Am Alten Wall entstehen bis 2017 Büros und Einzelhandel auf drei Etagen. Ein aufwendiges Projekt, denn das historische Äußere bleibt erhalten. Gute Zusammenarbeit mit Denkmalschutzbehörde.

Hamburg. Ein riesiges Loch klafft in der Häuserzeile am Alsterfleet, direkt hinter dem Bucerius Kunst Forum: Am Alten Wall steht nach monatelangen Abrissarbeiten nur noch die mehr als 100 Jahre alte Fassade an der Seite des Rathauses. „Es sieht hier gerade aus wie nach dem Krieg“, sagt Robert Voigt, technischer Leiter von Art-Invest. Einzig das rund 350 Tonnen schwere, rote Stahlgerüst, das die Fassade von außen stützt, unterscheidet das Bild.

Die Kölner Immobiliengesellschaft Art-Invest investiert rund 230 Millionen Euro. Auf fünf Ebenen sollen bis Ende 2017 Büros entstehen, die drei Geschosse darunter werden an Einzelhandelsgeschäfte vermietet. Hinzu kommen vier Etagen mit teils öffentlichen Parkplätzen. Hinter der denkmalgeschützten Fassade entsteht ein Neubau. Und der sei angelegt an die Geschichte des Alten Walls als Einkaufspassage vor dem Krieg. „Wir haben den Architekten gewählt, der sich am besten mit dieser Historie auseinandergesetzt hat“, sagt Art-Invest-Hamburg-Geschäftsleiter Jan Rouven Künzel.

Die Hamburger Architekten von Gerkan, Marg und Partner (gmp) haben sich durchgesetzt. Doch damit demnächst der neue Natursteinbau entstehen kann, mussten erst einmal vier der Häuser weichen, in denen früher die Vereins- und Westbank saß. Rund fünf Monate dauerte dies. In Handarbeit hatten Bauarbeiter die Fassade der Häuser Alter Wall 10 bis 22 von den eingebundenen Geschossdecken getrennt.

Die dann frei stehenden Gebäude trug ein sogenannter Longfront-Bagger ab, rund 500 Lkw-Ladungen Schutt häuften sich an: Schrittweise knabberte der Longfront-Bagger mit seinem 30 Meter langen Arm die Wände und Decken weg – ohne dabei die Fassade zu gefährden. Lediglich die roten Stahlträger verhindern, dass die rund ein Meter dicke Wand frontal umkippt. „Im Boden versinken wird sie nicht. Denn da sie keine Decken mehr trägt, lastet weniger Gewicht auf ihr“, erklärt Voigt.

Separate Eingänge für Einzelhandel

Dass die Fassade der letzte Überrest des Baus aus dem späten 19. Jahrhundert ist, hat seine Gründe: Art-Invest überzeugte das Hamburger Denkmalschutzamt davon, dass nur die Fassade historisch ist. Denn der letzte Bau, der an die Fassade andockte, stammte aus den 1950er-Jahren. In den 1980er-Jahren folgte ein massiver Umbau. Nur die Fassade, die den Bombardierungen des Zweiten Weltkrieges standgehalten hatte, blieb. „Daher hat sich das Denkmalschutzamt auch nur auf den Schutz dieser Straßenfassade beschränkt“, teilt Enno Isermann, Sprecher der Kulturbehörde, mit. Gerade die alten Portale mit Stuck und Großfiguren spielten auch im neuen Büro- und Geschäftsensemble eine wichtige Rolle, wie Künzel dem Abendblatt verrät: Sie sollen den Büros weiterhin als Haupteingang dienen. Für den Einzelhandel wird es allerdings separate Eingänge geben. Das Prinzip dahinter: Die Häuser sollen für sich stehen, eine durchgehende Einkaufspassage gibt es im Gebäude selbst später nicht. Ganz so, wie es die historische Fassade vorgibt.

Indes funktioniere die Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde sehr gut, so Künzel. Das Denkmalschutzamt stimmt zu: „Wir arbeiten konstruktiv zusammen. Art-Invest hat alle Pläne mit dem Oberbaudirektor und dem Baudezernaten abgestimmt“, so Isermann. Art-Invest musste für den Bau zwei Portale aus der geschützten Fassade herausbauen. Mit dem Denkmalschutzamt dokumentierten sie den Platz jedes einzelnen Steins. 2017 setzen die Arbeiter dann jeden Stein wieder an seinen angestammten Platz.

Bevor die Rohbauarbeiten allerdings 2015 beginnen können, bereiten derzeit rund 40 Bauarbeiter erst einmal den Tiefbau vor: Sogenannte Schlitzwände dichten die Baugrube ab. Dafür baggern Bauarbeiter 37 Meter tiefe Schlitze heraus, in die sie anschließend einen Stahlbeton gießen. Die ein Meter dicke Schlitzwand entsteht und bildet den Trog: Der schützt vor Grundwasser, ohne dabei den natürlichen Grundwasserstand zu verändern. An die Schlitzwände hängen Bauarbeiter später dann die Außenwände aus wasserdichtem Beton. „Mit ständigen Messungen garantieren wir zudem, dass die Tiefbauarbeiten nicht die unter dem Fleet fahrende S-Bahn-Strecke beschädigen“, sagt Voigt. Eine Herausforderung, wie der technische Leiter gesteht.

Mit den tiefen Schlitzwänden erreicht der Bau im Lehmboden einen natürlichen Dichthorizont. Die Baugrube selbst reicht allerdings nie tiefer als 15 Meter in die Erde. Das reicht, um dort die in erster Linie für Tiefgaragen geplanten Geschosse hineinzusetzen. So entsteht dann von unten nach oben Etage für Etage bis Ende 2016 der komplette Rohbau des neuen Büro- und Geschäftsensembles.

Mit der historischen Architektur der Straßenfassade will Art-Invest Hamburg weiter an andere europäische Metropolen heranführen – an Paris und London zum Beispiel. „Denn die Fassade alleine hat schon so einen Stil, das internationale Kunden interessiert sein könnten“, so Künzel.