Hamburg. In dem spektakulären Fall hatten eine Medizinerin und ihr Mann einen Mörder für ihren Ex-Freund gesucht. Nun wurde das Urteil gesprochen.

Es wirkte wie der Plot aus einem Fernsehthriller: Eine Frau will einen Auftragskiller anheuern, um ihren früheren Partner umbringen zu lassen. Dafür sucht sie im Darknet nach ruchlosen Tätern, die gegen Bezahlung töten. Die Hamburger Ärztin Lena V. (alle Namen geändert) hat nach Überzeugung des Gerichts genau ein solches Verbrechen in Auftrag geben wollen: Ihr ehemaliger Lebensgefährte sollte sterben. Jetzt soll die 49 Jahre alte Medizinerin für diese Tat ins Gefängnis: Fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchter Anstiftung zum Mord lautet am Dienstag das Urteil für Lena V.

Prozesse Hamburg: Auch der Ehemann erhält mehrjährige Haftstrafe

Gegen ihren Ehemann, den Unternehmer Timo V., der sich gemeinsam mit ihr in dem Prozess verantworten musste, verhängt die Kammer fünf Jahre und drei Monate Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte für Lena V. sieben Jahre und zehn Monate beantragt, für Timo V. sechs Jahre und acht Monate.

Es handele sich um einen „außergewöhnlichen Fall“, sagt die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. Außergewöhnlich deshalb, weil solche Verbrechen nicht häufig vorkämen. „Man mag es sich schwer vorstellen, dass die ehemals beruflich erfolgreichen Angeklagten zu so einer Tat fähig sind. Aber Verbrechen kommen in allen Gesellschaftsschichten vor.“ Hintergrund für die geplante Tötung war nach Überzeugung des Gerichts ein Sorgerechtsstreit um die gemeinsame, sechsjährige Tochter von Lena V. und ihrem früheren Partner Tom B.

Daran, dass beide Angeklagten an der Tat beteiligt gewesen sind, habe das Gericht „keine Zweifel“, betont die Richterin. Lena V. habe die Tochter allein aufziehen wollen.

Auch das FBI hatte in dem Fall der Hamburger Ärztin ermittelt

Dabei habe sie es darauf angelegt, dass der Mord durch Profikiller wie ein Unfall oder ein Raub habe aussehen sollen. Auch Timo V. habe die Tötung gewollt. Er habe mit Lena V. ein „harmonisches Familienleben“ haben wollen. Die Ermordung des früheren Partners von Lena V. habe dafür „die Lösung sein sollen. Er sollte als Störfaktor aus dem Weg geräumt werden.“

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Ehepaar vorgeworfen, im Frühjahr vergangenen Jahres die Tötung von Lena V.’s früherem Partner geplant zu haben. Dafür hätten die Medizinerin und ihr 52 Jahre alter Ehemann auf einer vermeintlich für mörderische Machenschaften spezialisierten Website im Darknet Foto und Adresse des avisierten Opfers mitgeteilt und die Bezahlung in Form von Bitcoins in die Wege geleitet. Dabei sollen sie umgerechnet etwa 15.000 Euro gezahlt haben. Allerdings: Die Website war nicht von professionellen Killern, sondern von Kriminellen eingerichtet worden, die solche Dienste lediglich vortäuschten.

Nachdem diese Betrüger das Geld erhalten hatten, verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen in den undurchsichtigen Pfaden des Darknets. Den mutmaßlichen Auftraggebern indes kamen Ermittler des FBI auf die Schliche, die wiederum das Bundeskriminalamt informierten.

Die angeklagte Ärztin, die im Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgesagt hat, hatte die Vorwürfe im Wesentlichen eingeräumt. Laut ihrer Verteidigerin leidet die Hamburgerin unter einer psychischen Erkrankung. Die Angeklagte habe im Prozess über die vorgeworfene Tat gesagt, „dass sie das als furchtbar empfindet und sich bei Ihnen entschuldigt“, hatte die Anwältin im Prozess an die Adresse von Tom B. gesagt, dem der Mordauftrag gegolten habe. Wie im Verfahren bekannt wurde, betonte die Medizinerin in ihrer Einlassung, dass sie das Verbrechen allein geplant und in Auftrag gegeben habe – ohne jegliche Mithilfe ihres Mannes.

49-Jährige wird als hoch emotionale Frau beschrieben

Der ebenfalls angeklagte Timo V. hatte indes jede Beteiligung an der versuchten Anstiftung zum Mord bestritten. „Ich habe weder eine Tötung noch die Anstiftung zu einer Tötung geplant“, betonte der 52-Jährige. Allein den Verdacht empfinde er als „absurd“.

Das angeklagte Ehepaar hatte in dem rund vier Monate dauernden Prozess zunehmend kühl aufeinander reagiert, einander überwiegend ignoriert. Lena V. hatte sich mehrfach auffällig gezeigt, sich beispielsweise die Ohren zugehalten oder den Oberkörper vor und zurück gewiegt. An allen Verhandlungstagen saß ein Mediziner mit im Gerichtssaal, um sich gegebenenfalls um die 49-Jährige kümmern zu können. Der angeklagte Unternehmer Timo V. war nahezu durchgängig ruhig aufgetreten.

Jetzt, bei der Urteilsverkündung, schüttelt der 52-Jährige immer wieder den Kopf, als könne er nicht fassen, was er da hört. Lena V., eine zierliche Frau mit langem Zopf, wirkt regungslos, wie erstarrt. Durch mehrere Zeugenaussagen aus dem Umfeld der Angeklagten zeichnete sich in der Verhandlung in Bezug auf Lena V. das Bild einer hoch emotionalen, zwischen extremen Gefühlen schwankenden Frau. Mehrfach fiel der Ausdruck „Dramaqueen“. Ihr Ehemann hatte von „schwarzen Stunden“ gesprochen – Phasen, in denen die 49-Jährige „ausgerastet“ sei und sich „aggressiv sowie extrem irrational gezeigt“ habe.

Opfer klagt, dass Ärztin das gemeinsame Kind instrumentalisiert hat

Nach Überzeugung des Gerichts hat sich Timo V. bei dem Mordauftrag vorwiegend um die Bezahlung in Bitcoin gekümmert. Lena V. sei dafür zuständig gewesen, einen „Killerservice“ im Darknet aufzutreiben. Dabei habe sie behauptet, die „Zielperson sei ein Pädophiler“, der „gestoppt werden müsse“, fasst die Vorsitzende Richterin zusammen. Auch habe Lena V. ihrem früheren Lebensgefährten vorgeworfen, gegen sie und das gemeinsame Kind gewalttätig geworden zu sein – was aber nicht stimme.

Die Angeklagte habe „nicht einmal vor der verwerflichen Instrumentalisierung der eigenen Tochter zurückgeschreckt“. Sie habe das Kind unter anderem ermutigt, schlecht über den Vater zu reden und zu behaupten, er habe es gewürgt. Als strafschärfend wertet das Gericht, dass die 49-Jährige nicht vor der Absicht zurückgeschreckt sei, „dem eigenen Kind den Vater zu nehmen“.

Die Anwältin des avisierten Opfers Tom B., Claudia Krüger, sagt nach dem Urteil, ihr Mandant hätte sich eine höhere Strafe gewünscht. „Er hat Angst, dass sie weitermachen, wenn sie aus der Haft kommen.“