Hamburg. In einem Buch hat der Autor Wolfgang Schinmeyer die besondere Sprache in dem Hamburger Stadtteil in Gebärden übersetzt.
Wenn man genau hinschaut, ist es gar nicht so schwierig, ihn zu verstehen. Wolfgang Schinmeyer stellt seine beiden Handflächen parallel zu seinem Oberkörper aufrecht hintereinander – wie zwei Wände, die versetzt zueinanderstehen, durch die man(n) jedoch einfach hindurchgehen kann. Und wer sich auf St. Pauli auch nur halbwegs gut auskennt, weiß sofort, welche legendäre Straße mit ihren aufgestellten Sichtblenden hier gemeint ist.
Egal ob in der Herbertstraße, in der Ritze oder im Casino – Wolfgang Schinmeyer hat in seinem Buch „Gebärden auf St. Pauli“ für fast jede erdenkliche Gelegenheit die passende Gebärde festgehalten und lässt dabei kein Tabu aus. „Hörende benutzen Wörter wie ‚ficken‘ oder ‚Sexbombe‘ ganz selbstverständlich“, macht der 61-Jährige, der im Alter von zwei Jahren ertaubte, in Gebärdensprache deutlich. „Warum sollten Gehörlose das also nicht auch tun?“ Neben „Gebärden am Arbeitsplatz“ und „Frecher Mund – Schimpfwörter in deutscher Gebärdensprache“ ist es bereits das dritte Werk des gelernten technischen Zeichners, der jahrelang für Airbus, verschiedene Werbeagenturen und am Institut für Deutsche Gebärdensprache tätig war.
Die Idee für ein Gebärdenbuch speziell für St. Pauli war kein Zufall, denn der Kiez faszinierte ihn schon seit seiner frühen Jugend. Mit 16 landete Wolfgang Schinmeyer, der ursprünglich aus Eutin stammt und wenig später mit seiner Familie nach Hamburg zog, das erste Mal auf der Reeperbahn. Je älter er wird, umso häufiger zieht es Wolfgang Schinmeyer von Altona, wo er wohnt, auf den Kiez. Manchmal streift er stundenlang über die Reeperbahn und durch die anliegenden Seitenstraßen, fotografiert, wo er nur kann. Zu seinem Lieblingstreff gehört bald das „Mary Lou’s“ auf dem Hans-Albers-Platz. Wolfgang Schinmeyer ahmt mit seinen Armen ein Schifferklavier nach, um den bekannten Sänger und den nach ihm benannten Platz deutlich zu machen.
Der Kiez im Wandel
Die Frauen aus dem Milieu und die Koberer vor den Cabarets an der Reeperbahn verstehen es, dem Gehörlosen schnell ihre Angebote deutlich zu machen – auch wenn es für das Wort „Sex“ mehr als nur eine richtige Gebärde gibt. So entstand letztendlich auch die Idee zu seinem Buch. „Ich hatte am Institut für Deutsche Gebärdensprache bereits einige Gebärden zeichnen gelernt, gleichzeitig habe ich auch im Freundes- und Bekanntenkreis weitere Wörter gesammelt. Mein Ziel war es, Gebärden, die eigentlich gerne unter den Tisch fallen, hochzuholen und sichtbar zu machen.“
„Gebärden auf St. Pauli“, Wolfgang Schinmeyer, 48 Seiten,
109 Zeichnungen, 8 Euro.