Hamburg. Jeder dritte Deutsche leidet an der Erkrankung. Dr. Matthias Riedl sagt, was man meiden sollte und welche Lebensmittel helfen.
Allein das Wort klingt unappetitlich: Fettleber. Man denkt an Tierquälerei und Stopfleber und hat sofort schlimme Bilder im Kopf. Doch so verkehrt sei der Vergleich mit Gänsen, die gemästet werden, nicht, sagt Dr. Matthias Riedl: „Eine Fettleber ist quasi der Ausdruck einer maßlos schlechten Ernährung.“
Uns Menschen mäste zwar kein Landwirt, sagt der Ernährungs-Doc im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung“, aber er sehe eine große Schuld bei der Lebensmittelindustrie, die viele Produkte toll verpacke – süß, voller Aromen und mit viel Fruchtzucker.
Ernährungs-Doc Matthias Riedl: Volkskrankheit Fettleber – warum sie so verbreitet ist
„Da denkt unser Organismus: klasse, lauter Sachen, die mich am Verhungern hindern. Wir kaufen das alles freiwillig, stopfen es in uns rein und werden dadurch krank. Da braucht man noch nicht mal Zwang anzuwenden. Auch wenn wir so tun, als seien wir alle wahnsinnig vernunftbegabt – in dieser Sache sind wir das Tier.“
Riedl sagt, eine Fettleber entstehe schleichend. In seiner Zeit als junger Arzt habe man sie bei Menschen gefunden, die viel Alkohol tranken oder eine Entzündungserkrankung der Leber hatten, ebenso bei Übergewichtigen. „Aber in diesen letzten drei Jahrzehnten ist dieser Bereich so explodiert, dass wir mittlerweile bei jedem dritten Deutschen eine Fettleber haben. Es ist sozusagen eine Massenkrankheit, die locker die Häufigkeit von Diabetes übersteigt“, sagt der Ärztliche Direktor des Medicums Hamburg.
Dr. Matthias Riedl: Übergewichtige und Diabetiker besonders oft betroffen
Bei Übergewichtigen oder Menschen mit Diabetes ist sogar schon jeder Zweite betroffen, beim Nachwuchs sind es bereits fünf Prozent, sagt der Ernährungs-Mediziner. „Das geht gar nicht. Je früher man mit so einer Fettleber anfängt, desto schlechter. Weil je länger eine Schädigung der Leber besteht, desto gravierender ist die Auswirkung für später.“
Die Fettleber stehe im Zentrum der Diabetes-Typ-zwei-Entstehung. „Das heißt, wenn wir wissen, dass das bei den Kindern schon richtig zunimmt, dann wissen wir, dass wir dort als zweiten Schritt eine Diabetes-Typ-zwei-Welle erwarten können.“ Und genau das passiere gerade. Die Diabetes-Typ-zwei-Steigerungsrate bei Jugendlichen und Kindern sei deutlich. „Das macht die nächste Generation krank. Das ist das Problem.“
Fettleber: Das sind die größten Risikofaktoren für diese Krankheit
Ein Risikofaktor sei Alkohol, der laut Riedl beim Entstehen einer Fettleber eine wichtige Rolle spielt. Bei Männern liege die Grenze für die tägliche Alkoholaufnahme bei 20 Gramm, bei Frauen bei zehn Gramm. Umgerechnet sind das beispielsweise etwa 200 Milliliter Wein für Männer und die Hälfte für Frauen. Doch auch diese Menge sollte man nicht jeden Tag konsumieren.
Schlechtes Fett gehöre ebenfalls zu den Risikofaktoren. Für gesundes Fett, etwa aus Olivenöl und Nüssen, gibt Riedl Entwarnung, diese führen sogar eher zu einer Entfettung der Leber, sagt der Ernährungs-Doc. Auch wenn das paradox klingt.
Ernährung: Wie Zucker und Fertiggerichte die Leber belasten
Doch Fettleber-Verursacher Nummer eins seien hochverarbeitete Kohlenhydrate und Zucker. „Die Entwicklung der Fettleber bei uns in der Gesellschaft geht gleichauf mit dem Zuckerkonsum.“ Das Problem seien die hochverarbeiteten Fertigprodukte mit Zucker als billigem Bestandteil. Dadurch sei die Fettleber-Epidemie entstanden.
