Hamburg. Der Online-Versandhandel plant ein Großlager in der City. Bezirk und Polizei wehren sich gegen drohenden Lieferverkehr im Wohnviertel.

Der Online-Versandhandel Amazon aus den USA plant nach Abendblatt-Informationen ein neues Lager- und Logistikzentrum in Hamburg. Dieses soll nicht auf der grünen Wiese entstehen, sondern wenige Hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt, im Berliner-Tor-Center (Beim Strohhause). In dem Bürokomplex sitzt auch der IT-Konzern IBM. Hier, im Szenestadtteil St. Georg, will sich das amerikanische Unternehmen dem Vernehmen nach auf einer Fläche im Erdgeschoss auf rund 2500 Qua­dratmetern niederlassen.

Doch es gibt sowohl beim Bezirk Mitte als auch bei Polizei und Politik massive Bedenken gegen dieses Vor­haben. Denn der Lieferverkehr müsste über die benachbarten Wohnstraßen, die alle in einer Tempo-30-Zone liegen, abgewickelt werden. Das Gebäude ist rückwärtig über die Ferdinand-Beit-Straße und die Stiftstraße zu erreichen. Auf Abendblatt-Anfrage bestätigte Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte: „Uns liegt der Antrag auf eine Nutzungsänderung für ein Lager- und Logistikzentrum vor, aber darüber wurde noch nicht entschieden.“ Der Standort sei für solch ein Vorhaben nicht ideal. Zunächst müsste es jetzt Gespräche mit allen Beteiligten geben.

Was hat Amazon in St. Georg genau vor? Auf Anfrage wollte der US-Konzern keine Stellungnahme abgeben, eine Sprecherin sagte nur: „Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir uns zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern.“

Doch es gibt Anhaltspunkte: Das Abendblatt hatte bereits berichtet, dass der Internethändler auch in Deutschland seinen in den USA bereits etablierten Lieferservice „fresh“ anbieten möchte und dafür in Hamburg nach einer Lagerhalle sucht. So liefert Amazon seit 2007 in Teilen der USA auch frische Lebensmittel auf Bestellung nach Hause.

Nach Abendblatt-Informationen hat ein Hamburger Ingenieurbüro im Auftrag von Amazon eine „verkehrliche Stellungnahme“ für den Standort Beim Strohhause erstellt. Diese soll auch der Polizei vorliegen, die dem Bezirk ihrerseits bereits Einwände gegen eine Ansiedlung von Amazon in St. Georg mitgeteilt hat. Dazu soll auch zählen, dass in unmittelbarer Nähe ein Kinder­garten, eine Blindenwohnanlage, eine Seniorenresidenz und eine Schule angesiedelt sind – der zusätzliche Lkw-Verkehr würde hier also eine Gefahr darstellen. Nach Abendblatt-Informationen werden allein im Zeitraum zwischen 8 und 9 Uhr morgens täglich 13 An- und Abfahrten von Lkw ausschließlich durch eine Tempo-30-Zone erwartet, wenn Amazon dort das Logistikzentrum eröffnen würde.

Wenn es nach Michael Osterburg, Grünen-Fraktionschef im Bezirk Mitte, geht, wird Amazon seine Pläne in St. Georg nicht umsetzen können: „Eine solche Ansiedlung direkt am Berliner Tor halten wir für sehr kritisch. Wir entwickeln gerade einen grünen Campus vor der benachbarten Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Außerdem ist hier viel Wohnraum entstanden.“ Es könne nicht sein, dass ein Betrieb mit erheblichem Lkw-Lieferverkehr die Anlieferung durch eine Wohnstraße führe. Solche Planungen seien mit den Grünen nicht umzusetzen. Der Grünen-Politiker hat allerdings schon einen alternativen Standort im Auge: „In Hammerbrook oder Billbrook sind viele freie Hallen, wo der Verkehr niemanden stört.“

Auch SPD-Fraktionschef Falko Droßmann ist nicht begeistert: „Dass die Anlieferung der Waren über die umliegenden Wohnstraßen erfolgt, werden wir nicht zulassen.“ Droßmann stellte klar: Amazon könne hier nur einen Standort eröffnen, wenn gewährleistet würde, dass Lkw die Fläche über die Straße Beim Strohhause anfahren. Das ist aber bislang wohl nicht geplant und würde auch bauliche Veränderungen nach sich ziehen. In diesem Fall würde der Lieferverkehr rückwärtig über die Ferdinand-Beit-Straße und die Stiftstraße erfolgen.

Bisher betreibt Amazon in Deutschland neun Logistikzen­tren, in denen mehr als 10.000 Angestellte arbeiten. Hamburg ist hierbei noch ein weißer Fleck auf der Landkarte des US-Konzerns.

Das Unternehmen amazon.com wurde 1994 in den USA gegründet und hat seinen Hauptsitz in Seattle. Amazon stand in der Vergangenheit mehrfach in der Kritik, etwa wegen seiner Arbeitsbedingungen, die Angestellte unter Druck setzen und gegen Datenschutzvorgaben verstoßen sollen. Auch die Steuerpolitik von Amazon wurde kontrovers diskutiert. Amazon vermied weitgehend inländische Ertragsteuerzahlungen in Deutschland und leitete seine deutschen Unternehmensgewinne nach Luxemburg um, wo Großkonzerne wie Amazon Steuervorteile genießen. Seit Mai werden in Deutschland erwirtschaftete Gewinne nach Angaben des Unternehmens aber in Deutschland versteuert.