Hamburg. 700 Arbeitsplätze in der Triebwerksüberholung sollen in Hamburg wegfallen. Auch Abschläge bei Gehältern sind im Gespräch.

Bei vielen Mitarbeitern von Lufthansa Technik ist die Verunsicherung groß. Seit Monaten laufen zwischen dem Unternehmen und der Arbeitnehmerseite die Verhandlungen um einen Stellenabbau in der Triebwerksüberholung. Von 2000 soll die Zahl der Beschäftigten in Deutschland auf 1300 sinken, in Hamburg von 1800 auf 1100. Zudem geht es dem Unternehmen ums Geld. „Der Arbeitgeber will sämtliche Vergütungsbestandteile so verändern, dass für die Mitarbeiter bis zu 25 Prozent weniger Gehalt daraus resultieren würden“, sagte Ver.di-Gewerkschaftssekretär Frank Hartstein auf Abendblatt-Anfrage. Mit dieser Vorstellung sei das Unternehmen in die Gespräche gegangen, so Hartstein: „Das ist weitab von der Angemessenheit.“

Hartstein in diesen Tagen zu erreichen ist schwierig. Nahezu permanent ist der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats bei Lufthansa Technik in Gesprächen mit dem Unternehmen oder Beratungen mit seinen Gewerkschaftskollegen. Denn die Forderungen, mit denen Lufthansa Technik in die Verhandlungen ging, sind weitgehend. Das Schichtsystem soll von zwei auf drei Schichten umgestellt werden an sieben Tagen in der Woche – zugleich sollen die Zuschläge im Schnitt halbiert werden. Bei einer Woche Nachtarbeit würde das für manche Beschäftigte netto nach Abendblatt-Informationen einige Hundert Euro ausmachen. Zwischen 2400 und 4000 Euro brutto verdienten die verschiedenen Gewerke laut Hartstein im Monat. Künftig soll das Grundgehalt in neuen Verträgen niedriger liegen. Für künftige Angestellte soll auch die Urlaubsstaffel verändert werden, sodass sie weniger freie Tage haben.

Frei werdende Stellen zum Beispiel durch Verrentung oder Fluktuation sollen nicht ersetzt, Aufhebungsverträge und Altersteilzeit angeboten werden. Unter Berücksichtigung des Personalabbaus würden die Kosten damit um 35 Prozent gesenkt, heißt es. „Die Leistung der Beschäftigten muss angemessen bewertet und Einkommen und Beschäftigung gesichert werden“, fordert Hartstein.

Der Kampf um die Kosten

Lufthansa Technik äußert sich auf Anfrage nur kurz. Die Verhandlungen seien vertraulich und würden nicht kommentiert. Intern werden die Beschäftigten auf gravierende Veränderungen vorbereitet. „Uns ist schon sehr bewusst, dass wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einiges abverlangen – und zwar in einem Ausmaß, das bei Lufthansa Technik bisher nicht notwendig war“, heißt es von Personalvorstand Antonio Schulthess in einem internen Papier, das dem Abendblatt vorliegt. Man wisse, dass man an der Grenze der Zumutbarkeit kratze, so Schulthess. „Aber hier steht die Zukunft des Triebwerkstandorts Hamburg auf dem Spiel. Und letztlich der Standort insgesamt.“

Der Kampf um die Kosten wird vor allem geführt, um Aufträge für neue Triebwerke in die Hansestadt zu holen. Ohne neue Orders sei in fünf bis sieben Jahren Schluss mit der Triebwerksüberholung, sagte Schulthess. In der Branche gibt es einen harten Wettbewerb. „Die Triebwerkswartung von Flugzeugen wird in Ländern gemacht, in denen das Lohnniveau deutlich niedriger ist“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Dort sei die Qualität der Arbeit selbst bei anspruchsvollen Arbeiten gut, und die Lernkurven der Beschäftigten steige stetig. In Europa sei die Flugzeugwartung außer in Niedriglohnländern wie Rumänien, Bulgarien und Malta kaum noch wettbewerbsfähig anzubieten, sagt Großbongardt. Global gebe es vor allem in China, Lateinamerika und auf den Philippinen günstige Anbieter.

Um international wettbewerbsfähig zu sein, müssten die Kosten für die Arbeitsstunde in Hamburg von im Schnitt 150 auf 90 Dollar sinken, heißt es. Lufthansa Technik hat sich in der Vergangenheit in seinen Geschäfts­feldern schon verstärkt international aufgestellt. Beispielsweise unterhält das Unternehmen mit Sitz am Weg beim Jäger Standorte in Sofia, auf Malta, Irland und den Philippinen. Wachstum erhofft sich die Lufthansa-Tochter vor allem durch das im vergangenen Jahr eröffnete Werk in Puerto Rico.

Aufträge für neue Triebwerke sollen geholt werden

Konkurrenz erhält Lufthansa Technik, das nicht nur Triebwerke, sondern auch ganze Flugzeuge überholt, im Übrigen auch von den Jetherstellern. Airbus vereinbarte zum Jahresanfang ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Reparaturspezialisten SIAEC aus Singapur. Das Joint Venture hat Instandhaltung, Kabinenverbesserungen und Modifizierungen der Langstreckenflieger A380, A350 und A330 für die Airlines in der Region Asien-Pazifik zum Ziel. Preisdruck gehe von solchen Gemeinschaftsfirmen nicht aus, aber es gebe mehr Mitbewerber, die den Kunden schon beim Verkauf abgreifen könnten, so Großbongardt.

Der Experte sieht die Chancen Hamburgs generell bei sehr komplexen Aufgaben und Modifikationen wie zum Beispiel dem Einbau einer neuen Kabine in kurzer Zeit. Und speziell im Triebwerksbereich bei den neuen Aggregaten für Boeings Dreamliner oder die A350- und A320neo-Reihe von Airbus, die von den Airlines stark gekauft werden und daher das zukünftige Geschäft sind – auch wenn sie wartungsärmer sind und seltener Inspektionen brauchen. „Diese Aufträge muss man nach Hamburg holen“, sagt Großbongardt.

In dem Punkt sind sich Arbeitnehmer- und -geberseite auch einig. Dem Vernehmen nach haben sich beide Seiten in den langwierigen Verhandlungen angenähert. Hartstein sagt: „Wir möchten zu einer Lösung kommen, die die Beschäftigung dauerhaft sichert.“ Das Unternehmen drückt dabei aufs Tempo. Bis zum morgigen Donnerstag möchte es eine Einigung haben. Das sei notwendig, um einen Auftrag für ein Triebwerk zu erhalten – sonst drohe dieser für Hamburg verloren zu gehen. Schließlich müssten Investitionen geplant und am Standort vorbereitet werden.