Tausende Menschen waren schon früh auf den Beinen und besuchten den Markt rund um die Kirche. Viehhandel ist dort allerdings längst Nebensache.
Egestorf. Wer will, kann schon ab 200 Euro ein Pony mit nach Hause nehmen; auch Hasen, Kaninchen und Hühner gibt es auf dem Hof von Familie Marquardt zu kaufen. Ansonsten wird beim zweitägigen Kram- und Viehmarkt, der am Sonntag pünktlich um 8 Uhr in Egestorf startet das "Vieh" eher klein und der "Kram" groß geschrieben. Trotz ungemütlichen Herbstwetters tummeln sich zahlreiche Besucher auf der Alten Dorfstraße und rund um die Kirche an den Ständen und Buden.
Vorbei sind die Zeiten, als die Händler schon um 5 Uhr morgens hier waren, als viele Pferde und an einem Tag sogar 130 Kühe verkauft wurden - Dieter Marquardt (70) erinnert sich noch daran, seit 45 Jahren ist er beim Herbstmarkt mit dabei. Schon seit Jahren werden hier keine Kühe mehr angeboten, auch der Pferdehandel ist verboten - die rund 20 Ponys sind die Ausnahme.
Was geblieben ist, ist der alte Brauch, mit dem die Geschäfte besiegelt werden. Marquardt: "Das geht hier noch per Handschlag, das gehört einfach dazu."
Doch "heute ist der Krammarkt wichtiger", sagt Dieter Marquardt. Der Kram bekam seine Bedeutung, als die Angestellten auf den Höfen noch einen Tag frei bekamen, um sich hier mit Winterkleidung und warmer Unterwäsche zu versorgen. Strümpfe, Mützen, Pullover und Hüte gibt es noch heute auf dem Egestorfer Herbstmarkt, dazu Haushaltswaren, Blumenzwiebeln aus Holland, frisch gebackenes Brot aus dem Ofen, Wildschweinsalami und Heidschnuckenschinken, Süßwaren, Rasenmäher und Reitbedarf.
Begeistert sind die Besucher vom "Welsh Black"-Bullen Sammy, der fast eine Tonne wiegt, und von Zwergschaf Heinrich - beide hat Hermann Maack (63) von seinem Schüttenhof aus Lübberstedt mitgebracht. Ein 50 Jahre alter Porsche-Trecker ist auch mit dabei.
Der Kram- und Viehmarkt in der Gemeinde Egestorf hat eine lange, genau gesagt 630 Jahre lange Tradition: Autoscooter, Schieß- und Crêpesbuden sind zwar neueren Datums, doch die Geschichte des Herbstmarktes reicht zurück bis ins Mittelalter. Schon 1379 soll hier ein Markt stattgefunden haben, wie eine Urkunde des Bischofs Heinrich von Verden erkennen lässt. Von ursprünglich Juli wurde der Termin später in den Oktober verlegt. Seit 1826 ist der Montag der zweite Markttag. 1887 mussten die Händler je Markttag und Quadratmeter acht Pfennig Standgebühr bezahlen, und der Herbstmarkt bezeichnete zugleich den Beginn der "Grogzeit". Prügeleien waren damals an der Tagesordnung.
Heute haben Marktmeisterin Peggy Döhrmann (38) und ihre Kollegin Kerstin Albers (44) die Sache sympathisch im Griff. "Wir sind diplomatisch, so richtig Stress hat es noch nie gegeben", sagt Peggy Döhrmann. Beide genießen die zwei abwechslungsreichen Markttage: "Das ist mal was anderes als Schreibtischarbeit", freuen sich die beiden Frauen, die normalerweise in der Gemeindeverwaltung tätig sind.
Wer zum Egestorfer Herbstmarkt geht, muss wetterfest sein: "Schmuddelwetter gehört dazu", sagen die Alteingesessenen. "Davon lassen sich die Leute aber nicht abhalten", weiß Kerstin Albers. Bloß Karl Marksfeld ist diesmal nicht mit dabei: Der 87-Jährige aus der Nähe von Kassel gehört seit 50 Jahren als echtes Original zum Egestorfer Markt dazu - diesmal hätte er Jubiläum gefeiert, doch eine Grippe zwang ihn zu Hause zu bleiben. Vertreten wird er von Tochter Gisela Marksfeld (58) und Enkelin Jutta (33), die aus Jever in Ostfriesland ein buntes Sortiment an Haushaltsmessern mit in die Heide gebracht haben.