Gesundheitsexperte verrät, wie man verhindert, dass Stoffwechsel auf Sparflamme läuft. Sein Tipp: keine radikalen Methoden!

  • Der Ernährungs-Doc erklärt, warum die Bemühungen abzunehmen bei vielen scheitern
  • Dr. Riedl rät: „Es ist total wichtig, mit den richtigen Maßnahmen und langsam vorzugehen.“
  • Wie das Abnehmen zum Erfolg werden kann

Hamburg. Dr. Matthias Riedl kämpft seit vielen Jahren dafür, dass sich mehr Menschen gesünder ernähren. Er selbst ist ausgesprochen schlank und lehnt trotzdem energisch ab, Dicke zu diskriminieren: „Das Bashing von Übergewichtigen in der Gesellschaft muss aufhören. Wir sind ja so tolerant und so divers, aber das kommt nicht den Übergewichtigen zugute. Wer zu dick ist und damit auch krank geworden ist oder droht, krank zu werden, der hat Anrecht auf professionelle Hilfe.“

Man müsse weg von der Beschuldigung, die Dicken könnten sich nicht beherrschen und seien selber schuld an ihrem Leibesumfang. „Wenn eine Mehrheit der Bevölkerung zu dick ist, dann kann es nicht diese Erklärung sein. Wir leben in einer ernährungsfeindlichen Umgebung – und solche Menschen brauchen Hilfe“, sagt der Ernährungs-Doc im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung.“

Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl: viele Fehler beim Abnehmen möglich

Viele Menschen bemühten sich abzunehmen – doch dabei könne man ganz viele Fehler machen, so der Ernährungs-Doc. „Das liegt am Stoffwechsel“, sagt der Ärztliche Direktor des Medicums Hamburg, und nennt Beispiele aus der Praxis.

„Wir haben ganz viele Patienten bei uns, die essen sehr wenig. Die essen sogar kritisch wenig und nehmen trotzdem nicht ab. Und dann fragen sie sich, wieso. Wenn ich so wenig esse, dann kriege ich nicht mehr die Nährstoffe, die ich brauche. Der Körper wird dann auf Dauer mangelernährt – und dieser Zustand entsteht dadurch, dass Kalorieneinsparen beim Körper eine Notsituation auslöst.“

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Der Körper wolle nämlich verhindern, dass wir verhungern, denn das sei in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit tatsächlich das größte Problem gewesen. Der Körper stelle dann einfach den Stoffwechsel und den Energieverbrauch auf Sparflamme. „Der macht sozusagen das Ökoprogramm – wie wir das bei der Waschmaschine oder Heizung kennen.“

Ernährungs-Doc gegen radikale Maßnahmen beim Abnehmen

Das führe dazu, dass der Mensch, der voll motiviert beim Abnehmen sei, in der Falle sitzt. „Er verbraucht so wenig und unterhält damit sozusagen diesen absoluten Notzustand – und er rutscht über kurz oder lang in eine Mangelsituation.“ Diesen Sparmoduszustand müsse man durchbrechen, um wieder einen normalen Stoffwechsel zu bekommen.

Das Problem entstehe häufig durch die Radikalität der Maßnahmen. Deshalb sei er vehement gegen radikale Maßnahmen, sagt der Ernährungsmediziner. „Wenn man Menschen, die abnehmen wollen, fragt, wie viel sie abnehmen wollen, dann sagen sie 15 bis 20 Kilo im Quartal – manche sogar im Monat.“ Das sei viel zu viel. „Da kann ich mir tatsächlich über kurz oder lang meinen Stoffwechsel so ruinieren, dass ich aus diesem Notmodus nicht mehr herauskomme.“ Man könne sich so sein Sollwertsystem kaputt machen.

Abnehmen – Riedl rät: mit den richtigen Maßnahmen und langsam vorgehen

„Der Körper weiß ganz genau: je dicker, desto besser. Dann bist du bei der nächsten Hungersnot nicht bei den Toten“, so Riedl. „Wenn ich also 90 Kilo wiege – und das ist mein Sollgewicht – und plötzlich 99 Kilo, sagt der Körper: Toll, jetzt ist der Sollwert 99 Kilo.“ Jede Unterschreitung von 99 Kilo führe dann zum Ausschütten von Hungerhormonen.

