LÜNEBURG/BUCHHOLZ. Er hat 1925 die Buchholzer Ortsgruppe der NSDAP gegründet, wurde zugleich Leiter des Bezirks Lüneburg-Stade und stand bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dem Gau Ost-Hannover vor: Otto Telschow (1876-1945) wurde 1937 zum Ehrenbürger der Stadt Lüneburg ernannt - jetzt will der Rat dem Nationalsozialisten diese Würde nachträglich aberkennen. Auch in Buchholz wird Telschow laut Online-Lexikon Wikipedia als Ehrenbürger geführt - doch davon wusste man in der Nordheide bis zum Anruf der Harburger Rundschau gar nichts.

Auch wenn eine Ehrenbürgerschaft juristisch mit dem Tod der Person erlöscht, will der Lüneburger Stadtrat sich nun davon distanzieren: Das Gremium erkenne "heute die Ehrenbürgerschaft aus moralischen Gründen ab", heißt es in einem Antrag der Gruppe SPD und CDU, der bei der Sitzung am kommenden Donnerstag, 19. April, ab 17 Uhr im Huldigungssaal des Rathauses auf der Tagesordnung steht.

"Ehrenbürger der Stadt dürfen nur Persönlichkeiten sein, die sich zu den Grundsätzen des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates bekennen und die sich um die Stadt und ihre Bürger besonders verdient gemacht haben", schreiben die Fraktionsvorsitzenden Heiko Dörbaum (SPD) und Regina Baumgarten (CDU) weiter. Otto Telschow aber sei in seiner Funktion als Gauleiter "mitverantwortlich für die Gräueltaten während der Hitlerdiktatur".

Die Grünen gehen in ihrem Antrag noch weiter: Sie wollen alle Ratsbeschlüsse aus der NS-Zeit nach möglichen Auswirkungen in der heutigen Zeit überprüft wissen und regen eine Ausstellung über Otto Telschow an. Dazu Dr. Uta Reinhardt, Leiterin des Stadtarchivs: Ihre Abteilung sei "personell nicht in der Lage, innerhalb einer überschaubaren Zeit diese Prüfung vorzunehmen". Sie schlägt daher die Einrichtung einer Historiker-Stelle für drei Monate vor. Kostenpunkt: gut 7000 Euro. Zu einer Ausstellung äußert sich Reinhardt kritisch: Diese könne unerwünschte Aufmerksamkeit von politisch weit rechts Stehenden auf den Telschow ziehen und würde "die bereits vom Deutschen Salzmuseum ausreichend dargestellte Thematik kaum noch um neue Erkenntnisse erweitern".

In Buchholz wussten Bürgermeister Wilfried Geiger und Verwaltungsmitarbeiterin Birgit Diekhöner bislang nichts von Telschows Ehrenbürgerschaft. Ein Anruf beim Historiker Jan Wiborg, der vor 20 Jahren seine Examensarbeit über Telschow schrieb, ergab jedoch: "Telschow wurde 1941 per Ratsbeschluss Ehrenbürger." Diekhöner hat auf diesen Hinweis gestern den Auftrag an das Stadtarchiv gegeben zu prüfen, ob Telschow die Ehre bereits wieder aberkannt wurde.