Hamburg. Wer aus Kriegsgebieten flieht, braucht oft medizinische Hilfe. Besuch in der ärztlichen Sprechstunde im Flüchtlingsheim am Grellkamp.

„Ich habe keine Schmerzen, kann aber das Knie nicht beugen“, sagt der junge Afrikaner auf Englisch. Der 23-Jährige kommt aus Eritrea. Jetzt sitzt er in der Flüchtlingsunterkunft am Grellkamp in Langenhorn in der ärztlichen Sprechstunde und erzählt dem Arzt Dr. Michael Trautmann, wie es ihm zurzeit geht. Auf der Flucht wurde er in Libyen durch einen Schlag auf das rechte Knie verletzt. In Deutschland ist er Ende Juli operiert worden. Jetzt muss er regelmäßig zur Krankengymnastik. Trautmann hat die Nachbehandlung nach dem Klinkaufenthalt übernommen.

Die ärztliche Sprechstunde in der ehemaligen Schule am Grellkamp hat Trautmann im August mit Unterstützung von „Fördern & Wohnen“ ins Leben gerufen. Zwei kleine Zimmer hat er hier zur Verfügung. Das eine dient als Wartezimmer, mit 15 einfachen Stühlen. Der andere kleine Raum ist das Sprechzimmer, ausgerüstet mit Waschbecken, Untersuchungsliege und Schreibtisch. Hier gibt es keine aufwendigen Geräte, sondern nur das Nötigste, was für eine körperliche Untersuchung erforderlich ist, wie Stethoskop, Blutdruckmessgerät, Lupe, Fieberthermometer sowie Instrumente für die Untersuchung von Augen und Ohren. In Kartons befinden sich Verbandszeug, Kittel und Handschuhe.

Mit dieser Ausrüstung hält Trautmann dreimal in der Woche eine Sprechstunde ab. Heute wird er dabei von der Krankenschwester Julia Lang unterstützt, die als sogenannte Pain Nurse in der Asklepios Klinik Altona arbeitet, also als Krankenschwester, die sich insbesondere um die Schmerztherapie der Patienten kümmert. „In den vier bis fünf Stunden behandle ich etwa 40 bis 50 Patienten“, sagt der Facharzt für Innere Medizin und Notfallmedizin. Dabei behandelt er die Erkrankungen selbst, oder er schickt die Patienten weiter zum Facharzt, so wie einen weiteren Flüchtling aus Eritrea.

Vorläufige Gesundheitskarten

Der 19-Jährige klagt über Jucken in den Ohren, Schmerzen in der Brust nach einem Unfall im März und über Beschwerden beim Wasserlassen. Trautmann untersucht die Ohren, stellt einen Hautausschlag fest und gibt dem Jungen dafür eine Creme. Außerdem untersucht er Brust und Bauch des Patienten. Für weiterführende Untersuchungen wie Labor- und Ultraschalluntersuchungen muss er aber zu einem niedergelassenen Facharzt. Damit dieser die Behandlung abrechnen kann, erhalten die Flüchtlinge vom Sozialarbeiterteam eine vorläufige Gesundheitskarte, die 24 Stunden gültig ist. Trautmannn erhält für seine Arbeit ein Honorar von „Fördern & Wohnen“. „Aber dieses Honorar werde ich entweder spenden, oder ich werde das Geld verwenden, um Dinge für die Sprechstunde einzukaufen“, sagt er.

Unterstützung erhält der Arzt auch von Dolmetschern. So hilft ein Übersetzer beim Gespräch mit einer 34 Jahre alten Frau, die mit der seltenen tropischen Infektionskrankheit Leihmaniose in die Sprechstunde kommt. Mithilfe des Übersetzers erklärt sie, dass sie bereits seit vier Jahren an dieser Krankheit leidet. Trautmann hört den Schilderungen aufmerksam zu und verweist die Frau dann weiter an das Hamburger Tropeninstitut.

Es sind Krankengeschichten, wie man sie in Deutschland sonst nicht hört. So wie auch die eines 19 Jahre alten Syrers, der in seiner Heimat von einer Kugel am Hals getroffen wurde. „Ein Teil wurde entfernt, aber es ist ein Splitter zurückgeblieben, der jetzt vom Hals bis zur Hüfte gewandert ist“, erzählt Trautmann. Heute kommt der junge Mann mit einem Hautausschlag in die Sprechstunde. Er erhält eine Creme, mit der er diesen drei Tage behandeln soll.

Für jeden Patienten wird eine Karteikarte angelegt – eine Methode, die nicht mehr zeitgemäß ist, aber die nötigsten Anforderungen erfüllt. So können später andere Ärzte die Krankengeschichten nachvollziehen. Allgemeinmedizinische Sprechstunden sollen in allen Zentralen Erstaufnahmen eingerichtet werden. Die Koordination übernimmt das Gesundheitsamt Altona. Dort haben sich nach einem Aufruf von Ärzteverbänden 150 freiwillige Helfer, überwiegend Ärzte, gemeldet. Zunächst sollen die Freiwilligen im Gesundheitsamt Altona registriert werden. Dort sollen auch Gespräche mit ihnen geführt werden, um zu klären, ob und wo sie am besten einsetzbar sind.