gut 30 Mann von 7 bis 18 Uhr auf der Baustelle sind und bei Bedarf auch sonnabends im Einsatz sind.
Parallel läuft auch schon der Stahlbau für die insgesamt vier Brückentafeln. Die Klapptafeln und alle größeren Stahlbauteile werden in Ungarn und Tschechien hergestellt und zunächst nach Wilhelmshaven gebracht. Dort erfolgt laut Warnken die Vormontage. Die schweren Brückenbauteile werden dann voraussichtlich im Sommer kommenden Jahres per Ponton und Schlepper nach Hamburg gebracht, wo dann Einbau der gesamten Antriebstechnik und die Endmontage auf dem Terminplan stehen. Wenn nichts dazwischen kommt, wird die Brücke möglicherweise schon im September 2013 für den Verkehr freigegeben werden können. Die endgültige Fertigstellung dürfte am Jahresende sein. Die neue Klappbrücke wird eine gesamte Spannweite von 104 Metern haben (je Seite 52 Meter). Nach dem Abriss der alten Hubbrücke wird auch die Fahrrinne für die Schiffe im Bereich der Klappbrücke um 20 Meter auf insgesamt 64 Meter verbreitert werden können. Die Straßenquerung im Bereich der Rethe ist für den Hafenverkehr von hoher Bedeutung. Hamburg Port Authority sieht in dem Verlauf zusammen mit der Kattwykbrücke über die Süderelbe eine Ausweichstrecke für die Köhlbrandbrücke.