Hamburg. Hamburgs bekanntester arabischer Gastronom eröffnet orientalische Imbisse. Seine syrischen Landsleute sollen sie später übernehmen.
Von der Decke baumeln Elektroleitungen, in der Ecke stapeln sich Zement, Fliesenkleber und Werkzeug. An der unverputzten Wand klebt der Zeitplan für den Umbau, in der letzten Zeile steht: Eröffnung, 21. Oktober, 8 Uhr.
Man muss kein Bausachverständiger sein, um zu erahnen, dass dieser Termin nicht zu halten sein wird. „Wir peilen jetzt den 1. November an“, sagt Hanna Saliba. Es habe die üblichen Verzögerungen beim Bau gegeben. Saliba trägt es mit Fassung; Hamburgs bekanntester arabischer Restaurantbesitzer hat zu lange an seinem Plan gefeilt, um sich jetzt von ein paar Tagen Zeitverzug irritieren zu lassen.
Auf 52 Quadratmetern am Eppendorfer Weg 91, nur ein paar Schritte von der Osterstraße entfernt, entsteht das derzeit spannendste Gastroprojekt Hamburgs: Saliba (65) macht seine Landsleute zu Chefs. Nach und nach sollen in der Hansestadt weitere Imbisse mit orientalischer Küche entstehen, geführt von Flüchtlingen. In B-Lagen, etwas abseits großer Einkaufsstraßen, damit die Miete bezahlbar bleibt.
Flüchtlinge baten bei Saliba um Arbeit
Entstanden ist diese Idee aus einem Problem, das sich Saliba mit seiner Hilfsbereitschaft selbst eingebrockt hat. Im Wochentakt melden sich syrische Flüchtlinge bei ihm und bitten um Arbeit in seinem Restaurant in den Alsterarkaden „Wer geeignet ist, kann später eine Ausbildung bei mir machen. Aber natürlich kann ich danach nicht jeden übernehmen“, sagt Saliba.
Bei einem wie ihm schien der Plan einer Imbisskette durchaus naheliegend, schließlich führte Saliba in Hamburg einst bis zu elf Restaurants. Kaum einer weiß daher besser als Saliba, woran die meisten Gründer in dieser Branche scheitern – am fehlenden Startkapital sowie an der korrekten Buchhaltung. Daher stemmt er jede Investition in einen neuen Laden zunächst allein, erst nach sechs Monaten greift der Pachtvertrag, dann muss sich der Imbiss tragen. Die Buchführung übernehmen Salibas Spezialisten.
Der Freund schneller Entschlüsse („Ich bin anspruchsvoll, entscheide dann aber zügig“) fremdelte dennoch ungewohnt lange mit dem Gedanken an Schnellrestaurants: „Ich habe in Hamburg einen Ruf zu verlieren. Ein Imbiss passt eigentlich nicht zu mir.“
Jeder Existenzgründer in spe muss zunächst mindestens ein halbes Jahr mit großem Einsatz in der Zentrale arbeiten – sechs Monate, in denen Saliba den Neulingen vor allem eine Botschaft einbläut: „Nur das, was du selbst essen würdest, darfst du servieren. Qualität muss über allem stehen. Angebranntes muss sofort weg.“
Angeboten werden jeden Tag zwei Hauptgerichte sowie Pitas, gefüllte Fladenbrote für etwa 5 Euro. Der Slogan „Dein Wunsch geht in die Füllung“ klebt schon jetzt an der Scheibe, firmieren wird dies dann später alles unter dem Namen „Salibaba und die 40 Pitas.“ Bei der Einrichtung feilt der Chef selbst an jedem Detail: „Ich will hier keine arabische Folklore, sondern ein modernes, junges Design.“ Die Schürzen, eigens mit speziellen Klammern für die obligatorischen Kochhandtücher versehen, entdeckte Saliba in der Schweiz.
Flüchtling arbeitet Schleuserschulden ab
Für den Start hätte sich Saliba keinen besseren Anwärter als Feras Mekhail (33) klonen können. „Ich will es hier in Deutschland mit aller Macht schaffen“, sagt Mekhail über sich selbst. Den Wunsch seines Mentors, den Laden sonntags zu schließen, schlug er aus. Immerhin wird er mit seinen beiden Kollegen am siebten Tag der Woche später öffnen, um 14 Uhr statt wie sonst um 10.30 Uhr. Schließen will er frühestens um 21 Uhr: „Und ich werde jeden Tag im Laden sein“, verspricht er. An der Verständigung wird es nicht hapern, sein Deutsch ist schon jetzt sehr gut.
Mekhail flüchtete 2012 aus Syrien. In seiner Heimat Homs, 160 Kilometer nördlich von Damaskus, waren bereits 2011 die zunächst friedlichen Proteste gegen das Assad-Regime in blutige Unruhen umgeschlagen. Als Mekhail bei einer Freitags-Demonstration nur knapp Schüssen von Rebellen entging, entschloss er sich zur Flucht; der Weg zu seiner Arbeitsstelle, einer Firma für Wasserrohre, war ohnehin längst zu gefährlich geworden. Schlepper brachten den Betriebswirt nach Istanbul, wo er mit gefälschten Papieren einen Flug nach Stockholm erwischte. Von dort fuhr der 33 Jahre alte Syrer mit dem Zug nach Hamburg, beantragte Asyl und stotterte in den nächsten Monaten als Tellerwäscher in einem türkischen Restaurant seine Schleuserschulden von 8000 Euro ab.
Führerscheinprüfung steht noch an
Mekhail profitierte von seiner frühen Flucht. Als die große Welle im Sommer 2015 in Hamburg ankam, arbeitete er bereits bei Saliba. Gekocht hatte er zuvor noch nie, nur mal zugeschaut bei seiner Mutter, die inzwischen auch in Hamburg lebt. Saliba macht sich aber keine Sorgen: „Feras wird das packen, er hat Talent.“
Eine Hürde muss Mekhail allerdings noch nehmen – die Führerscheinprüfung am 11. Oktober. Der Sparfuchs Saliba besteht darauf, dass jeder Neugastronom seine Waren selbst einkauft: „Liefern lassen ist zu teuer.“ Und wenn Mekhail durchfällt? „Dann gehe ich zu Fuß zum Großmarkt“, sagt Mekhail. Sagen würde er es dem Chef jedenfalls nicht.