Landwirtschaftliches Projekt in Fischbek droht zu scheitern

Fischbek. Darf auf einem Bauernhof Gemüse angebaut werden? Was zunächst wie selbstverständlich klingt, ist im Hamburger Stadtteil Fischbek ein Politikum. Anwohner wehren sich massiv gegen den geplanten, gut einen halben Hektar großen Gemüsegarten für 60 Kleinpächter mit Namen "Erntezeit" auf dem Biohof Facklam. Die CDU-Bezirksversammlungsabgeordnete Treeske Fischer verlangt bei der Verwaltung Auskunft darüber, ob die Beetverpachtung so rechtlich zulässig sei. Der Bezirk Harburg prüft indes noch - aber: Die Verwaltung hat den "Erntezeit"-Betreibern Jule und Henry Vickary aus Schenefeld (Kreis Pinneberg) in einem Gespräch die geplante Übergabe der Beete an die Pächter am Sonntag, 1. Mai, untersagt. In der nächsten Woche kommen die Verwaltung, das Ehepaar Vickary und Landwirt Thomas Facklam erneut zu einem Treffen zusammen.

Jule Vickary, 38, Mutter von drei Kindern, ist entsetzt über die teilweise rüde Art, mit der einzelne Anwohner ihrem Protest bei einem Informationstreffen am 16. April Luft gemacht haben: Kinder würden überall "hinkacken", bekam sie zu hören. Oder: Russen und Türken würden Beete pachten, um die benachbarten Häuser für Einbrüche auszuspionieren. "Da war keine Kompromissbereitschaft", sagt Jule Vickary.

Einige Pächter haben das auch so empfunden - und ihre Zusage zurückgezogen. "Unser Gedanke war, unseren Enkeln, drei und sechs Jahre, den Gemüseanbau näher zu bringen", schrieb hinterher ein älteres Ehepaar an Familie Vickary, "in unserem Alter (wir gehen auf die 70 zu) möchten wir nicht an den vielen Querelen teilnehmen."

Andere Interessenten waren so geschockt von der Art des Auftretens, dass sie die Sorge äußerten, jemand könnte "nachts mit der Giftspritze" kommen und die Beete zerstören. Eine Familie zeigte sich gerade deshalb trotzig und schrieb: "Weder die Gedanken noch die Art der Kritik haben unser Verständnis gefunden. Daher möchten wir uns weiterhin für eine Parzelle in Fischbek bei Familie Facklam anmelden."

Anwohner der Straßen Langengrund und Babenbrook haben "Erntezeit" mitgeteilt, dass sie sich rechtliche Schritte vorbehalten müssten. Andere Anwohner haben die "Initiative zur Verhinderung der Einrichtung einer Kleingartenanlage auf dem Grünstreifen zwischen den Wohnbereichen Hogenbrook und Babenbrook" ins Leben gerufen und Unterschriften gegen den Gemüsegarten in der Nachbarschaft gesammelt. Sie befürchten, dass die wenigen öffentlichen Parkplatze vor ihren Häusern blockiert und die Pächter von früh bis spät für Unruhe und Lärmbelästigung in dem Wohngebiet sorgen.

Die Nachbarschaft macht mobil gegen fremde "Feld-Herren", die auf den Bauernhof kommen und ihr eigenes Gemüse aus der Erde ziehen. In Appen-Etz bei Pinneberg verpachtet Familie Vickary seit zwei Jahren auf dem dortigen Schäferhof Gemüsebeete an Städter mit Lust aufs Land. "Erntezeit" ist dort mit 130 Parzellen doppelt so groß wie die geplante zweite Dependance in Fischbek - Ärger mit Anwohnern oder den Behörden gibt es nicht.

160 Euro zahlt eine Familie oder eine Schulklasse für ein 25 Meter langes und zwei Meter breites Beet pro Jahr. 25 Gemüsesorten wachsen auf jedem Beet. Der Pächter muss nur jäten und ernten. Derartige Projekte mit Mini-Äckern für Städter gibt es in ganz Deutschland. Hier geht es um allein um die Ernte - im Unterschied zu einer Kleingartenkolonie, wo das Verweilen im Vordergrund steht.

Rechtlich unterscheidet sich der Standort in Fischbek von dem in Appen-Etz. Der Bezirk Harburg will sich dazu noch nicht äußern und verweist auf die kommende Woche. Nach Informationen der Harburger Rundschau gewährt der Bebauungsplan "NF 53" dem landwirtschaftlichen Betrieb Facklam zwar Bestandsschutz. Letztlich beinhaltet der Plan aber, dass der Hof eines Tages aufgeben wird. Die Fläche sieht in Zukunft eine städtische Parkanlage vor, ein Einfallstor in das Naturschutzgebiet Fischbeker Heide.

Der Bezirk Harburg könnte demnach zu der Rechtsauffassung kommen: Die Hofeigentümer Thomas und Silke Facklam dürften selbst Gemüse anbauen, das fiele unter den Bestandsschutz des Betriebes, nicht aber Gemüsegärten an Dritte verpachten. Damit wäre das Aus für das Projekt "Erntezeit" in Fischbek. Noch anderes als die Macht der Paragrafen macht der Familie Vickary und den potenziellen Pächtern zu schaffen: Die Zeit läuft ihnen davon. Die Pflanzen müssten eigentlich schon in der Erde sein.