Ausgehen auch mal ohne Essen - das funktioniert vor allem in Weinlokalen. Wenn die Sonne scheint, werden einfach Tische und Stühle rausgestellt. Lebensgefühl wie im Süden!
Harburg, Buxtehude, Lüneburg. Wir haben drei Wirte zum entspannten Weinschmecken besucht, die auf Winzer in Spanien, Italien und Deutschland spezialisiert sind.
El Toro Lüneburg an einem lauen Sommerabend. Während sich die Touristen am Stint vergnügen, wird die Schröderstraße zum Laufsteg der Einheimischen. Die Gastronomen haben dafür schon mal die Stühle mit den Rückenlehnen zur Häuserzeile ausgerichtet. Sehen und Gesehenwerden sind jetzt so wichtig wie Essen und Trinken.
Matthias Ellinger hat vor vier Jahren das News eröffnet (früher Lilienthal), ist hier aber auch für die spanischen Momente zuständig. Gleich nebenan befindet sich das El Toro, Tapasbar und Weinausschank. Kaum ein Student aus Lüneburg, der hier nicht schon mal bei einem Glas Rotwein bis spät in die Nacht über das Leben philosophierte. Ein Galaplatz ist gleich hinterm Fenster. Schattig und mit Überblick. Hier ist Europa gastronomisch zu Hause: Griechen, Italiener und Türken tummeln sich, dazu jede Menge Szeneküchen. Ein Blick auf die Tafel gegenüber zeigt, wo&39;s kulinarisch langgeht: Jede Pizza 5 Euro. Auch Matthias Ellinger kann sich dem Preisdruck nicht entziehen. Gerichte über 10 Euro gehen gar nicht. Vieles traut sich noch nicht mal über die 8-Euro-Grenze. Deshalb ist die Leber in Portweinsoße (6,80 Euro) auch nicht vom Kalb, sondern vom Geflügel. Auch wenn die Qualität stimmt - hier ist man besser Feinschauer als Feinschmecker. Oder Feintrinker. Aber auch da herrschen die Gesetze der freien Marktwirtschaft. Ordentliche Offene gibt&39;s für unter 5 Euro pro Glas. Tipp vom Chef: "Siglo XX aus La Mancha, fruchtig, trocken und säurearm" für gastfreundliche 3,90 Euro pro Glas. Flaschen werden selten zum Tisch gebracht. Dafür eher Brandys, Liköre und Sherrys.
Wer spanisch satt werden möchte, riskiert einen Blick in den Frischetresen. Dort präsentiert Küchenchef Daniel Augner seine Tapas-Variationen. Es geht zwar nicht ganz authentisch zu, aber ganz lecker. Während in Spanien alles in kleinen Schälchen auf die Tische kommt, landen die Best-Of-Tapas im El Toro auf Tellern - von klein (3,90 Euro) bis groß (8,70 Euro). Besonders zu empfehlen ist Chorizo, eine spanische Wurstspezialität, Datteln im Speckmantel oder mallorquinische Hackbällchen.
Grauer Esel Kennen Sie den Vinojet? Wenn Sie sich schon mal über das geringe Angebot offener Weine geärgert haben, dann sollten Sie ihn kennen lernen. Und zwar bei Daniela Buzzacarin-Dölling in ihrer Enoteca Italiana, den meisten Harburgern seit 1645 bekannt als Grauer Esel. Hier also im kleinen historischen Fachwerkbau inmitten des modernen Channel Harburg kommt der Vinojet zum Einsatz - quasi als A 380 des Weinausschanks. Elektronisch gesteuert entzieht er der Flasche die optimale Menge Luft und schützt den Wein so vor Oxidation. Das bedeutet, auch nach mehrfachem Öffnen verliert er nicht an Qualität, verspricht die Wirtin, und kann guten Gewissens über 20 auch hochwertige Sorten offen anbieten. Als gebürtige Veneterin setzt sie dabei voll auf italienische Produkte. Das beginnt beim Hauswein für 3,10 Euro pro Glas und endet beim Lamezia aus Kalabrien, der 2001er Jahrgang glasweise für 7,90 Euro. Mit der Order einer bestimmten Flasche lässt es sich gut angeben. Vor einiger Zeit hat sich die Chefin ein kleines Kontingent der 2000er-Abfüllung des Tignanello von Antinori aus der Toskana gesichert. Der bereits vergriffene Rote wird bei ihr jetzt mit 128,50 Euro die Flasche gehandelt. Daniela Buzzacarin-Dölling beschreibt seine Traube als "sorgfältig per Hand selektiert, intensiv fruchtig, mit sanften Tanninen und sehr nachhaltig."
