Hamburg. Die einstigen Aufstiegshelden Holger Stanislawski, Marius Ebbers und Thomas Meggle über den Höhenflug ihres ehemaligen Vereins.

Wenn sich Holger Stanislawski die Spiele „seines“ FC St. Pauli in dieser Saison anschaut, dann geht ihm wie so vielen Anhängern des Kiezclubs gerade das Herz auf. „Die Mannschaft macht einen sehr konstanten Eindruck“, sagt „Stani“, „man merkt, dass die Jungs Lust haben, immer auf Sieg zu spielen.“

Nach neun Spielen, etwas mehr als einem Viertel der Saison, ist der FC St. Pauli Tabellenführer der Zweiten Liga. Eine Fußballer-Weisheit sagt, dass die Platzierung nach neun, zehn Spielen schon vieles über die Stärke der Clubs aussagt. Das meint auch Stanislawski: „Ich sehe in der sehr ausgeglichenen Liga keine Mannschaft, die deutlich stärker als St. Pauli ist.“

FC St. Pauli: „Boys in Brown“ mit klarem Plan

Stanislawski ist 2001 mit St. Pauli als Spieler in die Bundesliga aufgestiegen und hat dieses Kunststück 2010 als Trainer am Millerntor wiederholt. Damals trug Marius Ebbers mit 20 Toren entscheidend zum Erfolg bei. Der heutige Trainer des Oberligisten SC Victoria Hamburg ist begeistert von den Leistungen der „Boys in Brown“: „Es gefällt mir sehr. Sie haben einen klaren Plan, den sie durchziehen.“

Auch Thomas Meggle (46) ist vom derzeitigen St.-Pauli-Team sehr angetan. „Es ist noch viel zu früh, vom Aufstieg zu sprechen“, sagt der ehemalige Mittelfeldspieler, Sportchef und Trainer des Vereins, der 2001 ein „Aufstiegsheld“ war. „Aber ich traue ihnen das absolut zu. Sie spielen das ganze Jahr konstant. Stehen hinten sicher und haben vorne im Angriff Stürmer, die immer treffen. Das brauchst du.“

Kein Platz für negative Gedanken

Marius Ebbers (43) ist nicht nur mit St. Pauli in das Oberhaus hochgeklettert, sondern auch mit Alemannia Aachen 2006. Er weiß, worauf es ankommt. „Fußball ist auch ein Kopfspiel. Man muss die negativen Gedanken abschalten, dass man etwas zu verlieren habe“, meint „Ebbe“: „Ich bin immer entspannt mit der Situation umgegangen. Man merkt im Laufe der Saison: ,Wir spielen gut und können etwas erreichen.‘ Daraus muss man Positives ableiten.“

Stanislawski sieht das genauso: „Die Jungs müssen ihre Freude am Spiel beibehalten. Die Spitzenposition darf nicht lähmen, sondern muss Spaß machen. Das geht, Bayern München demonstriert das in der Bundesliga seit Jahren.“

Meggle: „Da habe ich gedacht, es gibt keinen Fußballgott“

Apropos Bayern München: An deren Meisterschaft 2001 hat Thomas Meggle besondere Erinnerungen. Schalke 04 feierte damals schon die Meisterschaft, bevor die Bayern in der Nachspielzeit beim HSV noch den 1:1-Ausgleich erzielten und doch wieder den Titel gewannen.

„Da habe ich gedacht, es gibt keinen Fußballgott“, erzählt Meggle, „wir mussten einen Tag später in Nürnberg gewinnen, um aufzusteigen. Und ich habe plötzlich kalte Füße bekommen.“ Es gelang dennoch: Mit 2:1 gewann St. Pauli beim „Club“, und Tausende sahen auf dem Heiligengeistfeld zu und jubelten ihrer Mannschaft nach ihrer Rückkehr zu.

Der 52 Jahre alte Stanislawski, der seine Trainerkarriere 2013 aufgegeben hat und heute einen Supermarkt in Winterhude leitet und gelegentlich als TV-Experte auftritt, ist überzeugt, dass sein ehemaliger Spieler Timo Schultz als Trainer genau den richtigen Ansatz für das nötige Verhältnis zwischen Ent- und Anspannung findet.

Zwischen Schweine-Trainingseinheit und Fußballtennis

„Als Trainer musst du die Schwingungen in der Truppe wahrnehmen. Sind sie nervös oder zu lässig? Schulle hatte schon als Spieler immer ein gutes Gefühl für Stimmungen im Team“, erzählt Stanislawski, „ich traue ihm zu, solche Schwingungen aufzunehmen.“ Zur Not müsse der Trainer dann auch mal kurzfristig reagieren, wenn es zu leistungsmindernden Störungen kommt: „Da kann man auch mal eine Schweine-Trainingseinheit einbauen, um die Jungs aufzuwecken, oder man lässt im Gegenteil los, schiebt Spaßeinheiten wie Fußballtennis ein, um den Kopf freizubekommen.“

Ebbers konnte die Trainingsarbeit seines ehemaligen Mitspielers und Freundes Schultz Mitte September eine Woche als Hospitant an der Kollaustraße beobachten. „Schulle ist Schulle. Er ist locker und trotzdem sehr ehrgeizig“, sagt der einstige Torjäger, „er schafft diese angenehme Mischung aus akribischer Arbeit und Spaß haben.“

Stanislawski: Einfach Bock auf guten Fußball

Ebbers, Meggle und Stanislawski sind sich komplett einig darin, dass es derzeit nur darum geht, Spiel für Spiel anzugehen und natürlich möglichst zu gewinnen. Noch entscheidet sich schließlich gar nichts. „Wichtig ist, sich in eine Position zu bringen, dass man so sechs Spieltage vor Saisonschluss noch alle Chancen hat“, sagt Meggle, „dafür muss man jetzt arbeiten.“ Stanislawski erinnert daran, dass St. Pauli diese Situation in der vergangenen Rückrunde fast schon erreicht hatte – „aber dann haben wir am 30. Spieltag in Düsseldorf 0:2 verloren“.

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Auch in einem weiteren Punkt sind sich St. Paulis Aufstiegshelden einig. „Die Jungs jetzt haben definitiv den Vorteil, dass sie nicht aufsteigen müssen. Es gibt keine entsprechenden Ansagen vom Verein oder dem Umfeld, das ist bei anderen Clubs anders“, sagt Ebbers. Bei Aachen und St. Pauli sei es damals genauso gewesen. „Wir haben intern über die Aufstiegschance gesprochen, hatten aber nie Druck von außen. Das war ein Vorteil.“ Stanislawski sieht darin ebenfalls eine Chance: „Ich hoffe einfach, dass alle weiter Bock haben auf guten Fußball“, sagt er, „dann können wir uns am Ende doch alle freuen.“