Aufatmen: Schiffshebewerk Scharnebeck ist repariert. Das Hebewerk auf dem Elbe-Seitenkanal mußte nach einer Havarie mit halber Kraft arbeiten. Eine Geduldsprobe für die Binnenschiffer.
Scharnebeck. So etwas sollte eigentlich nie passieren, und doch passierte es: Stau auf dem Elbe-Seitenkanal. Seit einer Havarie im August vergangenen Jahres lag einer der zwei Transport-Tröge im Schiffshebewerk Lüneburg brach, war nicht mehr zu benutzen - bis zu zehn Stunden lang mußten die Binnenschiffer Schlange stehen, bis sie mit Hilfe des Hebewerks die 38 Meter Höhenunterschied auf dem Kanal überwinden konnten. Nun aber soll alles überstanden sein. Ab Dienstag, 1. November, herrscht vermutlich endlich wieder freie Fahrt: Dann geht der reparierte Trog wieder in den regulären Betrieb.
Es war der GAU für eine elektromagnetische Großanlage: Tonnenweise Elbwasser rauschte am 31. August 2004 in die Wanne unterhalb des Troges, ein Tor hatte sich angehoben, das eigentlich unten bleiben sollte. "Das resultierte aus einem elektrotechnischen Problem", erklärt Bauingenieur Andreas Hüsig, stellvertretender Amtsleiter und zuständig für das Schiffshebewerk in Scharnebeck bei Lüneburg. Er hat beim Wasser- und Schiffahrtsamt (WSA) Uelzen, einer Unterbehörde des Bundesverkehrsministeriums, die Reparaturarbeiten betreut.
Folge des plötzlichen Wassereinbruchs: Motoren, Kabel, Pumpen, Hydraulikaggregate und Schaltschränke, fast alle elektrischen und mechanischen Bauteile waren beschädigt oder ganz kaputt. "Und die gibt's nun mal nicht im Baumarkt", erklärt Hüsig, "die müssen fast alle einzeln angefertigt werden." Auf einige Ersatzteile wartete das WSA ein halbes Jahr lang. Hüsig zeigt dafür Verständnis: "Schiffshebewerke sind eben selten auf der Welt."
25 Kilometer Kabel haben die Mitarbeiter des Wasser- und Schiffahrtsamts inzwischen neu verlegt, Zehntausende Ersatzteile eingebaut. Schrauben mußten nachgezogen werden, Dutzende Schaltschränke verdrahtet, alle mechanischen Antriebsteile angefertigt, eingebaut und mit einer neuen Computersteuerung getestet werden. Nachdem die WSA-Ingenieure und -Techniker sowie der Germanische Lloyd die Anlage mehrmals auf Herz und Nieren geprüft hatten, ließ das WSA diese Woche erstmals wieder Boote im Trog mitfahren.
Erleichterung herrscht bei den Binnenschiffern: Zwar hatte sich der Verkehr seit dem 24-Stunden-Betrieb am Hebewerk seit Juni 2004 bereits leicht entzerrt, aber diesen 50-Prozent-Ausfall der Technik haben die Kapitäne ordentlich zu spüren bekommen: Wartezeiten bis zu zehn Stunden mußten sie in Kauf nehmen, ansonsten sind es in absoluten Spitzenzeiten höchstens bis zu vier. Und das kostet eben nicht nur Zeit, sondern auch eine Menge Geld.
"Wir haben zwar ein Schubschiff zur Sicherheit eingesetzt" sagt Hüsig vom WSA, "dadurch ging es bei der Ausfahrt schneller." Aber ausgleichen konnte das Boot den Ausfall natürlich nicht. Mehr als vier Millionen Euro hat der Bund in die Instandsetzung des bedeutendsten Hebewerks der Welt gesteckt - einige Arbeiten wie Korrosions- und Rostschutz hat die Behörde bei der Gelegenheit gleich mitmachen lassen. "Augen zu und durch", war das Motto des WSA, dessen Mitarbeiter monatelang an Wochenenden und bis ins die Nacht schufteten. "Unsere Leute haben eine tolle Leistung erbracht", sagt Bauingenieur Andreas Hüsig. Ansonsten hätten 2006 oder 2007 die nächsten Arbeiten angestanden - und das hätte die nächsten Staus auf dem Wasser bedeutet.