Erste Futtertour des Jahres im Wildpark Schwarze Berge bei klirrendem Winterwetter - das Abendblatt hat Leiterin Claudia Jülich begleitet.
Etwas skeptisch ist die vierjährige Ria noch. Ganz vorsichtig streicht sie über das Wolfsfell in der Hand ihrer Mutter. "Fühl mal, ganz weich, so ähnlich wie bei einem Schäferhund" sagt die. Den echten Wolf kann Ria natürlich nicht anfassen. Der würde ja auch vor ihr weglaufen. Das zumindest hat die Biologin Claudia Jülich gerade gesagt. Jülich leitet an diesem Tag die erste Futtertour des Jahres im Wildpark Schwarze Berge. Etwa 20 Gäste bleiben trotz der klirrenden Kälte einige Minuten lang am Wolfsgehege stehen, um zu erfahren, wie die sechs Tiere auf der anderen Seite des Zaunes leben, wie ihr Gebiss aufgebaut ist. Und natürlich wollen sie bei der Fütterung zusehen.
Claudia Jülich berichtet, wie die Rüden Didi und Donna jedes Jahr um diese Zeit die Position als Leittier untereinander aushandeln. Wölfe sind beim Jagen aufeinander angewiesen, ihr Instinkt schützt sie deshalb auch im Gehege davor, den Kampf gegen einen Rivalen aus dem eigenen Rudel bis zum Tod zu führen. Deshalb kommt das Ringen um die Leitwolfrolle auch eher dem Raufen unter Brüdern gleich. Bisher hat Donna den Kampf immer für sich entscheiden können und mit seiner Fähe - so werden die Weibchen genannt - Sally vor allen anderen fressen dürfen. An diesem Tag dauert es einen Moment, bis Donna sich blicken lässt. In einer Höhle ist es bei diesen Temperaturen wohl gemütlicher.
Ria und ihre Mutter sind extra aus Breddorf bei Zeven in die Harburger Berge gekommen. "Ria findet bei uns auf dem Land fast täglich neue Spuren von Wildschweinen und hat ein bisschen Angst vor den Tieren", sagt ihre Mutter Nadine Köster. "Deshalb will ich den Tag im Wildpark nutzen, um ihr die Tiere näherzubringen".
Mit dem Wolfsfell hat das jedenfalls schon mal geklappt. Die Fütterung hat Ria sich noch aus der zweiten Reihe, durch die Beine der anderen Besucher, angeguckt. Als sie das Fell anschließend in der Hand hält, taut sie langsam auf und freut sich darüber, wie weich es ist.
Nach den Wölfen will Claudia Jülich die Luchse füttern, aber so weit kommt Ria nicht, denn unterwegs ist das Gehege der Wildscheine, und deswegen ist sie ja eigentlich hier. Mutter Tanja zieht sie langsam mit dem Bollerwagen zu der Futterstelle und schmeißt eine Handvoll Trockenfutter in den Trog. Gemächlich erhebt sich ein gigantischer Keiler und schlurft grunzend durch den Schneematsch an den Zaun. Ria guckt ihm starr entgegen und hält sich am Rand des Bollerwagens fest. Plötzlich ruft sie: "Puh, der stinkt, den kann ich ja von hier riechen!" Ihre Mutter lacht und sagt: "Dann brauchst du keine Angst zu haben, du riechst ja, wenn ein Wildschwein in der Nähe ist".
Mit einem Happen verschlingt der borstige Keiler das Futter und wühlt anschließend mit der Schnauze im Matsch, es könnte ja noch etwas daneben gefallen sein. Ria ist sichtlich erleichtert, will dann aber doch weiter. Weg von dem Gestank. Schnell den anderen aus der Gruppe hinterher.
Biologin Claudia Jülich ist derweil mit den Besuchern der Futtertour auf dem Weg zum Luchsgehege. "Die Touren beginnen im Februar und enden im Oktober jedes Jahres. Wo heute ungefähr 20 Leute stehen, gucken im Sommer locker über 100 Menschen bei der Fütterung zu", sagt sie. "Jetzt ist eigentlich die beste Zeit, um gute Plätze zu bekommen und ganz dicht an die Tiere heranzurücken."
Gerade auch für Hobbyfotografen sei das eine gute Gelegenheit, mal ohne Gedrängel schöne Bilder von den Tieren zu schießen." Im Vordergrund der geführten Touren im Wildpark steht das Erfassen, Begreifen und Erleben von Natur mit allem Sinnen.
"Es ist uns wichtig, den Kindern die heimischen Tiere nahezubringen, deshalb stellen wir auch Anschauungsmaterial zur Verfügung, zum Beispiel das Gebiss oder das Fell eines Wolfes", sagt Jülich. Die Biologin erzählt gern davon, dass mittlerweile wieder um die 100 Wölfe in Deutschland leben. Im vergangenen Jahr wurden einzelne Heimkehrer in Maschen und der Göhrde gesichtet. Und auf dem Truppenübungsplatz in Munster scheine sich ein ganzes Rudel anzusiedeln.
Die Fütterung der Luchse hat Ria leider verpasst, dafür hat sie aber noch einen Stopp bei den Heidschnucken eingelegt und zugesehen, wie die über den Schnee gelaufen sind. "Ganz schön schnell für ihre Größe" meint sie. Eine gute Gelegenheit, ihr zu erklären, warum Schafe wie große Wollknäuel aussehen.
Die Luchse guckt sie sich dann beim nächsten Mal an. Jetzt braucht sie ohnehin erst mal einen heißen Kakao, die Decke auf dem Bollerwagen hält nämlich nicht so warm wie ein Schaffell.
Claudia Jülich bereitet sich derweil schon auf die nächste Tour vor, es steht ein privater Kindergeburtstag auf dem Programm. Dabei resümiert sie über die erste Futtertour des Jahres.
"Wir freuen uns, dass unsere Angebote auf breites Interesse stoßen. Wir sind darum bemüht, die Angst mancher Kinder vor großen Tieren in Respekt umzuwandeln und dadurch das Verständnis für ihre Umwelt zu verbessern. Wenn das, wie bei Ria gelingt, war es ein erfolgreicher Tag."