Ein Szenetreff in Lüneburg, ein Harburger Italiener und ein Stader Gourmetlokal sind heute unter der kulinarischen Lupe.
Lüneburg/Harburg/Stade. Gastronomische Geheimtipps liegen abseits des Weges. Sie machen keine Werbung, sondern leben von Mundpropaganda. Vorzugsweise sind sie so klein, dass man besser reserviert. Wir haben uns auf die Suche gemacht, Einheimische befragt, drei Kandidaten gefunden und getestet: jeweils ein Szenelokal, ein Italiener und die Gourmetklasse.
Szenelokal in Lüneburg: das "Lanzelot" Das windschiefe Haus in der östlichen Altstadt steht hier schon seit über 500 Jahren. 16 Jahre davon beherbergt es das Lanzelot. Im Mittelalter haben hier die Gewandfärber gelebt. Heutzutage soll das versteckte Lokal eines der ältesten Schankbetriebe der Stadt sein. Mit dem Lanzelot kam jüngeres Publikum, viele Studenten. Ursprünglich wurden im Innenleben englische Zugabteile nachempfunden. Die rote Telefonzelle sieht noch danach aus. Ansonsten erinnert nichts mehr ans Vereinigte Königreich. Auch nach einer Rittertafel sucht man trotz des Namenpatrons vergeblich.
"Der Kunde ist König, und wir vom Lanzelot sind die ersten Diener", beschreibt Mario Luttmann die Philosophie des Hauses. Seit vier Jahren leitet er die Szene-Gastronomie für Einheimische. Touristen verirren sich nur selten hierher. Der Laden hat einen hohen Kuschelfaktor. Viel Holz, warme Wandtöne und gut gesetztes Licht sorgen für Gemütlichkeit. Die kulinarische Versorgung beinhaltet die üblichen Verdächtigen: Pizza, Pasta, Aufläufe, Salate und natürlich die unzerstörbaren Calamares (Es soll Menschen geben, die die in Teig gebackenen Tintenfischringe immer noch bestellen). Kurzum: Das Best-of-Programm der Szene-Gastronomie, also alles und nichts. Hauptsache global. Immerhin hat der Chef einen vietnamesischen Koch, einen neuseeländischen Koch und mexikanische Wurzeln.
Unser Blick wird auf die Tafel mit Spezialitäten gelenkt: Rinderfilet 200g mit Schalottenkonfit, Bohnen und Bratkartoffeln - für 19,80 Euro mit Abstand das teuerste Gericht. Wird bestellt. Freundlicherweise erkundigt man sich noch nach dem gewünschte Garpunkt. "Bitte well done, ordentlich durch." Gesagt, aber nicht getan! Das Fleisch kommt medium-blutig aufs Porzellan. Die schlappen Bratkartoffeln sind alles andere als knusprig. Der Vorzeigeteller des Speisenangebotes wurde gründlich vergeigt.
Auch das Rahmenprogramm aus Lauchcremesuppe (3,90 Euro) und Pfannkuchen mit Erdbeer-Rhabarberkompott (4,90 Euro) überzeugt nicht. Hier hält man sich besser an die Standards. Immerhin: Der Auberginen-Hackfleischauflauf (8,90 Euro) schmeckt. Und der Service ist nett und bemüht. Hier kommt man besser zur Verabredung mit Freunden, wegen der Drinks oder der sieben Biersorten vom Fass. Montags lockt ein Tapas-Buffet für 9,50 Euro. Am 8. März feiert Mario Luttmann seine ferne Heimat mit einem mexikanischen Abend.
Italiener in Harburg: das "Mercato" Kochen kann so einfach sein: Ein paar Nudeln in den Topf, in Butter schwenken und vor den Augen der Gäste Parmesan und Trüffel draufhobeln. Fertig. Köstlich! Jeder der 12 Euro dafür eine gute Investition gegen Winterdepression.
Willkommen im Mercato, einem der kleinsten Restaurants in Harburg! In der Neuen Straße 35 feiert Daniele Cuccu auf 55 Quadratmetern seine Vorstellungen von Italien. Zugegebenermaßen mit vielen Klischees wie karierten Tischdecken, italienischen Fähnchen, la musica und einem selbstbewussten Patrone. Seit vier Jahren betreibt er das Lokal, eine Mischung aus Ristorante, Pizzeria und Trattoria. Einige Gäste kennen ihn noch als Chefkoch im Buxtehuder Marco Polo.
