FEUERWEHR Vor 30 Jahren war dort Katastrophengebiet. Zwei Männer erinnern sich.

Handeloh

"Ich kam an diesem Freitag so gegen 16 Uhr vom Einkauf in Tostedt zurück, als ich die Rauchsäule über dem Büsenbachtal sah", erinnert sich Helmut Henck an 7. Juli vor genau 30 Jahren, als das Feuer, das in den nächsten Tagen über sechs Hektar Wald, teilweise 30jährigen Kiefernbestand, zerstörte, und das Büsenbachtal für über eine Woche lang zum Katastrophengebiet erklärt wurde.

Es war ein sehr trockener Sommer 1975, und zu dieser Zeit flackerten überall im Regierungsbezirk Lüneburg Feuer auf. Anfang Juli waren dann in Handeloh schwarze Rauchschwaden zu sehen, und die Handeloher hatten Angst, das Feuer würde ihr Dorf zerstören. Dazu kam es glücklicherweise nicht, aber es brannte tagelang.

Der heute 64 Jahre alte Helmut Henck war damals in der freiwilligen Feuerwehr seines wenige Kilometer von dem Feuer entfernten Heimatortes Handeloh. Henck fuhr sofort zum Haus des damaligen Ortsbrandmeisters von Handeloh, der aber schon zum Einsatzort unterwegs war. Henck brachte seine Einkäufe nach Hause, zog seine Feuerwehruniform an und fuhr zum Büsenbachtal.

Im Einsatzbericht "der Waldbrandkatastrophe vom 4. Juli bis 12. Juli 1975 in Handeloh im Gebiet Wörme-Büsenbachtal" ist unter Freitag, 4. Juli, eingetragen: "Um 14.50 Uhr kam von einem RTW des DRK ein Funkruf an die Zentrale KKB - Rauchentwicklung Richtung Wörme-Inzmühlen." Fünf Minuten später war der Ortsbrandmeister Hans-Joachim Körner unterrichtet. Mit einem Großaufgebot an Tanklöschfahrzeugen rückten neben der Handeloher Wehr auch die benachbarten Wehren an. Landwirte fuhren mit ihren Treckern und Güllewagen in den Wald, um Löschwasser zu bringen. Allein die Handeloher Feuerwehr verbrauchte mehr als 70 000 Liter Löschwasser in diesem Kampf gegen das Feuer. Ein Bergungspanzer aus der Röttiger-Kaserne wurde eingesetzt, um Schneisen zu schlagen, die das Feuer aufhalten sollten. Auch in den nächsten Tagen gab es immer wieder neue Brandnester. Im Einsatzbericht heißt es unter Sonnabend, 5. Juli, 1975: "Um 9 Uhr rückt Tanklöschfahrzeug (TLF) Handeloh aus, um erneute Brandnester abzulöschen. Während des Auftankens (10.50 Uhr) kommt ein erneuter Alarm von der Jugendherberge Inzmühlen. TLF und TSF rückten sofort aus und können einen Unterholzbrand in der Entstehung ablöschen. Brandwache wird im Büsenbachtal bis 22 Uhr gestellt."

"Als ich im Büsenbachtahl ankam, sah ich schon, daß die Sache ganz schön gefährlich werden würde, wenn es uns nicht gelingt, das Feuer unter Kontrolle zu bringen", so Helmut Henck. Der damalige Jugendwart seiner Wehr hatte die Verantwortung für die Jugendlichen, die, obwohl eigentlich noch zu jung, "schon verdammt hart, bis zum Umfallen mitgemacht haben damals", so Henck. Natürlich habe es in der darauffolgenden Woche, nachdem man zuerst gedacht hatte, das Feuer sei unter Kontrolle, es sich dann aber wieder von mehreren Brandherden ausbreitete, sehr gefährliche Situationen für die Feuerwehrleute gegeben.

Henck: "Ich war mit drei Jungs im Einsatz, als wir plötzlich merkten, das Feuer schließt uns ein. Einer der Jungs rief nach Hilfe, er hatte Angst zu verbrennen, wollte aber erst noch den Löschschlauch aufrollen und mitnehmen. Ich brüllte ihn an, er solle den liegen lassen. Besser der blöde Schlauch verbrennt, als wir, dachte ich damals noch." Viele hundert Feuerwehrmänner waren Tag und Nacht im Einsatz. Helmut Henck, damals bei der Deutschen Bundespost als Briefzusteller beschäftigt, erinnert sich: "Morgens bin ich los und habe meine Briefe ausgetragen, mittags kam ich nach Hause, habe mich eine Stunde hingelegt und bin dann zum Einsatz gefahren. Wir haben alle bis zur Erschöpfung gearbeitet, um das Feuer in den Griff zu bekommen. Freigestellt wurden die wenigsten von ihren Arbeitgebern."

