Chemiecocktail. Dürfen Bauern auf belasteten Alt-Spülfeldern in Zukunft auch kein Futtergetreide mehr anbauen?

Harburg. Hochgiftiges und krebserregendes Dioxin in Futter-Gerste, ebenso in Futter-Weizen. Bei fünf Getreide-Proben, die im Auftrag der Hamburger Behörde für Umwelt und Gesundheit von Anbauflächen auf Alt-Spülfeldern in Obergeorgswerder (Wilhelmsburg) und Neuland (Harburg) genommen und in Labors analysiert worden waren, überschritten zwei Messungen die zulässigen Grenzwerte. Behördensprecher Volker Dumann: "Die Gerstenprobe hatte einen Wert von 19,57 Nanogramm pro Kilogramm Dioxin bei einem festgelegten Grenzwert von 0,75 Nanogramm. Der Anbaubetrieb, hatte die Gerste nicht verkauft sondern im Betrieb an Schweine verfüttert. Die Tiere sind nicht zur Schlachtung freigegeben. Der Rest der Gerste ist gesperrt. Warum der Dioxinwert dieser einen Probe derart hoch ausgefallen ist, müssen weitere Untersuchungen ergeben. Bodenuntersuchungen sind geplant. Durchschnittliche frühere Bodenmessungen ergaben Werte zwischen 900 und 1000 Nanogramm. Eine mögliche Erklärung: Die Gerstenpflanzen lagen bei Regen zu Boden gedrückt und die Körner hatten direkten Kontakt. Normalerweise nimmt eine Pflanze beim Wachstum keine derart hohen Mengen auf." In Obergeorgswerder wurde bei einer Probe eine schwache Dioxinbelastung im Weizen festgestellt: 1,15 Nanogramm statt 0,75 Ng. In diesem Fall ist eine Nachuntersuchung inzwischen abgeschlossen. Volker Dumann gestern zur Harburger Rundschau: "Die Proben sind bedenkenlos." Der untersuchte Weizen war zwischenzeitlich in einer 100 Tonnen-Lieferung nach Schleswig Holstein verkauft worden, machte darin zwei Prozent aus. 42 Tonnen kamen zurück in einen Hamburger Futtermittel-Mischbetrieb. Dumann: "Alles unterhalb der Grenzwerte. Beim Weizen ist alles in Ordnung." Mit dieser Aussage fällt dem Obergeorgswerder Landwirt Hennig Cordes ein Stein vom Herzen. "Ich habe vor, weiter Landwirtschaft zu betreiben", sagt er. Doch das Gelände, das er beackert, hats in sich. Wie alle Hamburger Altspülfelder - auch das in Neuland - besteht der landwirtschaftlich genutzte Oberboden aus schadstoffbelastetem Hafenschlick, der den gesamten Chemiecocktail der Industrie aus dem Oberlauf der Elbe und ihrer Nebenflüsse enthält. Wegen der Schadstoffbelastungen durften Landwirte bereits keine Lebensmittel mehr auf Spülfeldern anbauen. Wenn jetzt auch noch Anbau von Futtermitteln verboten werden würde, könnten Bauern wie Hennig Cordes einpacken. Um herauszufinden, welches Futtergetreide auf den Spülfeldern bedenkenlos angebaut werden kann, das den Landwirten die Existenz sichert, hatte die Hamburger Wirtschaftsbehörde die Untersuchung bei der Behörde für Umwelt und Gesundheit in Auftrag gegeben. Während Gerste und Weizen vielleicht problematisch sind, zeigt die Untersuchung jedenfalls, dass Roggen keine Belastung aufwies. Was in Obergeorgswerder landwirtschaftlich in Zukunft passiert, ist auch ungewiss, weil die Hamburger Stadtplanung dort Gewerbe- und Industrieansiedlung vorbereitet.