Der Technoveteran H.P. Baxxter besucht die Konspirativen Küchenkonzerte in Wilhelmsburg. Zweite Staffel für ZDF-Kultur.
Wilhelmsburg. Gleich zu Beginn enthüllt Scooter sein dadaistisches Prinzip: "Du musst ein guter Beobachter sein, wenn dir etwas auffällt: sofort aufschreiben." Scooter sitzt in der Küche von Moderator Marco Antonio Reyes Loredo und sieht ein wenig wie Mr. Spock aus, der mit seinem Raumschiff in einer fremden Umlaufbahn gelandet ist. Stechend blicken seine grün-blauen Augen aus dem schmalen, femininen Gesicht, auf den Augenliedern schillert ein Hauch perlmuttsilbriger Lidschatten, an den Fingern stecken silberne Totenkopfringe. Nehmen wir den Slogan "Gothic doesnt exist", verrät er, der sei zu ihm gekommen, einfach so beim Fernsehen. Klinge gut, müsse keinen Sinn machen. Eben Dada.
Vor ein paar Stunden fuhren dicke schwarze Wagen im Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg vor. Die drei Bandmitglieder von Scooter plus Manager stiegen aus - und fünf Betreuerinnen. Sie gaben der Presse Interviews, jeweils fünf Minuten. Und dann steht Scooter, H.P. Baxxter oder auch bürgerlich Hans Peter Geerdes aus Ostfriesland auf der Bühne. Auf seinem T-Shirt formen Strass-Applikationen das Wort "Wicked", um den Hals baumelt eine massive Gliederkette, die als Halsband für eine kapitale Dogge fungieren könnte. Solariumgebräunt sieht er aus mit der Intensivblondierung, die alle vierzehn Tage runderneuert wird. Mit Produkten aus dem Drogeriemarkt. Das hat H.P. Baxxter dem Playboy verraten.
+++ Konspirative KüchenKonzerte: Elektro am Herd +++
Dunst liegt in der Luft, auch der gummibärchenartige Geruch von Wodka - und spätestens heute bemerkt jeder Zweifler, welche Aura dieser zierliche Technoveteran auf der Bühne hat, wenn er in sein Mikrofon shoutet: "Yeeeaaahaha, allways hardcore". Die rund 60 Gäste hinter der Baustellenabsperrung hüpfen mit Glitzerkonfettis im Haar, springen, werfen die Arme in die Luft bei Scooters definitiv kleinstem Konzert in diesem Jahr und die Kameramänner der Küchenkonzerte verfolgen schwitzend jede Geste des Echo-Gewinners.
Als bildenden Künstler haben sich die Konspirativen Küchenkonzerte dieses Mal Stefan Marx geholt, mit dunkler Retrobrille neben Scooter fast schüchtern wirkend. Kunstvereinsvorstand Florian Waldvogel nennt ihn den neuen Keath Haring. Es ist die zweite Staffel, die das Grimme-Preis nominierte Kochkunstkollektiv aus Wilhelmsburg mittlerweile für den Spartensender ZDF-Kultur realisiert. Weitgehend ohne Einmischungen aus dem Sender. Wir haben den "Anarchieplatz", erzählt Redaktionsmitglied Marcel Wicker, 23, vor der Show, als alle auf den Einlass warten. Warum also nicht Scooter in die 70 Quadratmeter Privatwohnung von Moderator Marco einladen, in dem die Sendungen traditionell aufgezeichnet werden? Als Aperitif serviert Marco "Schwarzer Bulle" mit Bums, irgendwas mit Cola und Alkohol. Als Hauptgang Erdäpfel mit Currywurst und dreierlei Soßen. Häh? "Pommes", erklärt Scooter dem Feingeist Stefan Marx, der zeichnen soll. Scooter wird die Bilder anschließend mit seinen Shouts, den Parolen veredeln. Unter anderem fällt Baxxter "The Ananas doesnt exist" ein. Dadaismus eben. Und Scooter überlegt auch die mögliche Wertsteigerung der Bilder: 300 Prozent?
+++ Techno-Currywurst satt beim Küchenkonzert in Wilhelmsburg +++
"Ich brauch mehr Echo" befiehlt Baxxter auf der Bühne. Lichter flackern, durch die feuchte Luft wirbeln Glitzerkonfettis, "Maria, Maria I like t loud", "how much is the fucking fish" singt Scooter und unterlegt seinen perfektionistischen, weitgehend sinnfreien Techno mit Kommandogesten ins Publikum und animierendem Gehüpfe. Das Publikum darf selbst Shouts vorschlagen. Ein Spaß. Im Interview will Moderator Reyes Loredo der 1993 gegründeten Technoband auf den Zahn fühlen. Zum Beispiel zur Nähe zur englischen Band KLF. Manche munkeln Scooter sei aus KLF hervorgegangen. Doch da kommen keine neuen Erkenntnisse. Und so geht es nach den Pommes für Scooter schnell zurück in die Hamburger Vorstadtvilla, in der Baxxter wohnt und die er stilecht mit englischen Möbeln eingerichtet haben soll. Wilhelmsburg hat jedenfalls gebrannt, für eine Nacht.
Wer Scooter in Wilhelmsburg sehen will, schaltet am 20. Januar die Konspirativen Küchenkonzerte ein. ZDF Kultur, Sendebeginn 22 Uhr.