Personalbedarf in Harburg untersucht: Auch in Boombranchen ist gute Ausbildung gefragt, sagt Dr. Buch vom Institut für Arbeitsmarktforschung.
Harburg. Jung, männlich, Uni-Abschluss oder mindestens Fachhochschulzeugnis, dann haben Bewerber auf dem Arbeitsmarkt im Hamburger Süden gute Karten: Während des zweiten Neujahrsempfangs der Harburger Arbeitsagentur wartete Dr. Tanja Buch, Arbeitsmarktspezialistin vom agenturnahen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Rahmen ihres Vortrags über den Arbeitsmarkt im Hamburger Süden mit Überraschungen auf.
Buch hat für ihr Referat Arbeitsmarktdaten für Harburg sowie für die umliegenden Landkreise analysiert. Viele Fakten waren den 45 Besuchern - Vertreter von Wirtschaftsunternehmen aus Harburg - neu. Zunächst konnte Buch die Anwesenden in Sachen Wirtschaftskrise beruhigen: "Der Arbeitsmarkt im Hamburger Süden hat sich bislang als robust erwiesen. Die Unternehmen konnte die Entwicklung durch den Einsatz von Kurzarbeit recht ordentlich abfedern."
Doch das Klima auf dem Arbeitsmarkt hat sich verändert. Bewerber müssen deutlich mehr Anforderungsprofile erfüllen: "Ohne abgeschlossene Berufsausbildung keine Chance auf einen Job", so Buch. Und: Je besser der Abschluss, desto wahrscheinlicher ist die Chance auf einen Arbeitsplatz im Hamburger Süden und im Landkreis. "Das ist das Ergebnis von Strukturwandel und Wirtschaftskrise", so Buch.
Eine fachgerechte Ausbildung ist auch in den Branchen gefragt, in denen die Nachfrage nach Arbeitskräften recht hoch ist. Und auch bei diesem Thema unterscheidet sich der Hamburger Süden von anderen Bezirken der Hansestadt. "Gefragt sind Berufe im Bürobereich, im Einzelhandel und - hier zieht Harburg mit anderen Hamburger Bezirken gleich - in der Pflege", so Buch - wobei es beim Einzelhandel keine Erkenntnisse um die Qualität der Arbeitsverhältnisse - etwa kurzfristige Personalverträge wegen Sonderverkaufsaktionen - gebe.
Außerdem bestehe hoher Einsatzbedarf in den sogenannten MINT-Sparten - Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwissenschaften und Technik. Dieser Trend werde sich aufgrund des demografischen Wandels noch verstärken. Das heißt: "Unternehmen können in der Zukunft auf das Know-how von älteren Mitarbeitern nicht verzichten", so Buch. Außerdem müsse der Berufseinstieg von Menschen mit Migrationshintergrund verbessert und die Frauenerwerbsquote erheblich gesteigert werden.
Als Orientierung gilt Buch die Situation in Dänemark. "Dort hat man schon viel früher erkannt, dass man auf das Wissen der älteren Beschäftigten und auf gut ausgebildete Frauen nicht verzichten kann. Weiterhin ist die Kinderbetreuung dort viel besser organisiert, sodass Frauen Familie und Beruf viel besser in Einklang bringen können."
Viele Besucher waren beeindruckt von Buchs Vortrag. "Einige überlegen schon, wie sie in ihren Betrieben Bildungsoffensiven starten können", sagt Agenturleiterin Ines Rosowski.
Doch bislang scheint das Freisetzen von Personal für viele Chefs immer noch das probateste Mittel zu sein, um wirtschaftliche Engpässe zu überwinden. Das zeigen die aktuellen Arbeitslosenzahlen. Die sind zum Jahresauftakt gestiegen.
"Die Quote ist um 0,8 Prozent höher als im Dezember ", sagt Rosowski. Damit sind 10,9 Prozent, 10 976 Menschen im Hamburger Süden, ohne Job. Besonders gering qualifizierte Harburger - 3248 Personen - und die Generation 50 plus mit 2331 Männer und Frauen, sind von Arbeitslosigkeit betroffen.
Auch im Landkreis beginnt das Jahr mit einer Zunahme der Arbeitslosigkeit. So meldet die Arbeitsagentur Buchholz eine Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent, in Winsen beträgt diese Zahl 6,4 Prozent, für den Landkreis Harburg wurden 5,7 Prozent gemeldet. "Im Januar wurden 14 046 Arbeitslose bei der Lüneburger Arbeitsagentur sowie bei den Dependancen in Winsen und Buchholz registriert. Gegenüber Dezember 2009 wuchs diese Zahl um 1740 Personen, 14,1 Prozent, an", sagt Bernd Passier, Chef der Lüneburger Arbeitsagentur der Rundschau. Auch in der südlichen Metropolregion sind es vorwiegend die Älteren, die keinen Job mehr haben.
Das muss sich laut Buch in Stadt und Land schnell ändern. "Die Betriebe sollten ihre gut qualifizierten älteren Mitarbeiter unbedingt halten. Sonst geraten sie künftig ins Hintertreffen, wenn die Konjunktur wieder anzieht."