Altstadt . Stahlträger im Turm der Hauptkirche verstärken Stützkonstruktion. Anfang kommenden Jahres soll das komplette Geläut erstmals erklingen.
Seit September warten im Michel zwei neue Glocken auf ihren Einsatz. Sie stehen, jeweils 900 und 1700 Kilogramm schwer, im Eingangsportal der Hauptkirche und geben keinen Ton von sich. Bislang konnten sie noch nicht läuten, weil die Stärke der Stützkonstruktion im Turm für das Gesamtgewicht nicht ausgereicht hat.
Das soll sich nun ändern. Bis Ende dieser Woche sind Experten dabei, in der Kuppel des Michel zusätzliche Stahlträger zu montieren. Die 22 Einzelteile wurden bereits in einem Kran im Nebel auf die 100 Meter hohe Aussichtsplattform gehoben. „Bis zum Wochenende werden die Montagearbeiten in der sogenannten Laterne dauern“, sagt Michel-Sprecherin Ines Lessing. Die rund fünf Tonnen schweren Träger stabilisieren die acht tragenden Stahlsäulen der Kuppel.
Glocken fehlten seit fast 100 Jahren
Anfang kommenden Jahres, heißt es in der Hauptkirche, sollen die beiden neuen Glocken im Turm aufgehängt und zum Läuten gebracht werden. Dann verfügt Hamburgs Wahrzeichen wieder wie früher über zehn Glocken. Und auch über eine neue Glockenmelodie.
Die beiden Glocken fehlen seit fast 100 Jahren. Denn sie wurden während des Krieges eingeschmolzen, um daraus Kanonen herzustellen. Dank einer großen Spendenaktion konnten die „Vaterunserglocke“ und die „Dreiviertelstundenglocke“ in einer hessischen Spezialfirma gegossen werden. Die neue Dreiviertelstundenglocke ist die kleinere der beiden fehlenden Glocken. Sie wiegt 900 Kilogramm. Als Glockenzier trägt sie den Bibelvers „Er ändert Zeit und Stunde“ (Daniel 2,21). Sie ist eine klassische Schlagglocke und wird zusammen mit der alten Viertelstundenglocke dem Leben in der Stadt den Rhythmus geben, heißt es im Michel.
Die „Vaterunserglocke“ ersetzt die ehemalige Betglocke des Michel. Sie ist die größere der beiden neuen Glocken und schlägt traditionell nach jedem Vers des Vaterunsers, das im Gottesdienst gebetet wird. Außerdem wird sie den neuen Halbstundenton der Michel-Uhr anschlagen. Sie ist 1700 Kilo schwer. Als Glockenzier trägt sie den ersten Vers des Friedensgebets aus Coventry „Vater vergib!“ Michel-Hauptpastor Alexander Röder würdigte am Mittwoch die emotionale Bedeutung des Glockenklangs für die Hamburger. Von den Anwohnern habe es keine große Kritik an der Erweiterung des Glockenspiels gegeben.
Dank Hamburger Spendenaktion sind Glücken wieder komplett
Wie in anderen Teilen Deutschlands waren im Ersten und Zweiten Weltkrieg auch in Hamburg unzählige Glocken eingeschmolzen worden. Aus dem Friedensgeläut wurde Kanonendonner. Allein bis zum Jahr 1917 hat der Michel neun seiner zehn Glocken verloren. Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich dann das Drama: Auf der Veddel befand sich damals Deutschlands größter Glockenfriedhof. Nach den Plänen des NS-Regimes sollte es im damaligen Deutschen Reich nur noch an zwei ausgewählten Gotteshäusern Glocken geben.
Die Hamburger Spendenaktion für die beiden neuen Glocken hatte binnen kurzer Zeit 350.000 Euro erbracht. Mit einem Glockenfest anlässlich der Glockenweihe bedankte sich der Michel vor einigen Wochen bei den zahlreichen Spendern. Mehr als 5000 Gäste waren gekommen, um die neuen Glocken zu sehen und erstmals ein bisschen klingen zu hören.
Mit seinen Glocken hatte der Michel übrigens nicht immer Glück. So musste vor einigen Jahren die „Jahrtausendglocke“ wieder eingeschmolzen werden. Ein 15 Jahre alter Schüler hatte Missklänge beim Läuten gehört. Die Ursache: ein 30 Zentimeter langer Riss im Material. 2008 konnte das neue Exemplar in den Dienst gestellt werden.