Das Bauwerk sollte die Innenstadt entlasten. Doch die Verkehrsführung stellte – und stellt – die Autofahrer vor Probleme.

Mitte der 1950er-Jahre bat Hamburgs Oberbaudirektor Werner Hebebrand die Abendblatt-Redaktion um Übersendung einiger Fotos, die kurz zuvor in der Zeitung erschienen waren. „Die Hubschrauberfotos der damals noch kaum vernarbten, von Bombenlücken durchsetzten Stadtlandschaft Hamburgs eigneten sich hervorragend zur planerischen Gestaltung“, berichtete die Zeitung später.

Die Mitarbeiter von Hebebrand übertrugen mithilfe von Schere, Leim, Zeichenkarton und Tusche Hochhäuser, Wohnblocks, Brücken und Straßen auf die Luftaufnahmen. Hebebrand änderte und verbesserte, klebte, verschob und zeichnete um. Erst bei dieser Arbeit, so erzählte der Oberbaudirektor später, habe er sehen können, „wie es werden muß, das neue Hamburg“. Aus jenen Tagen stammen wohl auch erste Entwürfe des Wallringtunnels.

Stadtplaner träumten vom "neuen Hamburg"

Gut ein Jahrzehnt später, am 20. Oktober 1966, wurde dieser durch Hamburgs Ersten Bürgermeister Herbert Weichmann für den Verkehr freigegeben. „Mehr Fahrzeuge als erwartet benutzten den Wallringtunnel in den ersten 24 Stunden nach seiner Eröffnung“, berichtete das Abendblatt am Tag danach. „Mit diesem Ergebnis, das zu einer spürbaren Entlastung der Straßen auf der Westseite des Hauptbahnhofs geführt hat, ist die Polizei sehr zufrieden.“

Die Nüchternheit überrascht. Schließlich sollte das Bauwerk den Verkehrsfluss durch die Innenstadt nachhaltig verbessern: zwei Röhren jeweils mit einer zweispurigen Fahrbahn, getrennt durch einen schmalen Fußgängertunnel. Erste Planungen für eine kreuzungsfreie Verbindung für den Autoverkehr zwischen dem Deichtorplatz und der Lombardsbrücke waren in der Zeit des Nationalsozialismus angestellt worden.

Nach dem Krieg sollte der Wallringtunnel Teil des inneren Rings werden, der mehrere Tunnel, Hochbrücken an allen wichtigen Kreuzungen und eine aufgeständerte Hochstraße über dem Holstenwall vorsah. Die Bauarbeiten für den 550 Meter langen Tunnel begannen im Herbst 1963 und endeten im Oktober 1966 – ein halbes Jahr früher als geplant.

Baustelle über drei U-Bahn-Tunnel

Bauarbeiter und Planer erwarteten komplizierte geologische Verhältnisse. Zu schaffen machten den Erbauern ferner vorhandene unterirdische Versorgungsleitungen. Der imposanteste Abschnitt der Großbaustelle lag unter dem Georgs­platz. Dort „wühlte man sich 21 Meter tief ins Erdreich“, berichtete das Abendblatt. Hier entstand „ganz unten ein Teil des U-Bahn-Tunnels für die Linie Berliner Tor–Jungfernstieg–Schlump, darüber ein Fußgängertunnel für die U-Bahn-Fahrgäste, darüber wieder der Wallringtunnel, über dem die Straßenfahrbahn liegen“ sollte.

Eine besondere Herausforderung stellte die Nähe zum Hauptbahnhof und zu U-Bahn-Strecken dar. So führt der Wallringtunnel direkt am Tiefbunker Steintorwall neben dem Hauptbahnhof vorbei und überquert drei U-Bahn-Tunnel. Von der alten Ringlinie, der heutigen U 3, ist der Tunnel lediglich durch eine 22 Zentimeter dicke Stahlbetondecke getrennt.

Verkehr rollte über Hilfsbrücken

Wie anspruchsvoll die Baustelle war, zeigt ein am 25. März 1964 im Abendblatt veröffentlichtes Luftbild von der parallel zu den Eisenbahngleisen liegenden Baugrube. Über dem bis zu 15 Meter tiefen Loch führten mehrere Hilfsbrücken für Autos, Fußgänger und sogar Straßenbahnen, die das Stadtzentrum mit St. Georg verbanden.

Schwierigkeiten gab es beim Abbrechen der Gewölbedecke des U-Bahn-Ringtunnels, der noch unter dem Wallringtunnel lag. Problematisch war das vor allem, weil keine Gesteinsbrocken auf die Schienen stürzen durften. Die Hochbahn hatte verlangt, dass die Linie ungestört weiterbetrieben werden könne. Was bedeutete, dass alle paar Minuten ein Zug durch den aufgeschlitzten Tunnel fuhr.

Zu seiner Eröffnung wurde der Wallringtunnel mit neuester Technik ausgestattet. „Lichtsignale an der Tunneldecke dirigieren den Verkehrsfluß“, berichtete das Abendblatt. „Eine Leitzentrale, von der aus über Fernsehkameras der Fahrzeugstrom jederzeit beobachtet werden kann, steuert die Ampeln in und vor dem Tunnel.“

Viele Autofahrer stellte allerdings die Verkehrsführung vor große Probleme. Noch drei Monate nach der Eröffnung berichtete das Hamburger Abendblatt: „Der Verkehr aus Richtung Süden steckt voller Gefahren. Es gibt Ärger, Blechschäden und Zeitverluste.“

Grund für die steigende Zahl von Unfällen war die ungewohnte Linienführung. „Die drei Spuren aus Richtung Amsinckstraße sind nämlich gar nicht alle für den Tunnel bestimmt. Nur die mittlere Spur führt in den Tunnel. Sie kann aber auch von den Rechtsabbiegern zum Hauptbahnhof benutzt werden. Aber der Kraftfahrer, vor allem der Ortsfremde, weiß das nicht“, hieß es damals.

Demnächst wird die Oströhre gesperrt – bis April 2017

Daher müssten die Autofahrer „höllisch aufpassen, ob der Nachbar zur Linken den großen Rechtsbogen in den Tunnel oder den engen Bogen in Richtung Klosterwall schlägt“. Missverständnisse, Beschimpfungen, Fast-Zusammenstöße und Karambolagen seien an der Tagesordnung. „Wer dann die Schuld hat, können auch die geplagten Polizeibeamten vom Revier Depenau nicht auf Anhieb sagen“, berichtete das Abendblatt im Jahr 1966.

Die Verkehrsführung ist noch heute so. Allerdings macht den Autofahrern dieser Tage mehr das hohe Verkehrsaufkommen zu schaffen. Mehr als 30.000 Fahrzeuge passieren im Durchschnitt täglich den Wallringtunnel, ergaben Verkehrszählungen der Stadt Hamburg.

Das wird sich in den kommenden Monaten allerdings deutlich ändern. Von Ende dieses Monats an bis zum 28. April 2017 wird die Oströhre wegen Bauarbeiten gesperrt sein. Der Verkehr wird tagsüber einspurig im Gegenverkehr durch die Weströhre geführt. Nachts hingegen wird der Tunnel ganz dichtgemacht.