Bei der neunten nationalen Armutskonferenz, die diesmal in Hamburg stattgefunden hat, standen erstmals die Betroffenen selbst im Mittelpunkt. Gut 100 Teilnehmer kamen zur Diskussion nach Wilhelmsburg.

Hamburg. Auf dem Jungfernstieg hat Klaus-Dieter Gleitze am Sonnabend die Menschen vor dem Alsterpavillon kurz zum Innehalten gebracht. Der Aktionskünstler hat echte Fünf-Euro-Scheine verbrannt. Gleitze will die Leute zum Nachdenken anregen. Was heißt es eigentlich, wenn von „billigem“ Geld die Rede ist und bei globalen Finanztransaktionen in Sekundenschnelle Unsummen an Geld „verbrannt“ wird? Wie ist das Geld in unserer Gesellschaft verteilt und welche Rolle spielt es? Zur gleichen Zeit machten vor der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof Betroffene mit überdimensionalen Sprechblasen auf die Zusammenhänge von Armut und Krankheit aufmerksam.

„Auf den bisherigen nationalen Armutskonferenzen haben immer kluge Wissenschaftler eine Rede gehalten. Die Betroffenen haben zugehört und oft nur wenig verstanden“, sagt Joachim Speicher vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg. Deshalb standen diesmal die Betroffenen im Mittelpunkt. Rund 100 Teilnehmer diskutierten im Bürgerhaus Wilhelmsburg, ob Armut und soziale Teilhabe zusammenpassen. Und sie gingen mit Aktionen auf die Straße, um zu zeigen, dass Armut nicht gleichbedeutend sein muss mit Ausgrenzung. „Beim Sport oder in der Kunst ist es egal, ob jemand arm oder reich ist“, sagt Joachim Speicher.

In Hamburg lebt laut aktuellem Sozialbericht jedes vierte Kind in Armut, rund 46.000 Kinder sind von Armut bedroht. Die Quote der unter 15-Jährigen, die von Hartz-IV-Bezügen leben, liegt in Rothenburgsort bei 49,4 Prozent, in Nienstedten bei 0,2 Prozent.

Als arm gilt ein monatliches Nettoeinkommen von knapp 600 Euro, als armutsgefährdet eins von rund 850 Euro. Von Armut betroffen sind bundesweit 14 Prozent der Bevölkerung, in Hamburg liegt die Armutsquote bei 14,6 Prozent. „Dabei fehlt den Menschen nicht nur das Geld, um sich gesundes Essen oder Kleidung zu kaufen“, sagt Joachim Speicher.

Es ginge auch darum, dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht größer werde. „42.000 Millionäre und 18 Milliardäre leben in Hamburg“, sagt Katharina Fegebank von den Grünen. Während 9,3 Prozent der Hamburger im Reichtum leben, seien 17,7 Prozent von Armut bedroht. „Um die soziale Spaltung endlich zu verringern, fordern wir eine Enquete-Kommission zu diesem Problem in der nächsten Legislaturperiode, um nach Lösungen zu suchen“, sagte Fegebank.

Joachim Speicher hat ganz konkrete Vorschläge für den Hamburger Senat: keine Schließung von Senioren-Begegnungsstätten, keine Kürzungen bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit und verbilligte HVV-Tickets für von Armut Betroffene.