Hamburg. Ein 18-Jähriger überfällt eine junge Frau, eine 17-Jährige schreitet ein. Jetzt wird wegen versuchter Vergewaltigung ermittelt.

Der Überfall, der am vergangenen Sonnabend kurz vor Mitternacht im S-Bahnhof Jungfernstieg passierte, hat viele Menschen schockiert. Eine 19 Jahre alte Frau war dort von einem 18-Jährigen rüde angegangen worden. Er forderte Sex, versuchte ihr die Hose zu öffnen und an die Brüste zu fassen. Erst als eine 17-Jährige couragiert eingriff, ließ er von dem Opfer ab. Jetzt droht dem Flüchtling aus Afghanistan eine empfindliche Strafe. Mittlerweile hat das Landeskriminalamt den Fall übernommen und ermittelt wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung.


Sitzt der 18-Jährige in Haft?

Nein. Bundespolizisten konnten ihn wegen der guten Beschreibung zwar nach der Tat schnell stellen, zunächst war aber von einer sexuellen Belästigung ausgegangen worden. Diese Taten wurden erst mit dem Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, das am 10. November 2016 in Kraft trat, strafbar. Das Gesetz war eine Reaktion auf die Übergriffe in der Silvesternacht 2015, bei denen massenhaft junge Frauen vor allem in Köln und Hamburg in der Öffentlichkeit angegangen und begrapscht wurden. Bis dahin wäre die Tat wegen der üblen Beschimpfungen gegenüber Opfer und Zeugin als Beleidigung geahndet worden. Nachdem die Polizei die Personalien des jungen Mannes hatte und er einen festen Wohnsitz nachweisen konnte, ließen sie ihn ziehen.


Was hat dazu geführt, dass ihm jetzt eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen wird?

Die Staatsanwaltschaft hatte den Fall anhand der Aktenlage geprüft. Dabei erkannte sie Anhaltspunkte, dass es zu Gewalt gegenüber der jungen Frau gekommen war und so der Sex erzwungen werden sollte.


Warum wurde kein Haftbefehl beantragt?

Bei der zunächst angenommenen sexuellen Belästigung sieht das Strafgesetzbuch eine Strafe bis zu zwei Jahren vor. Das hätte keine Untersuchungshaft begründet. Sie hätte im Zusammenhang mit der Strafe nur verhängt werden können, wenn die drohende Strafe so hoch wäre, dass die Gefahr besteht, dass sich der Beschuldigte deswegen absetzt.


Gibt es keine anderen Haftgründe?

Die gibt es. Bei einem fehlenden Wohnsitz in Deutschland nimmt die Justiz ebenfalls Fluchtgefahr an. Ist der Beschuldigte bereits einschlägig verurteilt worden, käme noch der Haftgrund Wiederholungsgefahr hinzu. Beide Gründe treffen bei dem 18-Jährigen nicht zu. Er hat einen festen Wohnsitz. Zudem war er bislang nicht aktenkundig. Er war zuvor ein „unbeschriebenes Blatt“.

Welche Strafe droht dem Beschuldigten jetzt?

Versuchte Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das im Paragraf 177 des Strafgesetzbuches geregelt ist. Danach droht dem Täter in so einem Fall eine Haftstrafe von ein bis 15 Jahren.


Droht dem Beschuldigten die Höchststrafe?

Nein. Schon weil es nicht zu einer Vergewaltigung gekommen ist und die Gewaltanwendung so unterschwellig bewertet wird, dass sie zunächst nicht erkannt wurde, spricht für ein niedriges Urteil. Zudem wird der 18-Jährige in Hamburg mit größter Sicherheit nach dem Jugendstrafrecht abgeurteilt. Es ist deutlich milder als das Erwachsenenstrafrecht, weil es den erzieherischen Aspekt in den Vordergrund stellt.


Wie gehen die Ermittlungen weiter?

Man wird jetzt versuchen, den Tatablauf zu rekonstruieren. Dazu werden noch einmal das Opfer und die 17-Jährige, die in der S-Bahn-Station so couragiert eingegriffen hat, von Ermittlern vernommen.

Wird das Opfer noch einmal mit der Tat konfrontiert?

Das Opfer ist ebenfalls eine wichtige Zeugin. Unmittelbar nach der Tat war die junge Frau so verstört, dass sie laut Bundespolizei „deutlich unter dem Eindruck des Geschehens stand“. In diesem Fall wäre eine intensive Befragung sicherlich belastender gewesen. Zudem befragen noch einmal versierte Ermittler, die unmittelbar am Tatort nicht zur Verfügung standen, die junge Frau.


Wird auch der Beschuldigte vernommen?

Man wird ihm die Gelegenheit geben, sich zu äußern. Das kann auch in Form einer Vorladung passieren. Mit einer Aussage ist nicht zu rechnen. Bei seiner Festnahme hat er bereits Angaben zur Tat verweigert.


Was weiß man über den Tatverdächtigen?

2016 reiste er nach Deutschland ein. Hier beantragte er Asyl. Mittlerweile hat er eine Duldung. Er lebt in Harburg in einer Containerunterkunft an der ehemaligen Post.