Wilhelmsburg. Immer donnerstags öffnet das Wilhelmsburger Label „La Pochette Surprise“ seine Produktionstüren interessierten Besuchern

Es sind vor allem Musikliebhaber, die sich Anfang Oktober durch die verwinkelten Lagerhäuser des Wilhelmsburger Puhsthofs schlängeln. Sie sind gekommen, um sich anzuschauen, was es bislang in Wilhelmsburg so noch nicht gegeben hat – ein junges Plattenlabel, das gleichzeitig ein Ort der Begegnung sein möchte: „La Pochette Surprise Records“ (Wundertüte Records).

Unscheinbar sieht das Lagerhaus von außen aus, obwohl das Label es mit einem Eröffnungsbanner Marke Eigenbau geschmückt hat. Im Inneren eröffnet sich den Besucherinnen und Besuchern jedoch ein liebevoll eingerichtetes Studio, versehen mit allem, was dazu gehört: ein Shop-Bereich samt Plattensammlung, ein Tonstudio für Musikaufnahmen und eine hauseigene Theke. „Wir haben hier in den letzten Wochen eine Menge Arbeit reingesteckt, um das Studio und den Versandbereich begehbar und schön zu machen, deshalb freut es uns sehr, dass die Leute unser Angebot wahrnehmen und wertschätzen“, sagt Tontechniker Marius Santos.

Ein Ort, um gemeinsam Projekte zu planen und coole Ideen umzusetzen

Santos ist die recht Hand von Velvet Bein, der das Plattenlabel 2016 gegründet hat. „Wir wollen hier eine Begegnungsstätte erschaffen – für Künstler/-innen und für Menschen, die Musik genießen wollen“, sagt Bein.

Das Label kooperiert mit den Elbdeich-Studios am Puhsthof, wo sich Interessierte von nun an immer donnerstags von 13 bis 18 Uhr zum gemeinsamen Austausch treffen können – oder einfach nur, um durch das musikalische Angebot zu stöbern oder Merchandise-Produkte zu shoppen. Geschäftsführer des Studios ist Carsten Wodniczak, die Leitung hat Kai Fricke inne. „Dieses Studio soll ein Treffpunkt für Musiker/-innen, Künstler/-innen sowie Freunde und Bekannte sein, um gemeinsame Projekte zu planen und coole Ideen umzusetzen“, erklärt Santos.

Ohne Freunde und die Hilfe der Bands würde es das Label so nicht geben

An diesem Donnerstag ist das Studio gut besucht, obwohl die Eröffnungsankündigung spontan kam. Die Stimmung ist locker, es wird Kaffee ausgeschenkt und geplaudert. Bekannte, Freunde und Künstler haben sich versammelt, schwelgen in Anekdoten über vergangene Tour-Erlebnisse und tauschen sich über Pläne für kommende Projekte aus.

Ihre Leidenschaft für die Musik ist den Versammelten deutlich anzumerken. Gegenseitige Komplimente für Pullover mit diversen Bandaufschriften fallen fast im Minutentakt, während im Hintergrund die Label-eigene Musik über die Lautsprecher läuft. Dabei sind die Musikgenres so verschieden wie die Geschmäcker, die Velvet Bein unter die Fittichen seiner Firma genommen hat. „Wir haben hier einen Haufen Schallplatten und natürlich ganz tolle Musik, die von Indie und Punk bis hin zu Pop und Wave reicht und von jüngeren sowie älteren Künstler/-innen gemacht wird – da ist definitiv für jede und jeden was dabei.“

Interne Prozesse der Musikszene durch größere Transparenz greifbar machen

Als Bein das Label gründete, hatte er anfangs die Vermarktung seiner eigenen Band im Sinn. Aus einer Schnapsidee sei dann ein fester Beruf geworden: „Am Anfang war es ‚just for fun‘, dann ging es aber auch immer mehr darum, mein Wissen an befreundete Musiker/-innen weiterzugeben. Viele Bands standen und stehen am Anfang ihrer Karriere, da ist vor allem der persönliche Kontakt unverzichtbar“, erklärt Bein. In diesem Sinne geht das Label nun einen Schritt weiter. Das Konzept, die hauseigenen Produktionstüren zu öffnen, soll ein Angebot zum gemeinsamen Austausch sein und auch die Möglichkeit bieten, interne Prozesse der Musikszene durch größere Transparenz greifbar zu machen.

„Man lernt sich auf einer anderen Ebene kennen und kommt beispielsweise mit Leuten ins Gespräch, die man immer wieder online oder auf Konzerten bemerkt, aber nie wirklich kennengelernt hat“, freut sich Bein.

Viele Bands des Labels kommen aus Wilhelmsburg und der näheren Umgebung

„Von den Künstler/-innen, mit denen das Label zusammenarbeitet, kommen viele aus Wilhelmsburg und der näheren Umgebung“, sagt der Labelgründer. Die Hamburger Band „Melting Palms“ – Gewinner des „Krach+Getöse Awards 2021“ – haben beispielsweise erst vor kurzem ein neues Album veröffentlicht und planen damit deutschland- und europaweit eine Tournee. Generell bestehen aber auch Kooperationen mit Bands aus dem weiteren deutschsprachigen Raum. Die Kasseler Punk-Band „Suck“ hat vor kurzem ihr erstes Studioalbum in Kooperation mit „La Pochette Surprise“ veröffentlicht und befindet sich bereits auf Release-Tour. Auch die Multi-Genre-Spezialisten „Bikini Beach“ aus Konstanz haben vor kurzem ein neues Album angekündigt. Bespielt werden dabei meistens szenebekannte Clubs wie das Molotow oder das Hafenklang in Hamburg – oder die 8MM Bar und das Cassiopeia in Berlin.

In den vergangenen Jahren habe das Label auch immer wieder größere Projekte in Angriff genommen. Den Startschuss hatte 2019 das spendenbasierte Festival „La Fête Surprise“ (übersetzt: Die Überraschungsparty) im Hamburger Gängeviertel gegeben. 2021 folgte die mehrtägige Veranstaltung auf der Freilichtbühne im Wilhelmsburger Inselpark als Teil des Hamburger Kultursommers.

Dabei wurden sie tatkräftig von freiwilligen Helferinnen und Helfern unterstützt: „Ohne Freunde und die Hilfe der Bands, würde es das Label heute in dieser Form gar nicht geben“, so Bein. Darüber hinaus habe „La Pochette“ dieses Jahr Teile des Bookings für die Puhsthof-Bühne während des Musikfestivals „48h Wilhelmsburg“ übernommen. Und: Die Planung für eine Neuauflage der „Fête Surprise“ stehe bereits in den Startlöchern.