Hamburg. St. Pauli trauert um einen seiner bekanntesten Repräsentanten. Doch ob es eine Trauerfeier mit Beerdigung geben wird, ist unklar.

"Ich bin eine echte Kiez-Legende, ein waschechter St. Paulianer, die anderen sind alle Schietbüdel." An Selbstbewusstsein hat es Henry Hübner, auf dem Kiez nur als "Inkasso-Henry" bekannt, wahrlich nicht gemangelt. Die frechen und manchmal kodderigen Sprüche, mit denen der bullige Glatzkopf mit dem markanten Schnauzbart und der rauen, eindringlichen Stimme seine Gäste bei seinen Touren unterhielt, waren rund um die Reeperbahn legendär.

Doch eine der bekanntesten Stimmen von St. Pauli schweigt nun für immer. Am Montagabend wurde der langjährige Geldeintreiber und Koberer tot in seiner Wohnung an der Großen Bergstraße in Altona aufgefunden. Nachbarn hatten stundenlang das Wasser laufen gehört und schließlich den Wachdienst des Hauses alarmiert. Rettungskräfte konnten nur noch den Tod des Kiez-Urgesteins feststellen. Offenbar erlag er einem Herzleiden.

Wie alt war "Inkasso-Henry" wirklich?

Henry Hübner, besser bekannt als
Henry Hübner, besser bekannt als "Inkasso-Henry", und seine langjährige Lebensgefährtin Irina Janevica (Archiv) © imago stock&people | imago stock

"Henry hatte schon lange Herzprobleme, wollte sich aber nicht helfen lassen", sagte Ilona Buchmann, die Tochter seiner langjährigen Lebensgefährtin Irina Janevica, dem Abendblatt. "In dieser Hinsicht war er ein großer Dickkopf." Auch seine langjährige Wegbegleiterin und Managerin, Lizzy Voigt, bestätigt, dass es dem sonst so energisch auftretenden Kiez-Original zuletzt deutlich schlechter ging. "Er war sonst immer ein Lebemann, der viel auf dem Kiez unterwegs war, doch das ging zuletzt gesundheitlich nicht mehr. Er hat sich sehr zurückgezogen." Auch seine Reeperbahnrundgänge, mit denen Hübner vor acht Jahren anfing, habe er zuletzt nicht mehr gemacht. "Dass es so plötzlich passiert, damit hätte ich jedoch nie gerechnet. Er war so ein starker Typ."

Voigt bestreitet jedoch, dass "Inkasso-Henry" bereits 72 Jahre alt gewesen sei. "Das hat er immer nur gesagt, um Komplimente wegen seines jungen Aussehens zu bekommen." In Wirklichkeit sei er wesentlich jünger gewesen. Wie alt genau, wolle sie aus Rücksicht auf den Verstorbenen nicht sagen.

Wie alt oder jung er am Ende nun wirklich starb – der Kiez trauert um einen seiner bekanntesten Repräsentanten. Immer wieder trat "Inkasso-Henry" in den vergangenen Jahren als Kiez-Experte im Fernsehen oder in Videos auf seinem YouTube-Kanal auf und ließ dabei auch die eine oder andere Anekdote aus seinem Leben als Geldeintreiber fallen. "Wenn ich Geld eintreiben musste und die Leute wollten das Geld nicht rausrücken, habe ich immer meine Kneifzange in der Jackentasche gehabt. Dann habe ich gesagt: Wir können uns einigen, denn Schmerzen tun weh und Schmerzen wollen wir alle nicht haben."

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Mit diesem Bild trauert Schwensen um seinen Freund
Mit diesem Bild trauert Schwensen um seinen Freund

Mit seinen flotten Sprüchen habe Hübner stets für Heiterkeit gesorgt, schrieb Kiez-Größe Kalle Schwensen am Mittwoch auf seiner Facebookseite. Mehr als 40 Jahre sei er ein fester Bestandteil von St. Pauli gewesen.

"Ich kannte Inkasso-Henry noch aus meiner aktiven Zeit im Rotlicht, wo wir beide gekobert haben, um die Leute in die Bumslokale hinein zu quatschen", so ein ehemaliger Kollege. "Henry war ein echtes Original, seine raue Stimme klingt mir noch immer im Ohr." Auch im Schmidt Theater am Spielbudenplatz reagierte man bestürzt auf die Todesnachricht: "Wir trauern um Inkasso-Henry, der immer gern in unseren Häusern zu Gast war und der auch als Inspiration für so manche Figur aus unseren Kiez-Stücken diente. Du bleibst uns unvergessen!"

"Die Anteilnahme ist groß, alle wollen sich noch einmal von ihm verabschieden", bestätigt auch Managerin Lizzy Voigt. Noch aber ist unklar, ob eine offizielle Trauerfeier mit Beerdigung überhaupt stattfinden kann, denn über direkte Verwandte des Kiez-Urgesteins ist kaum etwas bekannt. "Meine Mutter und Henry waren acht Jahre zusammen. Er war wie ein Vater für mich", sagte Ilona Buchmann. Deshalb fühle sie sich verantwortlich, eine schöne Trauerfeier für den Verstorbenen zu organisieren. Ohne die Einverständniserklärung eines direkten Verwandten könne die jedoch nicht stattfinden. "Henry hatte einen Bruder, von dem wir aber nichts wissen. Wir hoffen nun dringend darauf, dass er sich bei der Polizei meldet und sich mit uns in Verbindung setzt. Henry soll in Würde seine letzte Ruhe finden."