Dieter Thal erlebte die große Sturmflut in den Auswandererhallen. Jetzt eröffnet dort eine große Ausstellung zum Unglück vor 50 Jahren.
Veddel. Als die große Flut kam, war Dieter Thal, 62, zehn Jahre alt und wohnte mit seinen Eltern in den Auswandererhallen auf der Veddel - heute Sitz des Auswanderermuseums BallinStadt. "Freitagabend hörten wir das Hochwasserschießen, Sonnabendmorgen um 5 Uhr wollte mein Vater das Licht anmachen, aber es gab keinen Strom. Zur Arbeit auf die Schlieker-Werft konnte er nicht gehen, weil die Auswandererhallen von Wasser umschlossen waren."
Fernsehen und Radio hatte die Familie Thal nicht. Vater und Sohn verschafften sich auf dem Bahndamm auf der Peute einen Überblick: "Als wir Richtung Georgswerder und Wilhelmsburg guckten, war da nichts als Wasser, Wasser, Wasser. Es war sehr ruhig, vereinzelt konnte man Menschen hören, die schrien."
Sonnabendnachmittag kamen Bundeswehrsoldaten in die Auswandererhallen. Es gab Suppe und frisches Wasser. "Etwas später haben sie die ersten Toten vor der Kirche abgelegt, nur 20 Meter von meinem Fenster entfernt. Eine Frau suchte ihre Angehörigen, ging an den Toten vorbei und riss die Planen hoch. Da wurde für mich als Kind erstmals klar, was die Flutkatastrophe angerichtet hatte."
+++ Erinnerungen an den Deichbruch im Februar 1962 +++
In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 wurde Hamburg von einer zerstörerischen Sturmflut heimgesucht. Die Elbinseln waren dabei am schwersten betroffen. Das Auswanderermuseum BallinStadt zeigt jetzt - mit Unterstützung des Freundeskreises Auswandererwelt BallinStadt - am historischen Ort der Geschehnisse eine bewegende und informative Ausstellung zum 50. Jahrestag der Flut in Hamburg. Geöffnet ist die Sonderausstellung bis zum 29. Februar täglich von 10 bis 16.30 Uhr. Auch Fotos von Dieter Thal sind zu sehen, die er in den Tagen nach der Flut mit einer Agfa Klack und einer Voigtländer auf der Veddel machte.
Mit Windgeschwindigkeiten von 130 Stundenkilometern fegte in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 ein Orkan über Hamburg. Das folgende Hochwasser überschwemmte mehr als ein Fünftel des Stadtgebiets. Die Elbinseln waren damals am schwersten von der Naturkatastrophe betroffen. Allein in Wilhelmsburg waren 60 000 Menschen vom Wasser eingeschlossen. 222 Menschen starben auf der größten Flussinsel Europas, 37 in Waltershof, 13 in Billbrook, zehn in Neuenfelde und fünf in Moorburg.
Anhand von Fotos, Zeitungsartikeln, Audio- und Videoeinspielungen sowie Zeitzeugenberichten veranschaulicht die BallinStadt in ihrer Sonderausstellung, wie die Menschen vor 50 Jahren gegen die zerstörerischen Wassermassen ankämpften und welche Auswirkungen die Flut auf Hamburg hatte. Die Ausstellung läuft in der BallinStadt auf der Veddel - am historischen Schauplatz, von wo aus damals die Hilfsaktionen organisiert und die Opfer versorgt wurden.
+++ Stadtarchiv Stade sucht Fotos von der schweren Sturmflut 1962 +++
Schwerpunkt der Sonderausstellung sind die persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse der Betroffenen und Helfer. Die Katastrophe in ihrem ganzen Ausmaß, die Verzweiflung und die Traurigkeit der Menschen, die nicht nur Hab und Gut sondern auch Familienangehörige und Freunde verloren haben, steht ebenso im Fokus wie die Leistung der mutigen Helfer.
Die Sonderausstellung würdigt die unermüdliche Einsatzbereitschaft der unzähligen Helfer, die oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens Menschen gerettet haben, aber auch Opfer bergen mussten. Kooperationspartner der Sonderausstellung sind das Deutsche Rote Kreuz Hamburg, das Archiv der Feuerwehr Hamburg und das Feuerwehrmuseum Norderstedt.
Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber, 51, (SPD) erinnerte am Donnerstag zur Ausstellungseröffnung daran, "wie wichtig es ist, dass die Menschen auf den Elbinseln wissen, was mit dem Wasser ist. Denn Wilhelmsburg ist wie eine Badewanne." Deshalb unterstützt der Bezirk Mitte die 47 ehrenamtlichen Aktiven der Hamburger Deichwacht in Wilhelmsburg. Sie bekommen eine neue Unterkunft auf dem Gelände des Deichverteidigungslagers Finkenriek, am König-Georg-Weg im Süden der Insel. "Wir sind darauf angewiesen", sagte Markus Schreiber, "dass es Menschen gibt, die sich ehrenamtlich für den Deichschutz engagieren."