Auch das Dauerbombardement mit diesen Lebensmitteln sieht er kritisch: „Wenn ich meinem Körper alle zwei, drei Stunden Zucker zuführe, dann ist es eine Fettleber-Mast. Die Deutschen unterziehen sich dieser Fettleber-Mast. Und das macht sie krank.“
Ernährungsmediziner warnt vor vergrößerter, gelber Leber, die „plump und knotig“ wird
Das machen sie freiwillig, sagt der Ernährungsmediziner. „Wenn die Menschen nicht wissen, was sie sich da antun, dann ist der Staat gefordert – entweder durch Aufklärung, und wenn das nicht funktioniert, dann durch staatliches Reglement.“
Bei der Fettleber gebe es einen „Point of no Return“, sagt Riedl. Eigentlich sei die Leber ein rötliches, zartes Organ und sehr gutmütig. Aber wenn sie Fett einlagert, ist das sichtbar: Sie wird gelb. „Sie verdoppelt ihre Größe, wird richtig plump und knotig. Später kommt es zur Entzündung und zu einem bindegewebigen Umbau. Das ist dann der Übergang zur Leberzirrhose.“
Fettleber: Tückischerweise kommen die Probleme meist schleichend
Die Leber sei das zentrale Stoffwechselorgan. Häufig sei die Fettleber völlig ohne Symptome, die Probleme kämen schleichend. Es komme zu Schwächegefühlen, Schlappheit, schlechter Stimmung.
Eine zunehmend verfettete, entzündlich veränderte Leber berge ein erhöhtes Krebsrisiko. „Wir dürfen nicht vergessen, dass in Amerika Leberversagen durch falsche Ernährung die Ursache Nummer eins ist“, sagt Riedl. „Das heißt, die Amerikaner, die essen sich ihre Leber weg, sodass sie funktionslos wird. Wenn die Leber nicht mehr funktioniert, sind wir praktisch tot.“
Ernährungs-Doc: Auch schlanke Menschen können eine Fettleber bekommen
Sogar junge, schlanke und sportliche Menschen können laut Riedl an einer Fettleber leiden. „Ich erinnere mich an einen Patienten, einen Ausdauersportler. Seine Isotonicdrinks waren voller Fruchtzucker.“
Wenn man die Fettleber durch eine Ernährungsumstellung bekämpfe, fühle sich das an wie ein Jungbrunnen, die Fettleber büße an Volumen ein, mache wieder Platz im Bauch.
Wer seine Fettleber bekämpfen will, sollte Folgendes beachten:
- Mäßig Alkohol trinken
- Schlechte Fette meiden, gute Fette erhöhen
- Zucker, Fruktose meiden oder stark reduzieren
- Fertigprodukte meiden
- Pausen zwischen den Mahlzeiten einlegen
- Intervallfasten oder Heilfasten
- Ausreichend Eiweiß, vor allem pflanzliches Eiweiß essen
- Ausreichend Ballaststoffe
„Wahrscheinlich sind Fertigprodukte sogar mit die wichtigste Ursache überhaupt, weil wir mit dem Anstieg der Fertigprodukte den Anstieg aller Zivilisationskrankheiten sehen – und die Fettleber ist eine Zivilisationskrankheit.“
Ernährungs-Doc: „Es gibt keine Medikamente, die eine Fettleber heilen“
„Es gibt keine Medikamente, die die Fettleber heilen“, sagt Riedl. Zum Glück könne man sie mit der richtigen Ernährung therapieren. „Wir müssen diesen ganzen Zucker und Fertigkram weglassen. Von gesunden Fetten profitiert die Leber. Omega-3-Fettsäuren, wie wir sie in Nüssen haben, in Fisch und Algenöl beispielsweise, lassen das Fett in der Leber abschmelzen.“
Wichtig seien auch Pausen zwischen den Mahlzeiten bis hin zum Intervallfasten. Auch Heilfasten sei eine gute Möglichkeit. „Beim Heilfasten schmilzt die Fettleber wie Schnee in der Sonne.“ Der Körper greife auf seine Kohlenhydratvorräte zurück, und danach gehe es an die Fettvorräte, und die hole er auch aus der Leber.