Der Mann ist Sarde, kocht seit 25 Jahren in Deutschland und hat Recht. Denn die meisten seiner Gerichte sind "naturale". Keine Sahne, keine dicken Soßen, stattdessen viel Eigengeschmack. Dazu werden nur wenige Komponenten benötigt, die aber in erstklassiger Qualität. Eigentlich lesen sich italienische Speisekarten immer langweilig. Pizza, Pasta, ein paar Klassiker, keine Überraschungen. Und doch werden wir glücklich gemacht und schmecken diese Sehnsucht nach den sonnengereiften Zutaten des Südens.
Die Hauptdarsteller kommen vom Grill und heißen Dorade oder Wolfsbarsch. Daniele Cuccu ist bekannt für sein versiertes Händchen bei der Fischzubereitung. Mein Lachsfilet braucht als Begleitung lediglich einen Salat mit Olivenöl, vielleicht ein paar Rosmarinkartoffeln. Weniger ist mehr. Der Chef wirbelt überall: am Herd, am Gast, am Mittag und am Abend. Er ist Dirigent über sieben Tische und 22 Plätze. Eine Reservierung erscheint ratsam. Das Gäste Verwöhnen steckt in seinen Genen. Mama war Pizzabäckerin, Papa Kellner. "Ich liebe diesen Job", sagt er ohne Pathos. Deswegen macht er ihn auf seinen 55 Quadratmetern täglich 15 Stunden und hat nur am Sonntag Zeit für die Familie.
Die Klitschko-Brüder waren auch schon da. Der Fotobeweis hängt natürlich an der Wand, und der Chef weiß noch genau, dass Vitali Seeteufel mit Zitronensoße und Steinpilzen hatte und Wladimir ein Rinderfilet. Gleichwohl: Zum Promi-Italiener taugt der Laden nicht. Und soll er auch gar nicht. Hier isst Harburg. Bodenständig. Authentisch. Gut. Und mittags für 6,50 Euro.
Gourmetklasse in Stade: das "Barbarossa" Lars Fritsch wurde 1966 in Frankreichs Champagne geboren. Das macht sich gut in der Vita jedes Kochs. Und irgendwie hat er die südeuropäische Art des Kochens bis heute bewahrt. Mittlerweile steht der Küchenmeister im 13. Jahr hinterm Herd des Barbarossa. Das kleine, aber feine Restaurant versteckt sich in der Salzstraße am Rande der Altstadt und will entdeckt werden.
Drinnen offenbart sich ein Raumwunder an Effizienz, denn die Küche ist großzügig geschätzt drei Quadratmeter klein und wird nur mit einem Tresen vom Gastraum getrennt. Maximal 45 Personen finden davor Platz. Zusammen mit seinen Koch-Azubis Thomas Schmidt und Pinar Sarioglu schwenkt Lars Fritsch die Pfannen und guckt in die Töpfe. Vor den Augen der Gäste wird abgeschmeckt, angerichtet und abgewaschen. Der Lehrling im dritten Jahr kümmert sich als Entremetier um die Beilagen und das Gemüse. Die junge Azubine lernt das Anrichten, kümmert sich um den Nachtisch und muss mit raus in den Service.
Wer besonders hautnah dabei sein will, reserviert den Platz am Tresen. Er dient als Ablage für Töpfe, Zutaten, Ellenbogen und Tellergerichte. Hier vermischen sich die leisen Anweisungen des Chefs ("Wir schicken gleich Tisch 5") mit den Gargeräuschen auf dem Herd. Disziplin ist Pflicht, gute Laune ratsam. Der Gast sieht alles, hört alles, riecht alles. Die Stimmung ist locker. Tipps und Tricks für die heimische Zubereitung sind oftmals inklusive. Aus dem Bratenansatz wird gleich die Soße gezogen, auch hier haben sich Sahnesoßen unbeliebt gemacht.
Lars Fritsch ändert seine Karte regelmäßig. Vieles wird von Serviceleiter Stefan Reinhard tages-aktuell kommuniziert. Zum Beispiel geschmortes Kaninchen. Diesmal hat der Chef von seinem Fischhändler eine kleine Menge Rochenflügel angeboten bekommen. Er brät sie als Filet mit glasierten Jakobsmuscheln, dazu Gemüse und Kartoffeln. Wenn exotisch, dann richtig: Vorweg gibt's Tagliatelle mit Zungen vom Skrei. Der Winterkabeljau hat gerade Saison und wird vor den Lofoten gefangen. Sein weißes Fleisch ist fest und fettarmer als üblich.
Für ein 3-Gänge-Menü zahlen Sie 34,50 Euro, für die Überraschungsvariante mit vier Gängen zwei Euro mehr. Dass der deutsche Kaiser Friedrich I. Barbarossa im 12. Jahrhundert mal in Stade war, ist eher unwahrscheinlich. Seine Orientierung galt mehr der Küche und Kultur Südeuropas. Schmecken indes würde es dem alten Barbarossa hier ganz gewiss.