Hamburg. Der Bramfelder war mit seinem Mercedes ins Alstertal-Einkaufszentrum gekracht. Seinen Führerschein darf er dennoch behalten.

Das Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) ist eines der größten Shopping-Center in Hamburg und war am Dienstagmorgen der Schauplatz eines spektakulären Unfalls. Wie durch ein Wunder wurde nur der 85-Jährige Fahrer leicht verletzt. Weitere Personen kamen nicht zu Schaden.

Schrecksekunde am Vormittag in der Galeria Kaufhof im AEZ. Völlig unvermittelt rast plötzlich ein silberner Mercedes mitten durch die Handtaschenabteilung Richtung Rolltreppe. Am Steuer des Geländewagens sitzt der Bramfelder Klaus W.

Mercedes bleibt über Lichthof hängen

Nach Angaben der Feuerwehr schoss das Auto vom Parkdeck des AEZ eine fünfstufige Treppe hoch, durchbrach die geschlossenen, gläsernen Eingangstüren des Kaufhauses und blieb schließlich 25 Meter weiter über einem Lichthof hängen. Die Unfallfahrt könne nur fünf bis acht Sekunden gedauert haben, sagte ein Feuerwehrsprecher.

Der Senior wurde von Mitarbeitern und Kunden aus dem Auto gerettet. Zwei Augenzeugen erlitten einen Schock. Zudem wurden zwölf Kaufhausmitarbeiter von der Feuerwehr betreut. „Das war haarscharf. Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Einen halben Meter weiter und er wäre abgestürzt“, sagte der Sprecher. Es sei kaum zu glauben, dass keine Kunden und Mitarbeiter verletzt wurden. Hier hätte es Tote geben können, sagte er dem NDR.

Der Fahrer stieg über die Beifahrertür ein

Dem Abendblatt sagte Polizeisprecher Ulf Wundrack: „Nach den bisherigen Ermittlungen wollte er offenbar über die Beifahrertür auf den Fahrersitz gelangen, weil er auf der anderen Seite zugeparkt worden war.“ Dabei sei der Rentner offenbar aus Versehen auf das Gaspedal geraten und unkontrolliert über eine kleine Treppe durch die Glasfassade des Gebäudes gebrochen.

Wie der Motor in Gang gesetzt wurde, ist noch unklar. Denkbar ist, dass Klaus W. auch einen Startknopf neben dem Lenkrad mit seinem Körper berührte. Die Polizei stellte den Mercedes GLE sicher, um mögliche technische Fehler an dem Auto zu überprüfen. Es ist laut Polizei wahrscheinlich, dass der Geländewagen mit einem Automatikgetriebe ausgestattet ist.

Unfallfahrer darf Führerschein behalten

Unmittelbar nach dem Unfall wurde Klaus W. einem Fahrtüchtigkeitstest unterzogen. Da er keine schweren körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen aufweist, darf er seinen Führerschein behalten. Es wurde zunächst nur eine Strafanzeige wegen eines Verkehrsunfalls gefertigt. Der Schaden beläuft sich nach Polizeiangaben auf mindestens 25.000 Euro.

Nach dem Unfall bot sich ein Bild der Verwüstung: Glasscherben, Metallteile und Handtaschen lagen auf dem Boden des Kaufhauses verteilt. Am Ende der Schneise hing der silberne Geländewagen schief neben der Rolltreppe und drohte, mehrere Meter in die Tiefe zu stürzen. Das Warenhaus blieb zunächst geschlossen. Das AEZ mit mehr als 240 Geschäften und Gastronomie wird von der Hamburger ECE betrieben. Das Unternehmen war am Maifeiertag für keine Stellungnahme erreichbar.

Ältere Autofahrer immer wieder in Unfälle verwickelt

Es kommt immer wieder vor, dass ältere Autofahrer in schwere Unfälle verwickelt sind. In Hamburg stieg die Zahl der Unfälle mit Seniorenbeteiligung 2018 um 1,1 Prozent, insgesamt waren es 12.342. In mehr als 60 Prozent waren ältere Menschen die Hauptverursacher. Für Schlagzeilen sorgte im vergangenen Jahr im April ein Unfall auf der Harksheider Straße. Bei der Irrfahrt einer 78-Jährigen, die im November verstarb, wurden auf dem Gehweg eine damals 25-Jährige und ihr fünf Monate alter Säugling erfasst. Die beiden wurden schwer verletzt, das Baby lag mehrere Wochen im Koma. Zum Glück sind Mutter und Kind inzwischen wieder genesen. Kurz zuvor hatte die alte Dame zwei weitere Unfälle in unmittelbarer Nähe verursacht.

Dennoch warnt der Hamburger CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering davor, „dass Senioren unter Generalverdacht gestellt werden. Der Unfall im AEZ hätte auch einem jüngeren Autofahrer passieren können.“

Thering lehnt verpflichtende Tests ab

Die Fahrtüchtigkeit von Autofahrern ab einem gewissen Alter zu überprüfen, lehnt Thering ab: „Ich denke, es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen seinen Führerschein abzugeben, wenn die Fahrtüchtigkeit nicht mehr gegeben ist.“ Der Grünen-Verkehrsexperte Martin Bill sagt: „Es gibt junge und ältere Autofahrer, die mit ihrem Fahrstil eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer sind.“ Sein Vorschlag lautet: „Deshalb wäre es denkbar, dass regelmäßig die Fahrtüchtigkeit überprüft wird. Aber das sollte sich dann nicht nur auf Senioren beschränken, sondern auf alle Altersgruppen.“