Fettleber bekämpfen – damit reduziert man auch weitere Folgeerkrankungen
Wichtig sei auch die richtige Eiweißmenge, vor allem pflanzliches Eiweiß und ein hoher Gemüsekonsum – 500 Gramm am Tag – sowie ausreichend Ballaststoffe.
„Damit reduziert man sein Leberkrebsrisiko, sein Diabetesrisiko, sein Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, die Entzündungsbereitschaft im Körper nimmt ab, das Risiko für entzündliche Erkrankungen, das Sterblichkeitsrisiko sinkt. Und man ist fitter, deshalb ist es alternativlos.“
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Dr. Matthias Riedl: Wie man eine Fettleber diagnostizieren kann
Um eine Fettleber zu diagnostizieren, rät Riedl zu einem Fibroscan, der genauer sei als die Lebersonografie. „Das ist eine Untersuchung, die dauert zwei, drei Minuten. Dabei wird der Fettgehalt der Leber festgestellt und gleichzeitig eine etwaige Verhärtung.“ Für gesetzlich Versicherte sei das leider noch keine Kassenleistung. Die Kosten liegen seinen Angaben zufolge bei etwa 70 Euro.
Ernährungs-Doc Matthias Riedls Rezept für Haferbratlinge mit Gemüse
Für 2 Personen. Zubereitung: 45 Minuten, pro Portion: ca. 730 kcal, 24 g EW, 41 g F, 59 g KH, 12 g BST, 2,4 g Beta-Glucan
Zutaten: 30 g Sonnenblumenkerne, 120 g zarte Haferflocken, 200 ml Gemüsebrühe, 2 Frühlingszwiebeln, 1 Knoblauchzehe, 5 EL Olivenöl, 1 Zucchini (ca. 150 g), ½ Aubergine (ca. 150 g), 1 gelbe Paprikaschote, 1 rote Zwiebel, 4 Zweige Thymian, 200 g passierte Tomaten (aus der Dose), Salz, Pfeffer aus der Mühle, 2 Eier (Größe M), 1 ½ EL Dinkelmehl (Type 630).
Zubereitung: Die Sonnenblumenkerne im Blitzhacker zerkleinern, dann mit den Haferflocken in einer Schüssel mischen und mit 150 ml kochender Brühe übergießen. Zugedeckt etwa 30 Minuten quellen lassen.
Inzwischen die Frühlingszwiebeln putzen und waschen, das Weiße in kleine Würfel und das Grüne in feine Ringe schneiden. Den Knoblauch schälen und in feine Würfel schneiden. Alles in einer Pfanne in 1 EL Öl bei mittlerer Hitze etwa 2 Minuten dünsten. Abkühlen lassen.
Zucchini, Aubergine und Paprika putzen und waschen. Die Zucchini in Scheiben, Aubergine und Paprika in etwa 2 cm große Stücke schneiden. Die Zwiebel schälen und in Spalten schneiden. Thymian waschen und trocken schütteln, die Blättchen abstreifen und fein hacken. In einer großen Pfanne 2 EL Öl erhitzen, Gemüsestücke und Zwiebel darin bei mittlerer bis starker Hitze etwa 5 Minuten anbraten, dabei öfter wenden.
Die Tomaten und die übrige Brühe dazugeben, mit Salz, Pfeffer und Thymian würzen. Zugedeckt bei schwacher Hitze etwa 20 Minuten schmoren.
Frühlingszwiebeln, Eier und Mehl zum Haferflockenmix geben, mit Salz und Pfeffer würzen und gut mischen. Aus der Masse vier Bratlinge formen und diese im übrigen Öl in einer großen Pfanne auf jeder Seite etwa 5 Minuten goldbraun braten. Die Haferbratlinge aus der Pfanne nehmen und mit dem Gemüse servieren.