Hamburg. Nach Johanneum und drei katholischen Schulen hat jetzt das Gymnasium Eppendorf eine Kleiderordnung – gegen manche Widerstände.

Mehrere Wochen lang war es das Pausenthema unter den rund 860 Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Eppendorf – jetzt ist es offiziell: Die Allgemeinen Verhaltensregeln in der Haus- bzw. Schulordnung wurden erweitert. So heißt es ab sofort unter Punkt 6: „Alle Mitglieder der Schulgemeinschaft haben eine der Institution Schule und der Atmosphäre des Lernens und Lehrens angemessene Kleidung zu tragen. Dazu gehört unter anderem, dass Kapuzen, Mützen und Ähnliches während des Unterrichts und in der Mensa abgelegt werden. Auch bei sommerlichen Temperaturen ist auf zu freizügige Kleidung zu verzichten. Darunter verstehen wir z. B. übertiefe Dekolletés, bauchfreie Shirts, pofreie Shorts, zu kurze Röcke etc.“

Behörde überlässt Entscheidung den Schulen

Nach der katholischen Sophie-Barat-Schule und dem Johanneum ist die „Hege-Penne“ eine weitere renommierte Bildungseinrichtung in Hamburg, die sich freiwillig einem Kleidungskodex unterwirft, und zwar mit hundertprozentiger Zustimmung des Schülersprecherteams, wie es aus der Schulbehörde heißt. Generell sind die Schulen selbst zuständig. Sie können ihre jeweilige Hausordnung selbstständig beschließen, zuständig hierfür ist die Schulkonferenz mit Eltern, Lehrern, Schülern und Schulleitung. Eine Vorgabe der Behörde gibt es nicht.

In Eppendorf seien die Reaktionen auf die Änderung der Schulordnung größtenteils positiv, berichtet Schulleiterin Maike Languth. „Ich erhielt heute Morgen bereits von einer Mutter eine E-Mail, in der sie schrieb, ‚wie toll, dass Sie sich dieses Themas annehmen – große Begeisterung!‘“

Maike Languth weiß jedoch auch, dass man mit diesem Kleider-Kodex natürlich nicht bei allen Schülern und deren Eltern offene Türen einrennt. „Ich finde, wir sollten selbst entscheiden dürfen, was wir anziehen – und außerdem sehe ich überhaupt nicht, wozu wir so eine Verordnung brauchen“, sagt beispielsweise die 15-jährige Riccarda aus der Mittelstufe. Ihr Vater findet die Entscheidung ebenfalls überflüssig. „Wir haben nie darauf achten müssen, dass unsere Tochter sich ‚anständig‘ anzieht.“ Im Übrigen hätten ja auch mindestens ein halbes Dutzend Lehrer gegen die Änderung der Hausordnung gestimmt.

„Können nicht die Versäumnisse der Eltern korrigieren“

Das ist allerdings nur ein Zehntel des Kollegiums. Schulleiterin Languth glaubt, dass Eltern oftmals nicht auf eine korrekte Kleidung ihrer Kinder achten würden, häufig jedoch gänzlich unbeabsichtigt. „Aber es geht nicht an, dass wir Lehrer in zunehmendem Maße die Versäumnisse von Eltern korrigieren sollen“, sagt sie.

Im Übrigen müssen in Eppendorf nun auch die Jungen darauf achten, dass „lange Boxershorts“ nicht unter kurzen Hosenbeinen hervorlugen. Wer nicht sicher ist, was er künftig in der Schule tragen soll, kann sich immerhin an den „Alstermond-Shop“ des Gymnasiums wenden, wo es die „coole Hege-Wear zu kaufen gibt – hochwertige Shirts, KaPu’s, Jogginghosen, Taschen und Handtücher mit dem Hege-Education-Logo“, wie es in der Werbung heißt.

Das Gymnasium Eppendorf folgt mit seiner Kleiderordnung dem Beispiel anderer Hamburger Schulen. Auch am Johanneum schreibt die Schulordnung vor, dass „alle Mitglieder der Schulgemeinschaft eine der Institution Schule und der Atmosphäre des Lernens und Lehrens angemessene Kleidung zu tragen“ haben. Kapuzen und Mützen sollen auch dort während des Unterrichts und in der Mensa abgelegt werden. „Uns geht es darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir uns an der Schule in einem Arbeitsverhältnis befinden“, sagt die Schulleiterin der Traditionsschule, Inken Hose. „Das erfordert einen respektvollen, an gemeinsamen Regeln und Werten orientierten Umgang miteinander.“

Auch von den zehn weiterführenden katholischen Schulen des Erzbistums Hamburg haben drei – die Sophie-Barat-Schule, die Sankt-Ansgar-Schule und die Domschule St. Marien – einen Dresscode in ihre Hausordnung oder Schulregeln aufgenommen.

Es gehe nicht um Uniformität

Dabei hatte die Schulkonferenz der Sophie-Barat-Schule 2015 nicht nur mit breiter Mehrheit, sondern als erste Schule Hamburgs auch unter bundesweiter medialer Anteilnahme eine Richtlinie zur Kleiderordnung erlassen. „Die Richtlinie hat sich bewährt und für Klarheit gesorgt“, zieht Sprecher Christoph Schommer nach zwei Jahren Bilanz. Die Akzeptanz sei hoch, „alle halten sich daran“. Konkret sind aus Sicht der Lehrer, Eltern und Schüler der Sophie-Barat-Schule „tiefe Dekolletés, Bauchfrei-Shirts oder Kleidungsstücke mit rassistischen oder sexistischen Botschaften“ keine angemessene Kleidung für ein wertschätzendes, respektvolles Miteinander

Individualität bei der Bekleidung sei und bleibe dabei ein wichtiger Wert, so der Schulsprecher des Erzbistums. Es gehe nicht um Uniformität, sondern um den Respekt anderen Menschen gegenüber. „Kinder und Jugend­liche lernen einzuschätzen, was in welcher Situation angemessen ist – und was eben nicht.“

Vor Gericht hätten Dresscodes wohl keine Chance

Wie sinnvoll Dresscodes sind, ist dennoch umstritten. Nach Expertenmeinung können Kleiderregeln einerseits einer gewissen jugendlichen Marken­fixierung entgegenwirken. Andererseits wiegt das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit schwer. Insofern wird von oben diktierten Verboten nach Einschätzung der Kultusministerien kaum Erfolg vor Gericht eingeräumt, sollte jemand klagen. Nicht grundlos wird ein Konsens über Kleidervorschriften deshalb oft auf die breite Basis der Schulkonferenz mit Lehrern, Eltern und Schülern gestellt.

Geteilt wird diese Meinung im Bundesvorstand des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). An manchen Schulen sei es durchaus eine Notwendigkeit, angemessene Regelungen zu treffen, da Schüler in provokanter Kleidung auf dem Schulhof auftauchen. Sollte kein Konsens für die gesamte Schule gefunden werden, empfiehlt der VBE das persönliche Gespräch und den Appell an die Vernunftbegabung des einzelnen Schülers.