Hamburg. Vor einem Jahr zog der 17-jährige Florent aus Hamburg in den Dschihad, reiste nach Syrien zum IS. Wenig später ist er tot.

An einem großen Foto des 17-jährigen Florent am Altar der Hamburger St. Pauli Kirche ist eine rote Mütze befestigt. Zwischen Kerzen stehen seine grauen Lieblingsturnschuhe. Rund 50 Christen und Muslime haben sich am Freitag versammelt, um gemeinsam Abschied zu nehmen von dem Jungen, der Hamburg im Frühjahr 2015 verließ, um sich in Syrien dem Islamischen Staat anzuschließen. Im Juli wurde „Bilal“, wie er in der Salafisten-Szene hieß, getötet. Wo und von wem, ist unklar. Die Leiche fand man bisher nicht. Eine Trauerfeier in einer evangelischen Kirche für einen Anhänger des IS - das hatte im Vorfeld Diskussionen ausgelöst.

Die Mutter eines getöteten IS-Anhängers, Florence C. (M.), Imam Abu Ahmed Jakobi (l.) und Pastor Sieghard Wilm
Die Mutter eines getöteten IS-Anhängers, Florence C. (M.), Imam Abu Ahmed Jakobi (l.) und Pastor Sieghard Wilm © dpa | Daniel Reinhardt

„Dass wir heute hier zusammen sind (...), das gefällt nicht allen“, sagt Pastor Sieghard Wilm. „Aber Gott gefällt das.“ Wilm kannte Florent seit Jahren aus dem Stadtteil. Der Junge aus Kamerun war schon als Kleinkind nach Deutschland gekommen. In seiner Trauerrede erinnert der Pastor daran, wie Florent mit 14 Jahren vom Christentum zum Islam konvertierte, immer radikaler wurde. Der Junge habe viele Hilfsangebote bekommen. „Aber es hat alles nichts geholfen.“ Der Theologe betont: „Uns steht als Menschen kein letztes Urteil zu, das steht allein Gott zu.“

Die Mutter bittet ihren Sohn um Verzeihung

Unter Tränen tritt die Mutter vor die Gemeinde. Auf Französisch und Deutsch spricht sie zu den Trauergästen, immer wieder bricht ihr dabei die Stimme weg. „Sein Tod war ein großer Schock für mich“, sagt sie. Dann bittet die Mutter ihren Sohn um Verzeihung, weil sie zu spät bemerkt habe, welchen Weg er einschlug.

Bundesweit reisten nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bislang 820 Menschen aus, um in den Bürgerkriegsgebieten in Syrien und im Nord-Irak in den Dschihad zu ziehen. Etwa ein Drittel davon kehrte zurück. Bei 140 Ausgereisten gibt es Hinweise, dass sie tot sind.

Die Vorstellung von einem vermeintlich heroischen Kampf im Namen Gottes hatte „Bilal“ im Mai 2015 zur Terrororganisation IS gelockt - doch die Realität sah ganz anders aus. Nach Angaben des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz warnte er seine Glaubensbrüder in einer Audiobotschaft, dass der IS westliche Rekruten schlecht behandele. „Womöglich hat ihn seine Audiobotschaft das Leben gekostet“, meint Imam Abu Ahmed Jakobi. „Bilals Schicksal sollte uns wachrütteln.“