Ein Studentenpaar lädt Musiker und Künstler in seine Loftwohnung - zu Essen, Kunst und Musik.
Wilhelmsburg. Man nehme eine schrundige Wohnung in einer alten Farbenfabrik, einen redegewandten Moderator, der kochen kann, eine Band und ein Bild - und heraus kommt eine kultige Kochshow, die fast nichts mit den etablierten Koch-Shows im Fernsehen gemein hat. Ins Fernsehen kommt die Kochshow trotzdem: Sie ist zu sehen im Hamburger Alternativsender Tide TV und trägt den schönen Namen "Konspirative Küchenkonzerte".
Wilhelmsburger Puhsthof, Haus 2, erster Stock: Wir betreten die Loftwohnung von Marco Antonio Reyes Loredo (29) und seiner Lebenspartnerin Kerstin Schaefer (29). Beide studieren Kulturanthropologie an der Universität Hamburg und beide sind "ganz bewusst" von St. Pauli (er) und Eimsbüttel (sie) auf die größte Flußinsel Europas gezogen. "In Wilhelmsburg gibt es tolle Gebäude und ganz unterschiedliche Menschen - da es ist nicht so langweilig wie in Eimsbüttel", sagt Kerstin Schaefer. An diesem Abend öffnet das Paar seine 90 Quadratmeter große Fabrikwohnung für ein Fernsehteam, für 25 Gäste, für eine Kapelle und für die Künstlerin Gesa Lange (36), die eine 6,48 Meter lange Bleistiftzeichnung präsentieren wird. Die Kapelle Herrenweide wird deutschen Rock spielen und Marco wird dabei "Kapellenklöpse nach Herrenweide-Art" kochen und das Publikum mit seinen ironisch-scharfen Sprüchen unterhalten.
Das Konzept der "Konspirativen Küchenkonzerte" ist einfach: "Wir laden Hamburger Musiker und Künstler in unsere Wohnung, und dann kommen noch Freunde und Bekannte", sagt Marco. "Wir wollen Kochen, Kunst und Musik zusammenbringen."
Die Show beginnt. Marco befördert die Klopse in den Topf und frozzelt mit einem Musiker: "Na, du alte Schachtel!" Der Moderator stammt aus Weimar, hat einen bolivianischen Vater und nennt sich scherzhaft "Ost-Boli". Und wenn die Kapelle spielt, sollen die Gäste "ruhig aufstehen, damit hier keine Kerner-Atmosphäre entsteht".
Im Loft wird es derweil immer wärmer: An der Decke hängen schwere Scheinwerfer, die die Crew mit einem Lastenaufzug in den ersten Stock transportiert hat. Auf den Tischen leuchten Kerzen. Die Gäste sitzen auf Stühlen, auf denen auch schon Kerstins Großeltern gesessen haben, und bekommen während der Sendung von Enno Mühlmann (29) Bier, Brause und einen Campari-Drink gereicht. Nach einer Stunde ist Schluss mit dem Kochen: Dann essen alle die Klopse, "und ihr dürft euch", sagt Marco, "betrinken und eure zukünftigen Lebensabschnittsgefährten kennenlernen".
Als Marco vor drei Jahren aus dem dritten Stock seines "typisch verratzten Altbaus" auf St. Pauli in die ehemalige Farbenfabrik Flügger zog, erwartete ihn dort ein kahler Lagerraum ohne Küche und Klo. Um dem Abwasser des selbst gebauten Küchenwaschbeckens genug Gefälle zu geben, errichtete der Neu-Wilhelmsburger ein Podest. Auf dem thront heute die Küche. Der Sänger Nils Koppruch titulierte das Konstrukt als "Küchenbühne" - und die Idee der "konspirativen Küchenkonzerte" war geboren. Gleich nebenan residieren Automechaniker, Stahllager, die Internationale Gartenschau, eine pakistanische Großfamilie und Webdesigner. Dazwischen haben Musiker ihre Probenräume - dem Hofgeflüster zufolge spielte hier früher die Band Tocotronic.
Ein richtiger "Koch-Kerner" will Marco nicht werden. Sein Fazit nach einer stimmungsvollen Stunde: "Ich hasse die konventionellen Koch-Shows im Fernsehen. Wir machen das hier nur, weil wir daran Spaß haben. Diese Sendung wird nie an die kommerziellen Radio- und Fernsehsender gehen."
An folgenden Terminen sind die "Konspirativen Küchenkonzerte" bei TIDE TV (im Hamburger Kabelnetz auf Platz 21) um jeweils 20 Uhr zu sehen: Am Sonnabend, 2. Mai, gibt es Kalbsleber mit Kartoffelbrei und Apfelmus. Die Musik macht Nils Koppruch, das Bühnenbild gestaltet Thorsten Passfeld. Am Sonnabend, 6. Juni, spielt die Kappelle Herrenweide, dazu gibt es "Kapellenklöpse nach Herrenweide-Art" und eine Bleistiftzeichnung von Gesa Lange. Und am Sonnabend, 4. Juli, spielt Catharina Boutari und Marco brutzelt Glutenfreies aus dem Wok, dazu gibt es eine WM-Rasen-Dokumentation von Susanne Katzenberg.