Die Polizei hat am Sonntagabend eine spontane Kundgebung aufgelöst und rund 40 Demonstranten in Gewahrsam genommen. Immer wieder kam es zu spontanen Protestaktionen gegen das von der Hamburger Polizei eingerichtete Gefahrengebiet.
Hamburg. Die Situation im von der Hamburger Polizei eingerichteten Gefahrengebiet hat sich am Sonntagabend weiter verschärft. Rund 60 Menschen hatten sich um 19 Uhr zu einer spontanen Demonstration auf dem Neuen Pferdemarkt getroffen. Mit einem Banner mit der Aufschrift „Gefahrengebiete abschaffen“ zogen die Demonstranten Richtung Rote Flora. Vereinzelt seien laut Augenzeugen Böller und Feuerwerkskörper gezündet worden.
Die Polizei stoppte den Demonstrationszug und setzte die Gruppe an der Lerchenstraße fest. Einzelne Personen durften den Kessel nach der Überprüfung ihrer Personalien verlassen. Nachdem sich die übrigen rund 40 Demonstranten weigerten, die Personalien offenzulegen, wurde die Ingewahrsamnahme angeordnet. Mit einem Gelenkbus der Hochbahn wurden sie abgeholt.
Rund 400 Menschen, die aus Richtung Stresemannstraße gekommen waren, protestierten lautstark gegen das Vorgehen der Beamten. Eine Polizeikette konnte die Gruppe jedoch in rund 50 Metern Entfernung aufhalten.
Auch an der Simon-von-Utrecht-Straße und der Stresemannstraße wurde ein Demonstrationszug gestoppt, berichten Augenzeugen. Über das Internet wurden am Sonntagabend immer wieder spontane Protestkundgebungen angekündigt. Die Polizei wollte sich am Abend nicht zu den Details äußern.
Derweil wurden die Kontrollen der Hamburger Polizei auch am Sonntag fortgesetzt. Immer wieder überprüften die Beamten kleinere Personengruppen in den umliegenden Straßen. Als Reaktion auf wiederholte Attacken gegen ihre Beamten hatte die Hamburger Polizei am Wochenende in zentralen Stadtteilen ein sogenanntes Gefahrengebiet eingerichtet. Bis Sonntagmittag wurden in diesem Zusammenhang 263 Menschen überprüft, bis 12 Uhr seien 62 Aufenthaltsverbote und 2 Platzverweise ausgesprochen worden, teilte die Polizei mit. Die Beamten hätten Schlagwerkzeuge, Pyrotechnik und schwarze Masken sichergestellt.
Eine Person sei in Gewahrsam genommen worden, gegen drei Menschen sei Strafanzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz gestellt worden. Wie lange die Stadtteile „Gefahrengebiet“ bleiben, sei von der weiteren Entwicklung abhängig, hieß es. Die Kontrollen würden bis auf weiteres weitergehen.
Rund 140 Polizisten im Einsatz
Das „Gefahrengebiet“ war am Sonnabend in Teilen von Altona, St. Pauli und der Sternschanze eingerichtet worden. Grund für die verstärkte Überprüfung sind Angriffe auf Beamte und polizeiliche Einrichtungen in jüngster Zeit. Erst am letzten Dezember-Wochenende waren bei einem Anschlag auf die Davidwache an der Reeperbahn drei Beamte verletzt worden.
Die Kontrollen seien friedlich verlaufen, es habe keine Gegenwehr gegeben, sagte der Sprecher. „Es wurden vor allem verdächtige und polizeibekannte Menschen überprüft.“ 140 Beamte waren demnach im Einsatz.
Über die Bewertung der Maßnahme „zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“ herrscht zwischen den Fraktionen der Bürgerschaft Uneinigkeit. Während die in der Hansestadt alleinregierende SPD die Einrichtung des „Gefahrengebiets“ verteidigte, kam von Grünen, FDP und Linken Kritik.
Sondersitzung des Innenausschusses
Auf Antrag der Grünen kommt der Innenausschuss am Montag zu einer Sondersitzung zusammen. Es sei das Ziel, die abschließende Bewertung der Krawalle vom 21. Dezember auf einer guten Grundlage machen zu können, sagte die innenpolitische Grünen-Fraktionssprecherin Antje Möller. Zudem soll die Polizei darüber Auskunft geben, wie lange sie das aktuelle „Gefahrengebiet“ in den Stadtteilen St. Pauli, Altona und dem Schanzenviertel aufrechterhalten will.
