Hamburg. Jeder achte Beamte übt seinen Job nicht mehr in Vollzeit aus. Warum sich die Situation noch weiter verschärfen wird.

Es ist ein Problem der Polizei; das offenbar lange ignoriert wurde. Knapp zwölf Prozent der Hamburger Vollzugsbeamten und damit jeder achte arbeitet nur in Teilzeit (Stand April 2023). „Das ist ein Wert, der nie in der Personalplanung gebührend beachtet wurde“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

Dazu kommen noch einmal 197 Beamte, die „abwesend“, also krank im Mutterschutz oder Sabbatjahr sind. In Zukunft dürfte sich die Situation noch verschärfen. Denn der Anteil von Frauen nimmt bei der Polizei weiter zu. Sie sind es aber, die ganz überwiegend in Teilzeit gehen oder eine längere Auszeit haben.

Gewerkschaft schlägt Alarm: Zu wenig Personal wegen Teilzeit

Einer Aufstellung zufolge, die dem Abendblatt vorliegt, waren im April 8236 Vollzugsbeamte bei der Hamburger Polizei beschäftigt – davon arbeiten 11,89 Prozent in Teilzeit. Nicht mit einbezogen wurde der Nachwuchs, der an der Akademie ausgebildet wird.

Auf Teilzeit haben auch Beamte einen Anspruch. Das Minimum an Arbeit, die in so einem Fall geleistet werden muss, beträgt zehn Stunden die Woche. Von den 5439 männlichen Vollzugsbeamten arbeiten laut Aufstellung 4,8 Prozent in Teilzeit. Bei den Frauen sieht es ganz anders aus.: Dort sind es 25,8 Prozent – und damit mehr als ein Viertel.

Ähnlich ist das Verhältnis bei den für längere Zeit abwesenden Vollzugsbeamten: Es sind 156 Frauen (5,4 Prozent) und 45 Männer (0,8 Prozent). Längere Abwesenheit gibt es sogar bei Polizistinnen, die noch in der Ausbildung sind. Hier sind es vier angehende Beamte.

Polizei Hamburg: Mehr weibliche Beamte könnten Problem verschärfen

Besonders betroffen ist die Kriminalpolizei. Dort verrichten 1607 Beamte (901 Männer und 706 Frauen) ihren Dienst. 287 davon (17,9 Prozent) arbeiten in Teilzeit. Auch hier ist die Diskrepanz groß. Während bei den männlichen Kripobeamten sieben Prozent in Teilzeit arbeiten, übt bei den weiblichen Kripomitarbeiterinnen jede dritte ihren Beruf in Teilzeit aus.

Insider gehen davon aus, dass sich die Situation massiv verschärfen wird. Bei der Hamburger Kriminalpolizei rechnet man damit, dass bereits in absehbarer Zeit mindestens die Hälfte der Belegschaft weiblich sein wird.

Kriminalpolizei: Ein Drittel der Frauen arbeitet nur Teilzeit

Diese Entwicklung zeigen auch die Ausbildungszahlen auf. An der Akademie der Polizei werden aktuell 136 Kripobeamte ausgebildet, 79 davon sind Frauen. Was die Kripo zusätzlich trifft: Viele Beamte stehen nicht mehr für Rufbereitschaften, beispielsweise als Mitarbeiter der Mordkommission, zur Verfügung.

Betroffen von Teilzeit ist vor allem der gehobene Dienst. 13,8 Prozent der Beamten in diesem Laufbahnmodell sind „Teilzeit-Kommissare“. Auch hier steht ein Drittel der Frauen nur in Teilzeit zur Verfügung.

Selbst in der Polizeiführung wird in Teilzeit gearbeitet. Unter den 126 Beamten im höheren Dienst bei der Polizei sind sechs Teilzeitarbeiter. Zwar sind es jeweils drei Frauen und Männer, doch Letztere stellen 75 Prozent der Mitarbeiter im höheren Dienst.

Bei der Schutzpolizei verringern Schichtzulagen Interesse an Teilzeit

Die Schutzpolizei ist nicht so stark betroffen. Hier liegt der Anteil der Vollzugsbeamten, die in Teilzeit arbeiten, bei 10,6 Prozent. Das dürfte an den Schichtzulagen liegen und den damit verbundenen Einbußen bei weniger Arbeitszeit.

Die Entwicklung trifft die Polizei in einer Zeit, in der insbesondere der von dem „Teilzeit-Problem“ besonders stark betroffenen Kripo immer neue Aufgaben aufgebürdet werden. Das hatte bereits Polizeipräsident Ralf Martin Meyer kürzlich auf einer Veranstaltung der DPolG moniert.

Die Politik führe immer neue Gesetze ein und lege zusätzliche Schwerpunkte. Dazu zähle etwa die Bekämpfung von üblen Beschimpfungen im Internet, die mittlerweile massenhaft Ermittlungsverfahren nach sich zögen.

Polizei Hamburg: Weniger Personal trotz wachsender Arbeitsbelastung

„Die Arbeitsbelastung wächst ständig“, sagt Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Gleichzeitig fehlt völlig eine ehrliche Erhebung, die aufzeigt, wie viele Beamte man braucht, um die Aufgaben tatsächlich zu bearbeiten. Wir haben das als BDK mehrmals angemahnt. Aber in der Innenbehörde will das offenbar niemand wirklich wissen.“

Das sieht auch Jungfer so. „Wir haben trotz zusätzlicher Aufgaben nicht nur gleichbleibendes, sondern durch die vielen Mitarbeiter, die in Teilzeit gehen, faktisch immer weniger Personal zur Verfügung“, so der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Das sei, im Gegensatz zu anderen Branchen, nicht durch schnelle Neueinstellungen zu beheben.

„Hier muss also knallhart gesagt werden, welche Straftaten nicht mehr bearbeitet werden sollen“, betont Jungfer. „Das ist allerdings nicht Sache der Polizei, sondern der Politik.“