Hamburg. Etwa 20.000 Fischerei-Fans werfen ihre Köder in der Innenstadt aus. Ein Ortstermin mit dem Mann, den sie „Zander-Michi“ nennen.

Innenstadt, 17.30 Uhr: Aus den Büros kommen jetzt die Angestellten, hasten zu S- und U-Bahn, Anzugträger eilen aus dem Hotel Steigenberger über die Brücke am Alsterfleet. An den Ampeln dort am Rödingsmarkt reihen sich etliche Pkw, immer einmal wieder ist nervöses Hupen zu hören.

Michael Peters scheint das alles nicht wahrzunehmen. „Zander-Michi“, so nennen sie ihn in der Szene der Hamburger Innenstadt-Angler. Sein Rad mit dem Korb voller Köder, Sehnen und Werkzeuge hat der 46-Jährige an dem kleinen Weg direkt am Fleet abgestellt. Über Facebook hatte er sich am Nachmittag mit Oliver Kubbe, 43, hier nach dem Job zum Angeln verabredet. Nun stehen beide, der Gebäude-Betreuer aus der Schanze und der Kaufmann aus Pinneberg, dort unten am Wasser – während knapp drei Meter über ihnen die Feierabendhektik die Straßen erfasst hat. Eine andere Welt, die man eher an einsamen Flüsschen oder Teichen vermutet, nicht mitten in der Stadt.

An diesem Tag fangen sie kleine Fische, Schwarzmund-Grundeln, eine eingeschleppte Art, die aber in Bierteig gebraten so gut wie Stint schmecken soll, wie Kubbe versichert. Doch das ist nur eine Vorbereitung, eigentlich geht es in diesen Tagen um einen ganz anderen Fisch. Seit dem 16. Mai ist nach viereinhalb Monaten die Schonzeit für Zander in Hamburg beendet. Der Raubfisch mit der markanten Rückenflosse ist seit einigen Jahren mitten in der Stadt und auch im Hafen wieder sehr oft zu finden. Die vielen Nebenarme, Kanäle und Hafenbecken bieten perfekten Lebensraum für den beliebten Speisefisch, der hier in Größen zwischen 55 und 80 Zentimetern gefangen wird, aber durchaus mehr als einen Meter lang werden kann.

Einzige Voraussetzung ist ein Fischereischein

Seit einigen Tagen sieht man sie daher wieder: die Zander-Angler. An den Kanälen der Stadt, in der HafenCity, aber auch in Nähe der großen Container-Terminals. Hamburg, so scheint es, ist eine Hochburg der Stadt-Angler. Und das lässt sich nicht nur damit erklären, dass das Elbwasser weit weniger belastet ist als noch zu DDR-Zeiten. „Hamburg ist auch die letzte Bastion des freien Angelns“, sagt Karl-Heinz Meyer, Schatzmeister des Hamburger Anglerverbands und Vorsitzender des Angelvereins Frühauf.

So kommen Sie an einen Fischereischein

 

Der Hamburger AngelsportverbandDer Hamburger Angelsportverband nimmt in Hamburg die Prüfungen zum Fischereischein ab und stellt auch entsprechende Urkunden aus.

 

Der Unterricht erfolgt bei verschiedenen Angelvereinen in Hamburg. In der Regel gibt es dazu Kurse mit sechs Abenden oder auch Wochenendseminare. Kosten: 75 Euro.

 

Zu den Kursinhalten zählen Themen wie Naturschutz, Fischkunde, „waidgerechtes“ Töten oder auch Gewässerkunde. Mindestalter für die Teilnahme ist elf Jahre.

 

Informationen unter: 040-414 693 10 oder im Internet: www.asvhh.de. Dort ist auch eine Auflistung zu sehen, welcher Verein wann und wo Kurse für die Prüfung anbietet.

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Während die Gewässer in anderen Bundesländern meist nahezu komplett an Vereine oder Privatleute verpachtet seien, können sich Angler in Hamburg ohne weitere Beschränkung an die Spundwände stellen. Der Hafen, die Stadtkanäle, die HafenCity und auch die Alster bis zur Ohlsdorfer Schleuse gelten bis auf wenige Ausnahmen als frei zum Angeln. Einzige Voraussetzung: Man muss einen Fischereischein besitzen und sich jährlich bei der Stadt für fünf Euro eine entsprechende Marke holen. Wenn man nicht in Hamburg wohnt, reicht der gültige Fischereischein des jeweiligen Bundeslandes – was die Stadt bei Zander-Fans aus allen Teilen der Republik interessant macht.