Daher sei sein Appell an alle Abnehmwilligen: „Wenn ihr die Neigung zu Übergewicht habt, kümmert euch jetzt drum. Wenn man 120, 160, 180 Kilo wiegt, dann wird es ungleich schwieriger. Aber es ist total wichtig, mit den richtigen Maßnahmen und langsam vorzugehen.“

Alle Maßnahmen müssten zum Menschen passen. Denn jeder Mensch mache beim Essen individuelle Fehler. Daher brauche man zuerst eine Analyse. Er plädiert für das Abnehmen nach dem 20:80-Prinzip. Das bedeutet: 20 Prozent seiner Ernährungsgewohnheiten ändern, 80 Prozent Erfolg. „Wir gehen an die Ernährungsgewohnheiten ran, die den größten Hebel haben.“ Zum Beispiel mehr Gemüse essen. „Nach zwei, drei Monaten sage ich: Das mit dem Gemüse hat mir gefallen.“ Danach könne man vielleicht den Zuckerkonsum in den Blick nehmen.

Ernährungsumstellung ist ein Weg mit vielen kleinen Schritten

Ernährungsumstellung sei ein Weg mit vielen kleinen Schritten, sagt der Ernährungs-Doc. Damit vermeide man die eingangs beschriebene Stoffwechsel-Notsituation. Wer allerdings bereits in dieser Sackgasse stecke, dem empfiehlt Dr. Riedl den Gang zu einer Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin. „Denn ohne die Hilfe eines Profis ist das schwer zu schaffen.“ Auf keinen Fall sollten sich Betroffene zu hoffnungslosen Fällen erklären und alles wieder quer durcheinander essen – denn damit besiegelten sie ihr Schicksal.

Und kein dicker Mensch solle sich darauf verlassen, dass er gesund bleibt. „Wir wissen aus den Studien: Wenn man mit Übergewicht 60 Jahre alt geworden ist, dann sind von den Frauen zehn Prozent noch gesund und von den Männern nur noch fünf Prozent. Also wer jetzt sagt, ich werde mit Übergewicht gesund bleiben, der muss richtig viel Glück haben.“

Achtung! Kalorienbedarf verändert sich mit zunehmendem Alter

Seinen Kalorienbedarf kann man laut Riedl berechnen: „Es gibt im Internet Formeln. Da kann man sein Gewicht eingeben, und es wird berechnet.“ Ein 50-jähriger Mann beispielsweise habe einen Bedarf von 2200 Kilokalorien, Frauen ungefähr von 1800 – bei einem körperlich nicht aktiven Leben. Jüngere, Aktivere haben einen höheren Kalorienverbrauch.

„Ab 25 Jahren wird der Bedarf geringer. Dann sind wir bei Männern nur noch bei 2400, ab 50 Jahren bei 2200 und ab 65 Jahren nur noch bei 2000 Kilokalorien.“ Bei Frauen sinke der Bedarf ab 65 Jahren auf 1600. „Das ist verdammt wenig. Deshalb wird es umso wichtiger, das Richtige zu essen.“

Um aus dem Teufelskreis des Abnehmstillstands wieder herauszukommen, rät Riedl zu Reverse Dieting (umgedrehte Diät). „Man nimmt pro Woche 50 bis 100 Kilokalorien mehr zu sich und das über einen Zeitraum von fünf bis zehn Wochen, bis man wieder 500 Kilokalorien mehr zu sich genommen hat, um den Stoffwechsel wieder rauszuführen aus dieser Notsituation.“ Wichtig sei, langsam vorzugehen und idealerweise Lebensmittel zu sich zu nehmen, die die Gewichtsabnahme fördern – wie zum Beispiel Nüsse oder Haferflocken.

Ernährungs-Doc Riedl: Bewegung unterstützt die Stoffwechselvorgänge

Zusätzlich müsse man seine Aktivitäten steigern, damit der Körper aus dem niedrigen Energieniveau wieder rauskommt, sagt der Ernährungs-Doc. „Er verbrennt auch wieder mehr. Die normalen Körpervorgänge funktionieren dann wieder, wie sie sollen. Und dieser Sparmodus fällt weg. Und wir merken dann auch, dass sich hormonell was tut.“

Der Gegenspieler zum Ghrelin, das uns Hunger empfinden lässt, sei Leptin – ein anderes Hormon. „Dieses kommt aus dem Fettgewebe und führt dazu, dass wir wieder leichter abnehmen können. Es kommt also wieder zu einem Gleichgewicht und zu einer Situation, in der wir wieder handeln können. Und dann geht es wieder darum, die Ernährung Stück für Stück umzubauen.“

