Die Asklepios-Klinik Harburg weiht den dreistöckigen Psychiatrie-Neubau ein. Die Stadt hat sich mit sieben Millionen Euro am Ausbau beteiligt.
Harburg. Die Zahlen sind alarmierend: Pro Jahr werden 1700 Patienten mit psychischen Erkrankungen in der Asklepios-Klinik Harburg (AKH) stationär behandelt. Noch einmal doppelt so viele kommen hinzu, die ambulant oder in der Tagesklinik betreut werden. Dass der Bedarf an Therapieplätzen in den kommenden Jahren eher noch steigen als fallen wird, gilt als sicher. So gesehen haben die AKH-Experten fast seherische Qualitäten bewiesen, als sie bereits vor Jahren den Ausbau des Zentrums für seelische Gesundheit konsequent vorantrieben.
Eine weitere entscheidende Etappe wurde jetzt mit der Fertigstellung eines Erweiterungsbaus vollendet, der künftig die Tagesklinik und mehrere Akutstationen der Psychiatrie unter einem Dach vereinen wird. Sichtbar bewegt nahm Chefarzt Dr. Hans-Peter Unger gestern bei der feierlichen Einweihung den symbolischen, ein Meter langen, knallgelben Schlüssel für sein neues Reich aus den Händen von AKH-Verwaltungsdirektorin Dr. Cornelia Lindner und Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks entgegen.
"Die Asklepios-Klinik Harburg ist ein Motor der immer besseren Vernetzung von stationären und ambulanten Betreuungsangeboten, die sich stärker am Wohl der Patienten orientieren", lobte die Senatorin das bedeutendste Gesundheitszentrum im Süden der Hansestadt. Mit "unverbesserlichem Optimismus habe man das ehrgeizige Projekt, für das ihre Behörde einen Zuschuss von 6,85 Millionen Euro gewährte, vorangetrieben. Und sei dabei sowohl zeitlich wie finanziell im avisierten Rahmen geblieben. Eine Qualität, die sich Cornelia Prüfer-Storcks auch für eine andere große Baustelle nördlich der Elbe wünschen würde, ohne das Abermillionen teure Prestigeprojekt in der Hafencity beim Namen zu nennen.
Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch sah in dem finanziellen Engagement der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz "ein klares Bekenntnis zum Standort Harburg". Mit dem neuen Psychiatriegebäude sei ein sehr gutes Ergebnis erzielt worden. "Es eröffnet dem Bezirk großartige Chancen für die nächsten Jahre", so Völsch.
Chefarzt Dr. Hans-Peter Unger bezeichnete den Neubau als "Gebäude für gepflegte Psychiatrie". In dem viele neue Angebote "eine individuell angemessene, stigmafreie Behandlung im Bereich Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik" ermöglichen würden. Es sei erklärtes Ziel, nicht vorrangig in zusätzliche stationäre Betten zu investieren. "Wichtig ist, gemeinsam mit den Krankenkassenverbänden in Hamburg, durch eine verbesserte Vernetzung der bestehenden Versorgungsangebote verstärkt ambulante Behandlungen zu ermöglichen", sagte der Psychiater und Psychotherapeut, der deutschlandweit zu den profiliertesten und gefragtesten Koryphäen auf seinem medizinischen Fachgebiet zählt.
Für Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks ist das 2004 von Unger initiierte "Hamburger Bündnis gegen Depression" ein gutes Beispiel für solch eine gelungene Zusammenarbeit, im konkreten Fall zwischen den Experten der Asklepios-Klinik, dem Sozialpsychiatrischen Dienst Harburg und weiterer Einrichtungen im Stadtbezirk. Mit dem Asklepios-Neubau stünden in Hamburg überdies jetzt 1800 ambulante Therapieplätze zur Verfügung, womit die Hansestadt im Vergleich zu anderen Bundesländern bestens aufgestellt sei: In Brandenburg gebe es gerade 800.
Im tagesklinischen Zentrum des modernen, dreistöckigen Neubaus stehen den 150 Ärzten, Psychologen, Therapeuten und Pflegemitarbeitern fortan 30 Plätze zur Verfügung, mit Gruppentherapie- und Aufenthaltsräumen sowie Zimmern für individuelle Gespräche. Hier sind in Zukunft auch ambulante Angebote an Wochenenden geplant. Womit Patienten erstmals an sieben Tagen in der Woche therapeutisch betreut werden können.
Im ersten und zweiten Stock gibt es zusätzlich zwei Stationen mit je 20 Betten für akute Fälle, die durch erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung eine stationäre Krisenbehandlung erforderlich machen. "Neu ist hier, dass diese Stationen durch die baulichen Gegebenheiten möglichst offen geführt werden können, ohne die Sicherheitsansprüche der Patienten zu beeinträchtigen", erklärte Unger. Hier gibt es Gruppen- und Fernsehzimmer, aber auch Waschmaschinenräume und Kochnischen, die für einen möglichst hohen Wohlfühlfaktor sorgen sollen.
Wie dankbar das neue Klinikgebäude angenommen wird, bestätigte dem Abendblatt Michael Fuhr. Der Verkäufer, der unter einer bipolaren Störung leidet und demnächst in eine betreute Wohnanlage in Rahlstedt ziehen wird, ist seit 2003 Patient in der Asklepios-Klinik Harburg. "Die Betreuung durch Ärzte, Therapeuten und Pfleger war schon immer sehr gut und könnte gar nicht besser sein. Bisher war es aber häufig sehr eng, weil es nicht genügend Platz gab." Das habe sich jetzt geändert. "Alles ist hell, freundlich und sehr großzügig. So kann bestimmt noch mehr Patienten noch schneller geholfen werden", ist Fuhr überzeugt.
Das wird auch nötig sein. Depressive Störungen sind längst zur Volkskrankheit Nummer eins geworden. In den Industriestaaten ist bereits jeder fünfte Arbeitnehmer betroffen.