Die Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei hält die Errichtung des „Gefahrengebiets“ für rechtswidrig und prüft, ob sie dagegen klagen wird. „Unserer Ansicht nach ist diese Maßnahme vor allem deshalb rechtsstaatlich problematisch, weil allein die Polizei über ihre Einrichtung und Dauer entscheidet und dabei von niemandem wirklich kontrolliert wird“, sagte die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider.
Damit stelle man tausende Menschen unter Generalverdacht, erklärte die Grünen-Fraktionssprecherin Antje Möller. „Das schränkt die Bewegungsfreiheit der Menschen massiv ein, gerade auch weil die Eingrenzung auf „relevante Personengruppen“ sehr viel Spielraum lässt.“ Hinzu komme die willkürliche Größe des Gebiets. Deren Verhältnismäßigkeit müsse dringend überprüft werden.
Auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Carl-Edgar Jarchow, erklärte, man werde prüfen müssen, inwieweit die Maßnahme und der Umfang verhältnismäßig seien. Das Gesetz regele, dass das Gefahrengebiet nur so lange ausgewiesen werden dürfe, wie es die Lage erfordere. „Nach Äußerungen der Polizei erfordert es die Lage derzeit nicht, es besteht folglich kein Grund, das Gefahrengebiet aufrechtzuerhalten“, sagte Jarchow. Der DGB Nord befürchtet, das die „großflächige Einrichtung des Ausnahmezustands“ die Stimmung in den betroffenen Bezirken verschärfen könnte.
Für die SPD-Fraktion erklärte der innenpolitische Sprecher Arno Münster: „Wir unterstützen ausdrücklich, dass die Polizei den rechtlichen Rahmen konsequent ausschöpft, um neuen Übergriffen präventiv entgegenzuwirken.“ Dafür könnten die Einrichtung eines „Gefahrengebiets“ und entsprechende Kontrollen hilfreich sein.
Die Karte des Gefahrengebietes zum Download
Am Montag kommt der Innenausschusses der Bürgerschaft zu einer Sondersitzung zusammen. Dann geht es um eine Aufarbeitung der Krawalle vom 21. Dezember, als während und nach einer Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums „Rote Flora“ im Schanzenviertel 120 Polizisten und rund 500 Demonstranten verletzt wurden. Sie erwarte dabei von der Polizei auch Erläuterungen zur Verhältnismäßigkeit des eingerichteten „Gefahrengebietes“, sagte die Grünen-Politikerin Möller.
Ein Polizeisprecher hatte angekündigt, dass die Kontrollen im „Gefahrengebiet“ mit Augenmaß durchgeführt würden. Es sei nicht beabsichtigt, Anwohner oder Besucher übermäßig zu belasten. „Gleichwohl wollen wir durch diese Maßnahme sehr deutlich machen, dass die Polizei Hamburg alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird, um Leib und Leben ihrer Beamten zu schützen.“
Belohnung für Hinweise nach Angriff auf Davidwache erhöht
Gut eine Woche nach dem Angriff auf die Davidwache im Stadtteil St. Pauli hat die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Hamburg die Belohnung für Hinweise auf die Täter auf 10.000 Euro erhöht. Man halte es für richtig so „einen Anreiz zu schaffen, dass sich Mitläufer aus der Szene offenbaren oder Zeugen melden, die zur Aufklärung beitragen“, erklärte DPolG-Landeschef Joachim Lenders am Sonntag.
Am Freitag hatten Polizei und Generalstaatsanwalt eine Belohnung von 8000 Euro ausgesetzt. Eine Gruppe von 30 bis 40 Vermummten hatte am 28. Dezember Polizisten mit Steinen, Flaschen und Pfefferspray angegriffen und dabei drei Beamte schwer verletzt.
Das Gefahrengebiet hat folgende örtliche Begrenzungen:
Nord: Holstenkamp, Pinneberger Weg, Eimsbütteler Straße, Altonaer Straße, Kleiner Schäferkamp und Schröderstiftstraße
Ost: Karolinenstraße, Glacischaussee, Helgoländer Allee
Süd: Elbe
West: Max-Brauer-Alle und dann entlang der Gleise der Deutschen Bahn AG
Das Gefahrengebiet gilt einschließlich der aufgeführten Straßenzüge.