An dem Sonnabend, als das Feuer im Büsenbach ausgebrochen war, standen die Frauen in Handeloh in ihren Küchen und schmierten den Feuerwehrleuten Brote. Die Versorgung der Feuerwehrleute vor Ort war erst am nächsten Tag organisiert.

Während der ganzen Zeit hatte Ortsbrandmeister Hans-Joachim Körner die Einsatzleitung. Hermann Becker (heute 78) aus Dibbersen war Mitte der 70er Jahre stellvertretender Kreisbrandmeister im Landkreis Harburg. Auch er erinnert sich noch sehr genau an das Feuer, bei dem die Feuerwehrleute immer wieder mit neuen Brandherden zu kämpfen hatten.

Becker: "Im gesamten Bezirk brannten immer wieder kleinere Feuer. Der Bezirksbrandmeister war krank und unser Kreisbrandmeister Hermann Witthöft vertrat ihn in Lüneburg in der Bezirksregierung. Ich bekam von Witthöft den Auftrag, nach Handeloh zu fahren. Die Handeloher Wehr war mannstark, und vor allem die Jugendlichen haben kräftig mitgeholfen. Ich sah, daß Hans-Joachim Körner die Situation im Griff hatte." Becker blieb in Handeloh, um seinen Kollegen zu beraten und dort zu helfen, wo Not am Mann war. "Es macht keinen Sinn, einem Ortsbrandmeister die Einsatzleitung zu entziehen. So etwas hinterläßt bei den Feuerwehrleuten einen bitteren Beigeschmack, also habe ich mich auf meine beratende Funktion als stellvertretender Kreisbrandmeister beschränkt, und Körner und ich haben während dieser Woche sehr gut zusammengearbeitet."

Mehrere Großbrände vernichteten ganze Kiefernwälder. Unter dem Datum Montag, 7. Juli, 1975, steht in dem Einsatzbericht: "Brandwachen kontrollieren seit 7 Uhr das Gebiet stündlich. Offene Brandnester sind nicht zu erkennen. Um 15.55 Uhr kommt von einem Anlieger Alarmmeldung über starken Brandgeruch." Wieder mußten alle benachbarten Wehren alarmiert werden. Die Drestedter Speditionsfirma Johannes Martens stellte der Feuerwehr mehrere Tankfahrzeuge zur Verfügung, damit konnten zusätzlich 68 000 Liter Löschwasser zum Einsatzort transportiert werden.

Hermann Becker erinnert sich: "Einige Jahre vorher hatte die Buchholzer Feuerwehr das erste Tanklöschfahrzeug im Landkreis Harburg bekommen. Wir nannten es Heinrich. Kurz vor der Feuerkatastrophe im Büsenbachtal hatte die Dibbersener Feuerwehr Heinrich bekommen, weil die Buchholzer ein neues Fahrzeug hatten." Und so kam "Heinrich" auch im Büsenbachtal zum Einsatz.

Am Montag brannten wieder 80 000 Quadratmeter Wald. Die Einsatzleitung der Feuerwehr "ersuchte den Landkreis Harburg, die Brandstelle zum Katastrophengebiet zu erklären". An diesem Montag kam es zum Streit zwischen Ortsbrandmeister Körner und dem damaligen Leiter des Rosengartener Forstamtes. Helmut Henck: "Ich erinnere mich, daß der Forstamtsleiter sich weigerte, uns die Schneisen schlagen zu lassen, um das Feuer daran zu hindern, sich weiter auszubreiten. Er hatte Angst um seine Kiefernbestände." Außerdem wollte der Forstamtsleiter den Bergungspanzer der Röttiger Kaserne nicht über das Gelände der Staatsforst fahren lassen.

Im Einsatzbericht heißt es: "Unmißverständlich erklärt der Einsatzleiter Bm Körner, daß alle erforderlichen Maßnahmen zur Brandbekämpfung ausschließlich dem Befehl des Einsatzleiters unterliegen und die Anordnungen nicht durch Dritte geändert werden können." Und einige Stunden später, so Henck, wären die Kiefernbestände sowieso abgebrannt. Erst am Sonnabend, 12. Juli, setzte morgens leichter Regen ein, und um 17 Uhr konnten alle Einsatzkräfte abrücken. Die Feuer waren gelöscht. Die Häuser in Handeloh waren vom Feuer verschont geblieben.

Einen Monat später, am 8. August, geriet ein Flächenbrand in in der Südheide außer Kontrolle. Das Feuer verwüstete in den Landkreisen Harburg, Celle und Soltau-Fallingbostel 7418 Hektar Wald in der Lüneburger Heide. Es entstand ein Sachschaden von mehr als 18 Millionen Mark, fünf Feuerwehrleute starben.

"Ich war mit drei Jungs im Einsatz, als wir plötzlich merkten, das Feuer schließt uns ein." Helmut Henck, Feuerwehrmann