Hamburg. In der Nacht zu Sonnabend wurde die Leiche eines 14-Jährigen entdeckt. Der polizeibekannte Junge hatte eine Action-Cam dabei.

Ein 14-Jähriger ist in der Nacht zum Sonnabend nahe der U-Bahnstation Baumwall tot aufgefunden worden. Die Polizei geht davon aus, dass der Junge beim sogenannten U-Bahn-Surfen abgestürzt ist. Beamte entdeckten neben der Leiche eine Videokamera („Action-Cam“). Zudem war der Jugendliche schon in der Vergangenheit im Zusammenhang mit waghalsigen Aktionen aufgefallen.

Gegen 3 Uhr früh war einem Zugführer der U 3 ein lebloser Körper aufgefallen, der neben den Gleisen lag. Mitarbeiter der Hochbahn entdeckten an der Stelle den tödlich verletzten Jugendlichen. Ein Notarzt und Feuerwehrleute versuchten noch, ihn wiederzubeleben. Vergebens. Die Leiche des 14-Jährigen wurde zur Untersuchung in die Rechtsmedizin gebracht. Dort soll die genaue Todesursache festgestellt werden.

Der Jugendliche war der Polizei schon mehrfach aufgefallen

Der Junge wohnte in Hammerbrook nahe den Gleisanlagen vor der südlichen Einfahrt zum Hauptbahnhof. In der Vergangenheit war er bereits mehrmals der Polizei aufgefallen. Mal war er dabei, wenn Jugendliche auf einer Brücke herumkletterten. Ein anderes Mal wurde er von einem Dach geholt. Viele Jugendliche mögen diesen Nervenkitzel auf dem Dach, der in der Szene „Roofing“ genannt wird.

Auch die Action-Cam am Unfallort weist darauf hin, dass er als U-Bahn-Surfer unterwegs war. Die meist am Kopf befestigten Kameras zeichnen die Fahrt aus der Surfer-Perspektive auf. Die Jugendlichen verschicken die Videos an Freunde oder stellen sie online. Es gibt WhatsApp-Gruppen, in denen sogenannte „Trainsurfer“ sich austauschen, sich verabreden oder mit ihren Fahrten prahlen.

Ein weiterer Hinweis: Nahe dem Unglücksort befindet sich ein Querträger, an dem frische Abriebspuren entdeckt wurden, die von dem Zusammenprall mit dem 14-Jährigen stammen könnten.

Erst im vergangenen September verunglückte ein Teenager

Der Fall wird jetzt beim Landeskriminalamt von den bei der Mordkommission angesiedelten Todesermittlern bearbeitet. Sie werden die Videos auswerten, die mit der sichergestellten Action-Cam aufgenommen wurden. Außerdem wird die Obduktion voraussichtlich zeigen, ob der Jugendliche mit dem Querträger in Berührung kam. Erst im vergangenen September verunglückte ein damals 16-Jähriger ebenfalls im Bereich der U 3. Er lag auf dem Dach eines Zuges und war im Bahnhof Kellinghusenstraße von Fahrgästen entdeckt worden. Im Krankenhaus wurde der Jugendliche notoperiert.

Die Polizei ermittelte, dass der Jugendliche am Bahnhof Eppendorfer Baum mit einem gleichaltrigen Freund auf das Dach der U-Bahn geklettert war. Freunde, die die Einfahrt des Zuges am Bahnhof Kellinghusenstraße filmten, nahmen auf, wie die beiden 16-Jährigen auf dem Dach der Bahn standen. Der 16-Jährige prallte dabei mit dem Kopf gegen eine Fußgängerüberführung. Sein Freund sprang kurz darauf vom Zug und flüchtete.

Die meisten Opfer gab es in den 80er- und 90er-Jahren

Vergleichbare Unglücke gibt es in Hamburg immer wieder – die meisten aktenkundigen Fälle ereigneten sich in den 80er- und 90er-Jahren. Damals konnten die Türen der Züge noch während der Fahrt geöffnet werden. Regelmäßig gab es Opfer. 1993 starb ein 16-Jähriger, nachdem er an der Lombardsbrücke von einer S-Bahn gestürzt war. An der Stelle hatte es zuvor schon mehrere ähnliche Unglücke gegeben. 1995 lag die Leiche eines 13-Jährigen drei Wochen lang in einem S-Bahntunnel in Harburg, bevor sie entdeckt wurde.

Das „Trainsurfen“ kann nicht nur durch einen Absturz oder einen Zusammenprall mit Signalen oder anderen Bauwerken tödlich enden, sondern auch durch Kontakt mit den bis zu 1400 Volt führenden Stromschinen neben der Bahn.

Neue Technik bewirkte, dass Zahl der „Surfer“ abnahm

Die Zahl der „Surfer“ nahm deutlich ab, seitdem sich die Türen an den neuen Zügen nur noch an den Haltestellen öffnen lassen. Bis dahin waren die meist jugendlichen U- und S-Bahnsurfer einfach während der Fahrt auf das Dach geklettert. Heute springen sie auf den Bahnhöfen am letzten Wagen auf die Kupplung – „Backriding“ nennen sie das. Oder sie ziehen sich am Waggon hoch, um auf das Dach zu kommen. Es sind nicht immer Jugendliche.

Vor zwei Jahren nahmen Polizisten einen 32-Jährigen fest, der auf den Puffern von S-Bahn-Zügen im Bereich Sternschanze und Hammerbrook mitgefahren war. Hin und wieder werden „Trainsurfer“ nur von Zeugen gesichtet. Treffen Polizei oder Sicherheitspersonal ein, sind die Täter verschwunden. Die Tat kann als „gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr“ gewertet werden, der im Paragraf 315 des Strafgesetzbuches geregelt wird. Es drohen sechs Monate bis zehn Jahre Haft.