Poppenbüttel. Lehrer des Heinrich-Heine-Gymnasiums bringen Pakete in die Ukraine, die ihre Schüler gepackt habenLehrer des Heinrich-Heine-Gymnasiums bringen Pakete in die Ukraine, die ihre Schüler gepackt haben

Es war der Lehrerin Sabrina Semmelroth vor ihrer ersten Reise nach Tschernobyl im Februar bewusst, dass im Katastrophengebiet auch 29 Jahre nach der Reaktorexplosion große Armut herrscht. „Dass die Zustände vor Ort allerdings so schlimm sind, hätte ich nicht erwartet“, sagt die 28-Jährige nach der Rückkehr.

Zusammen mit Wolf Garde vom Verein „Pryvit – Hilfe für Tschernobyl-Kinder“ und ihrem Kollegen Tobias Holterhues ist sie acht Tage lang in 25 Dörfern rund um die ukrainische Kleinstadt Narodytschi gefahren, um kranken und verwaisten Kindern Geschenke zu übergeben. 130 Pakete hatten die Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums mit Hygieneartikeln, Kleidung und Süßigkeiten für Jungen und Mädchen gepackt. „Heinrich schenkt“ heißt das Hilfsprojekt des Gymnasiums, das Sabrina Semmelroth vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat. „Ich wollte meine Schüler motivieren, sich für eine Sache einzusetzen und Menschen zu unterstützen, die wirklich Hilfe benötigen“, sagt die Lehrerin.

Zu Beginn der Reise veranstaltete die Gruppe einen Bewerbungstag

Da viele Schüler nach der ersten Geschenkaktion vergangenen Jahres glaubten, ihre Päckchen „würden eh nicht bei den Kindern ankommen“, sei das junge Lehrerteam dieses Jahr selbst in die Ukraine geflogen, um die Pakete persönlich zu übergeben. „Und das war die emotionalste Zeit, die ich je hatte“, sagt Semmelroth.

Zu Beginn der Reise veranstaltete die Gruppe im Gymnasium Narodytschi einen Bewerbungstag, an dem sich Kinder und Jugendliche für einen Erholungsurlaub in Hamburg bewerben konnten. Als „furchtbar schrecklich, aber auch wunderschön“ beschreibt Semmelroth die Erlebnisse der Familien, die in der radioaktiv belasteten Region ihr Zuhause haben. Bad, Toilette und Heizung gebe es nicht. Weder genügend Kleidung noch ausreichend Essen seien vorhanden. Ein Fernseher? Große Ausnahme. Zahnbürste auch. „Oftmals leben sieben Kinder mit ihren Eltern in einem Raum zusammen – es ist kalt, dreckig und düster.“

„Umso schöner war es dann, als die Kinder ihre Geschenke ausgepackt haben“, erinnert sich Semmelroth. Für besonders große Begeisterung sorgten die selbst gebastelten Karten der Eppendorfer Schüler: „Dann weiß ich, dass jemand an mich denkt“, sagte die zwölfjährige Ines, die kein Paar Schuhe besitzt, in Tschernobyl.

Die Familien bedankten sich bei den Hamburgern mit Eingemachtem, Pilzen oder selbst gemachter Limonade. „Das war schwierig für mich. In den ersten Tagen habe ich mich selbst nicht getraut, Kaffee oder Tee anzunehmen.“

Doch was kann man gegen die Angst vor den Strahlen tun? Gar nichts, meint Semmelroth, die jeden Tag ein Messgerät mit sich trug. Heimlich. „Die Menschen hier fühlen sich beleidigt, wenn sie das sehen.“ Am 21. März entscheidet der Verein „Pryvit“ darüber, welche Kinder im August in die Hansestadt kommen. Semmelroth: „Wir haben viele verwaiste Kinder kennengelernt, für diese setze ich mich besonders ein.“ Im nächsten Jahr möchte die Lehrerin den Verein wieder in die Ukraine begleiten.