Wie viele Angler daher mitten in der Stadt Zander, aber auch Butt, Meerforelle, Hecht, Aal oder Barsch angeln, lässt sich kaum feststellen. Der Hamburger Angelverband geht laut Meyer von schätzungsweise rund 20.000 Anglern aus, die in der Stadt mehr oder weniger regelmäßig angeln. „Das hat sich in den vergangen Jahren glatt verdoppelt“, vermutet er. Warum? Zum einen warnen die Behörden nicht mehr vor dem Verzehr von Elbfischen. Zum anderen habe sich das Bild des Angelns gewandelt. „Ich treffe heute auch Leute beim Angeln, die hätte ich vor ein paar Jahren eher beim Golfen vermutet“, sagt Meyer. Das „kleine Abenteuer vor der Haustür“ werde heute vielfach mit Angeln verbunden, gerade, wenn man es mitten in der Stadt und dem Hafen betreiben kann.

So ähnlich sieht es auch „Zander-Michi“: An den Fleeten und den Hafenbecken wechselt er an einem Abend oft den Standort, angelt mal hier und dann dort. „Wir jagen dem Zander hinterher“, sagt er. Einige Standorte, weiß er, sind ideal bei Ebbe, andere bei Hochwasser. „Street-Fishing“ nennen Leute wie Michael Peters das Angeln mitten in den Städten oder auch „Urban-Fishing“. „Und zum Zander-Angeln ist Hamburg eben die geilste Stadt“, sagt er. Über Internetportale wie dicht-am-fisch.de tauscht man seine Erfahrungen aus. Mittlerweile gibt es sogar eine Handvoll professioneller Angelguides in Hamburg, die mit ihren Kunden zu den besten Plätzen gehen oder auch mit dem Boot fahren.

Das war sooooo ein Fisch:
Das war sooooo ein Fisch: © Axel Tiedemann | Axel Tiedemann

Zu den Pionieren dieser Branche in der Hansestadt gehört Jörg Strehlow (www.der–angler.de). In den 90er-Jahren war er aus Worms nach Hamburg gekommen, um hier eine Redakteursausbildung bei der Fachzeitschrift „Blinker“ zu absolvieren. Bald schon registrierte er, dass es hier „unglaublich viel Fisch“ gibt. Gerade eben auch Zander, den er mit Gummiködern und der von ihm entwickelten „Faulenzer-Methode“ fängt. Man bewegt dabei nur die Rolle, nicht die Rute. „Ganz entspannt“, wie er sagt, lässt sich so ein Gummifisch im Strom bewegen. Seit 2005 bietet er hauptberuflich Angeltouren an der Elbe und eben auch ganz speziell mitten in Hamburg an und geht mit Kunden und entsprechender Ausrüstung an besonders ergiebige Abschnitte – etwa an den Magellan-Terrassen in der HafenCity oder auch bei der Kattwykbrücke in Sichtweite des Containerterminals Altenwerder. „Die Kunden kommen aus allen Ecken des Landes“, sagt er.

Angelquide Jörg Strehlow mit mit Kescher in der HafenCity.
Angelquide Jörg Strehlow mit mit Kescher in der HafenCity. © Axel Tiedemann | Axel Tiedemann

Diese Popularität des Angelns mitten in der Stadt sieht Angelfachmann Meyer inzwischen mit gemischten Gefühlen. Die breite Akzeptanz freue ihn, manche Entwicklungen aber nicht. Zum einen werde es an beliebten Stellen immer enger, weil dort soviel Angler stehen. Und dann stört sich Meyer auch daran, wie manch neuer Zander-Jäger sich nicht mehr an den Kodex halte. Etwa wenn der Fisch nicht gleich mit einem speziellen Kescher direkt im Wasser gefangen wird, sondern eine lange Spundwand hochgezerrt und dabei unnötig gequält wird. Oder wenn teures Angelgerät heute gelegentlich Typennamen wie „Battle“, also Schlacht, trägt und Angler mit zu viel Hightech wie etwa einem Echolot auf Jagd gehen. Das ist ihm alles zu weit weg vom ursprünglichen, naturverbundenen Angeln, wie er sagt. Meyer: „Der Fisch muss auch eine Chance haben, nicht gefangen zu werden.“