Hamburg. Noch ein Kratzer am Lack? Eine Falte im Leder? Kurz bevor ein Flugzeug in Hamburg ausgeliefert wird, ist viel zu tun.

Die Zeit drängt für die Vertragsmanager. Fünf Minuten verbleiben dem Abendblatt-Fotografen noch für das Shooting. Dann will eine deutsche Airline den Kauf eines Flugzeugs bei Airbus perfekt machen. Statt zu echten Jets im Auslieferungszen­trum geht es zum A321-Modell im Haus. Danach verschwinden Abteilungsleiter Martin Klaus und seine Mitarbeiter Hendrik Wördemann und Eckhard Plagens schnell in die Büros – zum letzten Akt im Millionengeschäft.

Wenn Fluggesellschaften mit Airbus einen Kaufvertrag abschließen, geschieht dies meist auf der Ebene des Topmanagements. Bei Großaufträgen lächeln die Vorstandschefs beider Parteien auch mal selbst in die Kameras. Schließlich geht es häufig genug um milliardenschwere Geschäfte.

Bei der Auslieferung läuft hingegen alles ein paar Nummern kleiner ab – ohne die zwölf Personen starke Crew von Klaus geht in Hamburg aber nichts. Mitunter sind seit der Order des Jets zehn Jahre vergangen. Entsprechend müssen Preissteigerungen ihren Niederschlag im Kaufpreis finden und der Vertrag angepasst werden. Ein Jahr vor der Auslieferung wird festgelegt, wie das Flugzeug genau aussehen soll. Ein, zwei Monate vor dem Übergabetermin steigen die Vertragsmanager ein. Alles Routine? Nein, sagt Klaus: „Es gibt immer wieder kurzfristige Überraschungen in diesem Job, sodass man nie weiß, wie der Tag endet.“

Es geht um viele Millionen bei einem Airbus

Bevor es zur Auslieferung kommt, wird das Flugzeug vom Kunden auf Herz und Nieren geprüft. Bereits während der Bauphase gab es etwa 25 In­spektionen. Wenn das Flugzeug aus der Endmontagelinie kommt, werden für den finalen Check drei bis vier Tage für einen Mittelstreckenjet vom Typ A320 angesetzt. Neun Tage dauert das Prozedere beim größten Passagierflugzeug der Welt, dem A380.

Grundsätzlich findet erst eine Prüfung am Boden und im Anschluss in der Luft statt. Es folgen die Nacharbeiten. Plagens betreut die Airline-Vertreter während dieser Phase: „Wir sind dazu da, etwaige Kritik eines Kunden ernst zu nehmen.“ Irgendetwas findet sich fast immer, seien es Falten im Leder, Kratzer im Metall oder eine unerwünschte Schattierung im Lack. Da könnte man denken, der Konzern beschäftigt im Vertragsmanagement nur Juristen, um sich gegenüber den Kunden abzusichern. Das ist aber nicht der Fall. Zwar werde eng mit der Rechts­abteilung zusammengearbeitet, aber Klaus ist Wirtschaftsingenieur, Wördemann Diplom-Kaufmann und Plagens Flugzeugbauer. Klaus sagt mit einem Augenzwinkern: „Wir haben die Verträge ja nicht geschlossen, um mit den Kunden vor Gericht zu ziehen.“ Der Kaufvertrag passe in ein bis zwei große DIN-A4-Ordner. Über die Jahre baue sich „blindes“ Vertrauen auf. Für einen Großkunden wird der Abnahmeflug stets von Airbus-Mitarbeitern gemacht.

Erst wenn die Maschine vom Kunden akzeptiert wurde, fließt das Geld in Form der Schlusszahlung. Um die Bauabschnitte zu finanzieren, wurden bereits während der Produktion mehrere Zahlungen fällig. Doch mehr als die Hälfte des Kaufpreises fließen im Regelfall am Ende. Es geht also um viele Millionen, denn laut Listenpreis kostet ein A320 zum Beispiel 98 Millionen Dollar (88 Millionen Euro), ein A380 schlägt sogar mit 432,6 Millionen Dollar zu Buche – auch wenn hohe Preisnachlässe üblich sind.

So wird ein Airbus finanziert

Für die Finanzierung gibt es drei Wege: Erstens die Fluggesellschaft zahlt die Maschine aus eigenen Mitteln, das ist die einfachste Variante. Oder sie wählt eine Hypothekenfinanzierung, sodass der Jet erst Eigentum der Firma wird, wenn der Kredit abgezahlt ist. Als dritte Variante kauft eine Leasingfirma den Jet und räumt der Fluggesellschaft das Benutzungsrecht ein. „Die Leasingfirmen machen mittlerweile den größten Anteil aus“, sagt Wördemann.

Die Überweisung der Endsumme ist ein mitunter spannender Prozess. Denn an einem Motto halten die Vertragsmanager eisern fest, so Klaus: „No money – no show!“ Heißt: Bevor das Geld nicht auf dem Konto von Airbus in Toulouse verbucht ist, wird das Flugzeug nicht übergeben. Einige Kunden zahlen im Voraus, viele erst nach der Abnahme. Der Zahlungseingang lässt jedoch manchmal selbst im Echtzeitsystem auf sich warten. Das kann mehrere Gründe haben: Da Flugzeugkäufe in Dollar abgeschlossen werden, sind häufig Banken in New York in den Deal involviert. Also muss auf die Öffnungszeiten des Geldhauses gewartet werden. Es kann vorkommen, dass das Geschäft einer Compliance-Prüfung unterzogen wird, also untersucht wird, ob das Geld aus einer sauberen Quelle kommt. Und in strukturschwachen Staaten fehlt den Systemen der Kredithäuser häufig schlichtweg die Schnelligkeit. „Im Regelfall dauert es 30 Minuten bis zwei Stunden, ehe das Geld auf dem Airbus-Konto ist“, sagt Klaus.

Wenn das der Fall ist, erfolgt der „transfer of title“, also die Übertragung der Eigentumsrechte. Die aufgeklebte Airbus-Kennung auf dem Flieger – vergleichbar mit dem roten Nummernschild beim Auto – wird abgelöst, und die Registrierung des Käufers kommt zum Vorschein. Dann werden bei den nationalen Behörden die notwendigen Papiere beantragt. Noch am selben Tag oder einen Tag später verlässt der Kunde das Betriebsgelände. Manche Abnehmer holen sich aber vorher zunächst noch den Segen von oben ein. Klaus: „Bei philippinischen Airlines gehört eine priesterliche Weihung zum Standardritual.“