Altstadt. Die Red Gallery zeigt spektakuläre Skelette einer einmaligen Saurierfamilie, darunter ein Baby. Am 11. Dezember öffnet die Ausstellung.

Susy und ihre Familie sind wahrscheinlich Hamburgs älteste Besucher. Sie stehen in einer schick ausstaffierten Lagerhalle am Rödingsmarkt und sehen ziemlich furchteinflößend aus. Sie recken die langen Hälse in Richtung Decke, und scheinen ihre spitzen Zähne zu fiesen Grimassen zu verziehen. Die vier gehören zur Sippe der „Sauropode Suuwassea emiliae“ und haben stolze 156 Millionen Jahre auf ihren Buckeln.

Eine komplette Saurierfamilie – dermaßen gut erhalten und dann noch mitten in der City. Das ist eine Sensation. Denn die hochwertig präparierten Urviecher, die demnächst öffentlich in der „Red Gallery“ präsentiert werden, bilden nicht nur eine Herde, sondern höchstwahrscheinlich sogar eine kleine Familie. „Wir haben zwei ausgewachsene Tiere mit zwei unterschiedlich alten Kindern vor uns“, so Geologe Steffen Dettmann. Alle wurden dicht beieinander liegend gefunden, so als hätten sie sich im Augenblick des Todes noch einmal zusammengedrückt.

Der für seine enorme Größe sehr grazil gebaute Pflanzenfresser lebte während der sogenannten Oberen Jurazeit im heutigen Nordamerika. In Herden durchstreiften die Tiere die weite Fluss- und Seenlandschaft, deren Ablagerungen die berühmte Morrison-Formation bildeten.

Neben einem Jungtier, das deutlich kleiner als die „Eltern“ ist, steht als absoluter Hingucker noch ein Dino-Baby im Raum. Auf eigentümliche Weise ist es zwar ein Gigant, hat dabei aber auch etwas zierlich-filigranes. Wie kamen die Dinos nach Hamburg?

Die Planungen für das spektakuläre Projekt reichen fünf Jahre zurück. Im Jahr 2009 wurde in Wyoming ein erstes Skelett gefunden, das den Spitznamen „Susy“ erhielt. Die Grabungsarbeiten begannen im Sommer 2010 unter Federführung von Kooperationspartnern der „Red Gallery“. Den Aufwand kann sich ein Laie kaum vorstellen: Akribisch und professionell wurden die Knochen geborgen, dokumentiert, ausgegraben und dann – gesichert in Gipsmänteln – zur Präparation abtransportiert. Nach der Präparation war klar, dass mehr als 85 Prozent von Susys Skelett erhalten waren.

Fasziniernde Perspektive: Die Dino-Familie, fotografiert durch das Maul eines Raubsauriers
Fasziniernde Perspektive: Die Dino-Familie, fotografiert durch das Maul eines Raubsauriers © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Die wenigen Ergänzungen wurden anatomisch korrekt nachmodelliert. Susys Knochen bilden damit laut Steffen Dettmann das vollständigste Suuwassea-Skelett der Welt.

Die drei anderen Tiere aus Susys Sippe wurden auf dieselbe Weise wie der Urzeit-Riese geborgen, allerdings waren sie nicht ganz so komplett wie der erste Fund. Allen Vieren ist gemeinsam, dass ihre Skelette mit Hilfe von Metallstoffträgern montiert sind. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von dem Karlsruher Geowissenschaftler Prof. Eberhard Frey.

„Knochen für Knochen, Kiste für Kiste wurden die Dinos nach Hamburg geliefert“, erzählt Andreas Guhr, Inhaber der Red Gallery. Er ist zwar Geschäftsmann, aber eben auch Galerist, Mineraloge, Entdecker. Ein Tausendsassa, für den die Beschäftigung mit Fossilien und sonstigen Altertümern nicht nur ein Job ist, sondern seine Leidenschaft. Seine Galerie ist ein riesiger Verkaufsraum, in dem Museen vermutlich gerne einkaufen würden.

Wer sich hier umschaut, kann neben den Dinos auch quasi noch Überbleibsel aus deren Lebensraum bestaunen: Meterhohe Amethystdrusen (Hohlräume, in denen sich Kristalle befinden), tonnenschwere Schiefer- und Sandsteinplatten mit versteinerten Fischen, Mammutzähne, und Platten aus versteinertem Holz.

Andreas Guhr gilt als ausgewiesener Experte, unter anderem der Edelsteinkunde (Gemmologie) und Paläontologie (Wissenschaft des alten Lebens). Trotz äußerst fundierter Kenntnisse tritt er nicht als überheblicher Wissenschaftler auf, sondern vielmehr freundlich und gelassen.

Mit ausgestellt wird auch das Skelett eines Stegosauriers, der in der Nähe der vierköpfigen Sippe steht und ebenfalls beeindruckend präpariert wurde. Diese Saurierart, leicht zu erkennen an dem hohen, gezackten Rücken, gehört zusammen mit dem Tyrannosaurus sozusagen zu den Promis unter den Dinos. Das Tier verblüfft nicht nur durch seine Größe, sondern auch durch die Verletzungen, die das Skelett aufweist. Der Stegosaurus muss in einen schweren Kampf verwickelt worden sein, bei dem ein Teil des Schwanzes schwer verletzt wurde. Die markanten Dornfortsätze sind stark deformiert, verdreht und voller Trümmerfrakturen. Die entsprechenden Stellen des Skeletts wirken, als seien sie von einem gewaltigen Biss oder Schlag zertrümmert und dann mühsam wieder zusammen gewachsen. Solche Schäden sind bei Dino-Skeletten höchst selten zu besichtigen und letztlich viel authentischer als ein perfekt herausgeputztes Skelett. „Der Stegosaurier, der vermutlich von oben von einem Raubsaurier attackiert wurde, muss fürchterlich gelitten haben“, erläutert Steffen Dettmann. Auch eine tiefe Kerbe in einer der Knochenplatten spricht für die Attacke eines Räubers.

Laut Andreas Guhr gibt es für die Saurier bereits Kaufinteressenten, und erste Verhandlungen seien bereits angelaufen. Allerdings könnte sich der mit Hamburg verwurzelte Unternehmer auch vorstellen, dass die einmaligen Urviecher der Stadt erhalten bleiben. Wie das gehen sollte, ist dabei Verhandlungssache.

Als Andreas Guhr das Licht in dem riesigen Raum dimmt, verwischen die Konturen der Dinos auf ziemlich spektakuläre Weise. Fast wirkt es, als füllten sich die Lücken zwischen ihren Knochen wieder mit Masse. Dadurch dass beim Präparieren ihre Bewegungsabläufe exakt nachempfunden wurden, wirkt es fast, als würden sie plötzlich wieder lebendig. Aber das wär dann doch etwas fürs Kino.