Als sie 2001 gestartet ist, sollte die kleine Weinwirtschaft ihr Hobby werden, sagt sie. Mittlerweile ist sie auch Arbeit, denn die Gäste wollten zum Wein warme Speisen. Und so ist trotz des 35 Quadratmeter kleinen Gastraumes mit nur 25 Plätzen jede Menge zu tun: Empfehlen, Ausschenken, Anrichten. Zum Beispiel das neuseeländische Lammragout in Thymian- und Rosmarinsoße (8,50 Euro). Oder die beliebte Käseplatte mit zehn verschiedenen Sorten (10,50 Euro), die von der Wirtin ausführlich erklärt werden, dazu entsprechende Dips wie Feigensenf und Sonnenblütenhonig mit frisch gemahlenem Pfeffer.
An sonnigen Tagen werden Fenster und Türen geöffnet. Leider rauscht davor nicht das Mittelmeer, sondern Auto- und Bahnverkehr. Trotzdem füllen sich die zwölf Außenplätze. Die Gäste bekommen zu ihrem Wein gleich die richtigen Tipps für die heimische Flaschenlagerung: "Weißwein immer auf 6° C kühlen und Rotwein im Sommer am besten mit 18 Grad servieren."
Primus In Buxtehude haben Lars Wolter und Jens-Peter Rehbehn aus dem Pius das Primus gemacht, den Klassenbesten. "Für Tafelfreunde und Genussmenschen", wie sie sagen. Ihre Weinwirtschaft steht kulinarisch auf etwas stabileren Beinen als der Vorgänger. Mit Wladimir Gelwer leisten sie sich einen Küchenchef, der das volle Programm kocht. Pochierte Seeteufelmedaillons auf Curryschaum (10,50 Euro) vorweg, gebratene Maishähnchenbrust mit Gorgonzola gefüllt (14,50 Euro) als Hauptgericht oder den Flammkuchen "Altländer Apfel" (7,50 Euro) zum Finale. Dafür stehen dem ambitionierten Feinschmecker der kleine Hinterhofgarten und das glasbedachte Atrium zur Verfügung. Die halbe Weinwelt ist hier zu Hause. Aus Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Portugal, Südafrika und Australien stammen die Winzer. 24 offenen Sorten sind im Angebot. Alle werden auch 0,1 literweise ausgeschenkt. Das ist nicht nur promillegrenze-freundlich, sondern gibt Geschmacksraum für spontane Weinproben. Der Weintipp vom Chef: "Herdade Dos Lagos, ein sommerlich-fruchtiger Rose aus Portugal (0,2 Liter für 5,90 Euro)." Wer eine ganze Flasche ordert, und die nicht austrinkt, nutzt das "Bottle to go"-Angebot: Korken rein und mitnehmen!
Seit Mitte Februar 2008 betreiben die beiden Wirte das Primus in der Abtstraße, eine von Buxtehudes wunderschönen Altstadtgassen. Die große Karte wird ergänzt durch Kleinigkeiten, die zum Wein nur Ergänzung sein sollen. Zum Beispiel die Käseauswahl von der Jithofer Käserei aus Bargstedt. Das kleine Brett für 12,50 Euro, das große für 18,50 Euro. Als Snack zum Wein eignen sich auch die herzhaften Flammkuchen ab 6,50 Euro. Jeden Sonnabend lockt der "Markt-Lunch" (11 bis 17 Uhr), ein Mittagessen mit 0,2 Liter Wein ab 10 Euro.
Gäste, die freiwillig ihre Geschmacksnerven ruinieren, können das in der abgetrennten Raucherlounge tun. Die süßen Sünden (belgische Schokolade) lagern im begehbaren Wein-Klimaraum.