Anita Küssner (33) hat es geschafft. Jetzt will sie arbeitslose Frauen dazu bewegen, ihr nachzueifern.
Harburg. Von der Hartz-IV-Empfängerin zur Fachinformatikerin: Anita Küssner (33) hat es fast geschafft. Im Rahmen einer Informationsveranstaltung am Dienstag, 30. März, wird die alleinerziehende Mutter anderen Frauen in der Harburger Geschäftsstelle der Arbeitsagentur ab 9 Uhr Mut machen, nach monatelanger Arbeitslosigkeit im Technikbereich richtig durchzustarten. "Das war gar nicht so einfach", sagt sie im Gespräch mit der Rundschau.
Morgens in der Bäckerei Brötchen verkaufen, nachmittags in der Videothek Filme verleihen: Mit ihrem Arbeitslohn und zusätzlich Hartz-IV kamen Anita Küssner und ihre beiden Kinder Leif (13) und Eska (9) gerade mal so über die Runden. "Ich wollte dieses abhängige Leben nicht mehr. Immer diese Aushilfsjobs machen - ich sagte mir, das kann es nicht gewesen sein."
Gesagt, getan: Die Ratzeburgerin wollte sich eine gute Berufsperspektive schaffen und erkundigte sich zunächst nach ihren Chancen bei der Arbeitsagentur. "Irgendetwas mit Technik hatte ich mir vorgestellt. Ich kann sehr gut rechnen und mit dem Computer umgehen." Wie sich herausstellte, gab es in der Nähe ihres Wohnortes in Schleswig-Holstein jedoch keine geeigneten Fortbildungsmöglichkeiten, in Hamburgs Süden jedoch um so mehr.
Nach einem Eignungstest entschied sie sich für einen zehnmonatigen Berufsqualifizierungskursus zur Fachinformatikerin beim College für berufliche Weiterbildung (CBW) in Hammerbrook - eine mutige Entscheidung, denn einen tollen Start ins Berufsleben hatte die junge Mutter nicht gehabt. "Einen Schulabschluss - das hatte ich damals nicht geschafft." Mindestens die Mittlere Reife hätte sie für das Seminar aber doch vorweisen müssen. "Mein Test ist aber so gut ausgefallen, dass die Berater bei der Arbeitsagentur mir zurieten, es doch einfach mal zu versuchen."
Dafür nahm sie zehn Monate lang unter anderem eine stundenlange Anfahrt nach Hammerbrook und zurück nach Hause in Kauf. "Das ist ein ganz anderer Lebensrhythmus, früh aufstehen, Leif und Eska zur Schule begleiten, spät abends noch lernen für die Klausuren.
Das war am Anfang für uns alle eine große Umstellung. Besonders Eska ist es am Anfang schwer gefallen, dass ich nun nicht immer für sie da sein kann." Das Arbeitspensum ist enorm. Schaltkreise, das Ohmsche Gesetz, PC-Programme und Windows-Anwendungen sind nur einige Themen, die sich die 33-Jährige erarbeiten musste. "Alle zwei Wochen wurde das Erlernte in Klausuren abgefragt. "Davor hatte ich jedes Mal Angst. "Angst, zu versagen, Angst, vor den anderen Kursusteilnehmern - alles Männer - als Dummchen dazustehen." Und: "Ich will ein Vorbild für meine Kinder sein. Sie sollen sehen, dass es sich lohnt, sich für ein Ziel richtig anzustrengen." Jetzt hat sie den theoretischen Teil geschafft. Ein Jahr Praktikum bei einer IT-Firma in Lübeck schließt sich an.
Seit Januar schaut sich Küssner nun den "echten" Berufsalltag an, berät Kunden, die Schwierigkeiten mit ihrem Computer haben und montiert auch schon mal selbst PC-Systeme für Unternehmen. "Ich weiß genau, warum ein PC komisch piept, überhaupt nicht piept oder zu lange piept." Spätestens jetzt ist ihr klar: "Das ist mein Traumberuf." Nach dem Praktikum muss sie eine Abschlussprüfung bei der IHK machen. Dann ist sie am Ziel. Etwa 1800 Euro netto verdienen Berufsanfänger.
Ines Rosowski, Leiterin der Harburger Arbeitsagentur, ist begeistert vom Engagement der jungen Frau, hat sie deshalb als Referentin für ihre Veranstaltung eingeladen. "Es gibt immer noch viel zu wenige Frauen, die sich für eine Beschäftigung im technischen Bereich entscheiden." Dabei seien gerade in dieser Branche viele Fachkräfte gefragt. So gibt es in Hamburg 410 freie Stellen für Informatiker, 53 Fachinformatiker werden derzeit gesucht. "Und das sind nur die Stellen, die uns gemeldet werden. Einige Firmen im Hamburger Süden inserieren in Zeitungen und im Internet." Die Info-Veranstaltung richtet sich an Studienabbrecherinnen, Migrantinnen ohne in Deutschland anerkannten Berufsabschluss und an Wiedereinsteigerinnen. "Wir suchen 20 Frauen, die diese Ausbildung zur Fachinformatikerin machen wollen und können", so Rosowski. Denn logisches Denken und das Verständnis für mathematische Zusammenhänge sollte schon da sein. Entsprechendes Wissen wird abgefragt. Anita Küssner nickt.
Die Veranstaltung in der Arbeitsagentur läuft von 9 bis 11 Uhr. Es wird unter anderem ein berufskundlicher Film gezeigt, Mitarbeiter informieren über Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Verdienstmöglichkeiten. Auch Anita Küssner wird vor Ort sein, um über ihre Erfahrungen als Umschülerin zu berichten.