Riedl rät zu einer Fachberatung, die einem bei Reverse Dieting hilft

Reverse Dieting sollte man aber immer im Rahmen einer Fachberatung bei einer niedergelassenen Ernährungsberatung machen. Krankenkassen würden sich an den Kosten dafür beteiligen, sagt Riedl. „Viele denken immer noch: Übergewicht ist Privatsache. Das hast du selber verbockt – dann musst du auch selber wieder herauskommen. Aber ich sage: Unsere Lebensumstände sind so miserabel, wenn du nur ein bisschen dazu neigst, dann muss das so kommen.“

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In jedem durchschnittlichen Supermarkt gebe es 4000 hochverarbeitete Produkte. Der ganze Supermarkt sei vollgestopft mit Sachen, die dick machen – mit viel Zucker und Aromen. „Klar, dass wir da als Mensch schwach werden. Also nicht denken, ich bin unfähig, ich schaffe das nicht, sondern Hilfe holen! Übergewicht ist eine Erkrankung, bei der jeder auch Anrecht hat, dass er Hilfe bekommt“, sagt Riedl. Wenn man nichts dagegen tut, entwickelten sich daraus viele Krankheiten.

Ernährungs-Doc: Bewegung ist wichtig, reicht aber nicht aus

Bewegung sei natürlich ebenfalls wichtig. Allerdings könne man Übergewicht allein durch Bewegung nicht wirklich reduzieren, wenn man gleichzeitig das Falsche esse. „Der große Hebel ist das andere Essen. Bewegung verbrennt Energie, Bewegung fördert das Muskelwachstum. Und ein ruhender Muskel verbraucht auch im Leerlauf schon mehr Energie.“

Tatsächlich gebe es sowohl Menschen, die sich mit der Zeit ihr Sättigungsgefühl abtrainiert haben, als auch solche, die weniger Hungergefühl empfinden. „Das kann aber auch zu Untergewicht führen. Das kann dann so extrem werden, dass es sogar zur Mangelernährung führt, wenn man das Falsche isst. Auch das kann problematisch werden – und da würde ich dann auch Hilfe holen.“

Rezept für eine Buddhabowl

Für 2 Portionen: 30 Min. Zubereitung, 10 Minuten Garzeit, pro Portion ca. 816 kcal, 32 g EW, 46 g F, 54 g K

Zutaten: 80 g Couscous, 100 g Tofu, 4 EL Sojasauce, 1 TL Currypulver, 1 TL + 2 EL Zitronensaft, Pfeffer, ½ rote Paprika, 3 mittelgroße Tomaten, 2 Frühlingszwiebeln, ½ Salatgurke, 1 Avocado, 150 g Edamame, 50 g Mais, 1 EL Tomatenmark, Salz, 4 EL Hummus, 2 EL Erdnüsse, 2 EL Sesamöl

Buddhabowl aus Dr. Matthias Riedls Buch: Der ultimative Schlankheitscode, GU Verlag, 26 Euro.
Buddhabowl aus Dr. Matthias Riedls Buch: Der ultimative Schlankheitscode, GU Verlag, 26 Euro. © Marina Jerkovic | Marina Jerkovic

Zubereitung:
1. Couscous in eine Schale geben, mit 160 ml kochendem Wasser überbrühen und 10 Min. quellen lassen.
2. Tofu würfeln und in eine große Schüssel geben. Mit 1 EL Sojasauce, Currypulver, 1 TL Zitronensaft und Pfeffer mischen und abschmecken.
3. Paprika waschen und fein würfeln. Tomaten waschen und in dünne Scheiben schneiden. Frühlingszwiebeln waschen und in feine Ringe schneiden. Salatgurke waschen und würfeln.
4. Avocado halbieren, vorsichtig von der Schale befreien, in Streifen schneiden und mit 1 EL Zitronensaft beträufeln.
5. Edamame und Mais in einem Sieb unter fließendem Wasser abspülen.
6. Tomatenmark unter den Couscous mischen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
7. Nun die Buddha-Bowl in zwei Schalen anrichten: zuerst den Couscous, dann das geschnittene Gemüse und zuletzt die Edamame und den Mais. Die Bowl mit Hummus und Erdnüssen garnieren.
8. Aus Sesamöl, 3 EL Sojasauce, 1 EL Zitronensaft, Salz und Pfeffer ein Dressing mixen und die Bowl damit beträufeln.

„Der ultimative Schlankheitscode“ von Dr. Matthias Riedl
„Der ultimative Schlankheitscode“ von Dr. Matthias Riedl © GU Verlag | GU Verlag