Hamburg. Als die 89-jährige kinderlose Frau von ihrem “Enkel“ kontaktiert wird, schaltet sie sofort - und verhindert eine Serie. Die Polizei ist beeindruckt.

Elisabeth M. schaut gerade im Fernsehen das „Mittagsmagazin“, als ihr Telefon klingelt. Ohne, dass eine Nummer angezeigt wird. „Ich dachte im ersten Moment, es ist meine beste Freundin“, sagt die alleinstehende ältere Dame, 89, die in Winterhude in einem Mehrfamilienhaus lebt. Doch dann die Überraschung. Mit den Worten „Ja hallo, hier ist Dein Enkel. Wundere Dich nicht über meine Sprache. Ich bin erkältet“ meldet sich ein junger Mann am anderen Ende der Leitung.

Aber Elisabeth M. hat gar keine Kinder. Und infolgedessen auch keine Enkel. „Ich dachte, ich bin ein Zirkuspferd, das Musik hört“, sagt die resolute alte Dame im Nachhineien. Im Telefonat reagiert Elisabeth M. blitzschnell und blitzgescheit. „Oh, hallo Frank!“, antwortet die ehemalige Sekretärin dem unbekannten Anrufer. „Frank“. Dieser Name ist der alten Dame geläufig, denn Frank heißt ihr Großneffe. Der Anrufer bemerkt nicht, dass ihn die alte Dame gerade in eine Falle lockt: Er glaubt, Elisabeth M. habe tatsächlich einen Enkel namens Frank – und nennt sich fortan so.

Damit kommt die Sache ins Rollen. „Ich habe eine ganz tolle Wohnung in Hannover an der Angel. Die kostet 100.000 Euro“, erzählt der Betrüger. „Wenn ich bis 16.30 Uhr zahle, kann ich die Wohnung sogar für 87.000 Euro bekommen, hat mit der Verkäufer gesagt. Kannst Du mir das Geld irgendwie besorgen?“

Elisabeth M. weiß sofort, das ist ein Enkeltrick. „Ich hatte das Abendblatt gelesen, in dem das Vorgehen beschrieben worden war“, sagt sie. Aber sie spielt das Spiel mit – und sagt dem Anrufer, dass sie ein Sparbuch hat, mit 13.000 Euro. Der will daraufhin nochmal mit dem Verkäufer reden. Und verdonnert Elisabeth M. dazu, auf keinen Fall mit irgendjemandem über die Angelegenheit zu sprechen.

„Ich habe aufgelegt und sofort mit meinem Handy die Polizei über 110 gerufen“, sagt die alte Dame. Sie benutzt dazu bewusst das Mobiltelefon, damit der Betrüger nicht womöglich durch ein Besetztzeichen am Festnetztelefon einen Verdacht schöpft. Jetzt sind die Ermittler von der Kripo mit im Spiel, und es geht Schlag auf Schlag: Im Minutentakt meldet sich der Betrüger, der sich „Frank“ nennt, immer wieder bei der Frau. „Dann sagte er, ja, das geht, der Verkäufer ist zufrieden mit den 13.000 Euro.“ Doch „Frank“ will mehr, viel mehr. Und er trickst weiter. „Er hat kurz darauf wieder angerufen und gefragt, ob ich nicht noch Schmuck hätte, den ich dazugeben könne. Ich sagte ihm, ich hätte eine lange Goldkette mit einer Goldmünze. Und auch anderen Goldschmuck.“

„Frank“ ist einverstanden, und verabredet sich, mit Elisabeth M., gemeinsam zur Haspa zu gehen, um das Geld abzuholen. Aber dann macht „Frank“ plötzlich einen Rückzieher. „Er sagte mir, ich hätte großes Glück. Peter Sommer, der Verkäufer der Wohnung in Hannover, sei gerade in der Nähe in der Sierichstraße und zeige dort eine Wohnung. Der könne sich kurzfristig mit mir vor meiner Wohnung im Rondeelpark zur Geldübergabe treffen.“

Elisabeth M. geht daraufhin allein zur Haspa am Krohnskamp. Sie holt das Geld ab, verpackt es und fügt zu Hause mit Hilfe der Polizei einen Umschlag hinzu, der aussieht, als beinhalte er Schmuck.

Vom Fenster aus sieht sie „Peter Sommer“, schwarz gekleidet mit einer Baseball-Cap im Park. „Ich bin hingegangen und hab’ ihm das Geld in die Hand gedrückt“, sagt Elisabeth M. Wie aus dem Nichts tauchen die Fahnder auf – die natürlich die ganze Zeit ihre Augen auf der alten Dame hatten. Sie packen den Mann und schleudern ihn in die Hecke: Das Spiel ist aus.

„Frau M. hat toll reagiert“, sagt Thomas Menzel, der Leiter des Landeskriminalamtes. Der Mann, der sich Peter Sommer nannte, ist Pole, 21 Jahre alt und sitzt nun hinter Gittern. Menzel: „Wir sind zuversichtlich, dass uns sein Hintermann, der mit Frau M. telefoniert hat, ebenfalls bald ins Netz geht.“ Der Fall sei typisch. Nachdem die Polizei im Mai 2014 eine polnische Enkeltrickbande gesprengt hatte, war es in Hamburg zunächst ruhig geworden: Nur 253 „Enkeltrick“-Betrugsversuche wurden 2014 angezeigt.

Mittlerweile ist jedoch eine neue Generation von Enkeltrickbetrügen aktiv: Allein sieben ähnliche Betrugsversuche wurden am Tag, als sich Elisabeth M. so erfolgreich wehrte, in Hamburg angezeigt. Danach war es ruhig.