Die Bürger lehnen riesige Hallen und noch mehr Verkehr vor ihren Haustüren ab. Auch in der Politik regen sich Zweifel gegenüber solchen Plänen.

Brackel. Der Widerstand gegen die großen Logistikzentren im Landkreis Harburg formiert sich. In Brackel haben sich jetzt Bürgerinitiativen (BI) unter anderem aus Thieshope, Rade und Evendorf darauf verständigt, gemeinsam den "Kampf aufzunehmen und ein Aktionsbündnis gegen die Zerstörung unserer Heimat zu bilden", hieß es. Ulrike Müller, Sprecherin der Thieshoper BI, sagte im Anschluss an das Treffen: "Wir fordern den sofortigen Abbruch der Planungs- und Genehmigungsaktivitäten. Wir fordern auch, dass endlich mit den Bürgern gemeinsam über eine Entwicklung der Region gesprochen wird, und dass ein ordentliches, die gesetzlichen Vorgaben einhaltendes Raumordnungsverfahren durchgeführt wird, bevor diese oder ähnliche Großprojekte verfolgt werden."

Wie berichtet, wehren sich die Thieshoper gegen ein Logistikzentrum, das auf 44 Hektar vor ihren Haustüren in der Gemarkung Tangendorf entstehen soll. Die Rader BI wiederum wehrt sich gegen ein rund 80 Hektar großes Logistikzentrum in Minenbüttel. Und die Evendorfer schließlich versuchen, den zehn Hektar großen Flying J-Autohof an der A 7 zu verhindern. Die Anwohner haben Angst vor dem drohenden Verkehr, vor riesigen Logistikhallen, und sie fühlen sich von ihren Gemeinderäten "schlichtweg über den Tisch gezogen und allein gelassen", sagte ein BI-Mitglied aus Evendorf. Für Ärger sorgen die Äußerungen von Landrat Joachim Bordt, der (die Harburger Rundschau berichtete) die Ansiedlung von Logistikzentren entlang der Autobahnen und die derzeitige wirtschaftliche Entwicklung im Kreis mit dem politischen Willen im Kreistag verteidigte. Müller: "Das hat schon diktatorische Züge." Die Politik entscheide, so Müller, und der Bürger habe zu akzeptieren.

Dabei regen sich nun auch in der SPD-Kreistagsfraktion erste Zweifel an dieser Entwicklung. "Es entsteht der Eindruck, dass sich dieser Bereich verselbstständigt. Die Menschen müssen mitgenommen werden. Es darf ihnen nichts aufgestülpt werden. Logistik und Arbeitsplätze ja, aber wir müssen den goldenen Mitttelweg zwischen Flächenverbrauch und Ankurbelung der Wirtschaft finden", sagt Angelika Tumuschat-Bruhn (SPD), stellvertretende Fraktionschefin im Kreistag. Diese Überdimensionierung der Logistikansiedlungen, wie sie jetzt teilweise im Kreis zu beobachten seien, seien dem Bürger kaum noch zuzumuten, so die SPD-Abgeordnete.

"Diese Entwicklung war für Insider abzusehen. Vor Jahren hatten wir die ausgewiesenen Gewerbegebiete und keine Interessenten dafür. Jetzt aber, mit dem boomenden Hamburger Hafen im Hintergrund, hat sich das Blatt gewendet", sagt Grünen Fraktionschefin Ruth Alpers. Ihr Kreistagskollege und stellvertretende CDU-Fraktionschef Manfred Cohrs sieht die Sache gelassen: "Man kann der Süderelbe AG nicht vorwerfen, dass sie ihre Aufgaben macht", bei denen sie sich an das kreiseigene Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) halte. In dem sei eindeutig festgeschrieben, dass entlang der Autobahnen Logistikbetriebe anzusiedeln seien. Und die "teilweise ja verständliche" Kritik der Bürger, so Cohrs, sei besser bei den Gemeinden als beim Kreis aufgehoben. Denn die Gemeinden hätten die Bauleitplanung in ihren Händen.

Ende 2004 hatte der Kreistag den Startschuss für die Süderelbe AG gegeben. Deren Auftrag war und ist, "entlang der großen Verkehrsachsen Logistikbetriebe anzusiedeln", so der Vorstandsvorsitzende Jochen Winand. Das Ziel: die Wirtschaft fördern und Arbeitsplätze schaffen. Winand: "Es sind die Gemeinden, die mit der Ausweisung ihrer Gewerbegebiete die planerische Voraussetzung dafür schaffen, dass wir bei ihnen anklopfen, wenn wir Ansiedlungsinteressenten haben. Und wenn es heute aus dem Kreistag heißt, wir würden nicht über unsere Arbeit informieren, dann muss ich dem vehement widersprechen." Der Kreistag habe Vertreter im Beirat der Süderelbe AG, und "ich berichte dem Wirtschaftsausschuss jährlich über unsere Projekte. Mein Angebot, dieses vierteljährlich zu tun, wurde abgelehnt", so Winand.