Zwei Hamburger verwandeln nach Feierabend alte Lautsprecher in Designobjekte für den Anschluss an Smartphones. Etwa 100 Boxen wurden bisher verkauft, schätzt Kuntoff, in diesem Jahr sollen es rund 30 sein.
Hamburg. Es begann mit einer Yamaha-Box aus den 1980-er Jahren. Jan-Peter Kuntoff erinnert sich gut an den Tag im Sommer 2009: „Wir wollten am Elbstrand mit Mädels feiern, aber wir hatten keinen ‚Ghettoblaster‘ und die Lautsprecher von Smartphones klingen einfach zu dünn.“ Doch mit einem Lötkolben, einem Verstärker und ein paar Batterien schafften Kuntoff und Markus Rilling, sein damaliger Arbeitskollege in einer Hamburger Werbeagentur, schnell Abhilfe. Aus dem alten Lautsprecher entstand eine tragbare, batteriebetriebene Aktivbox, die man per Kopfhörer-Klinkenstecker an Smartphones oder MP3-Player anschließen kann – und gleichzeitig war die Idee für Soundpauli geboren.
Schön anzusehen war das erste Exemplar nicht gerade. Das Batteriepack hatte man mit einem Klettband außen angebracht, der oben angeschraubte Griff passte nicht zu dem Gehäuse. „Aber das war egal, es funktionierte ja“, sagt Kuntoff. Doch bald wurden aus den Recycling-Boxen kultige Design-Objekte, die gelegentlich in Hochglanz-Lifestylemagazinen auftauchen.
Produziert werden die Soundpaulis derzeit im Keller eines Altonaer Altbaus. In einem Regal warten etliche Boxen auf ihre Umwandlung. Zu sehen ist ein erstaunlicher Stilmix aus allen Epochen seit den 1930-er Jahren: Hochwertig wirkendes Echtholzfurnier neben rundlichen schwarzen Kunststoffboxen, sogar ein alter Bahnhofslautsprecher ist dabei. Sie alle werden aufgearbeitet, das Holz geschliffen und poliert, gegebenenfalls auch neu lackiert. Dann erhalten sie ihr neues Innenleben, bestehend aus einem Verstärker, einem Batteriefach und in der Regel einem modernen Lausprecherchassis, denn die alte Membran ist meist nicht mehr tauglich. Typisch für die fertigen Produkte sind farbenfrohe, textilumwickelte Anschlusskabel.
Etwa 100 Boxen wurden bisher verkauft, schätzt Kuntoff, in diesem Jahr sollen es rund 30 sein. Mehr schaffen die Soundpauli-Macher nicht, denn dies ist nicht ihr Hauptberuf. Kuntoff, der Soziologie und Psychologie studiert hat, entwickelt Online-Werbekampagnen, Rilling hat nach einer Tischlerlehre ein Grafikdesign-Studium absolviert und ist nun freiberuflich auf diesem Gebiet tätig. Für ihn kam die Soundpauli-Idee zum richtigen Zeitpunkt: „Ich hatte Lust, auch wieder handwerklich zu arbeiten.“ Kuntoff sieht darin einen Ausgleich zum Alltag in der digitalen Wirtschaft: „Wenn wir nach einem Neunstundentag im Büro sagen können, heute abend machen wir Boxen, gibt mir das sehr viel.“
Bei Verkaufspreisen zwischen 150 und 250 Euro laufe das Feierabendgeschäft gerade kostendeckend, sagen die beiden. Anfangs gab es die Lautsprecher nur in einem Laden für handgemachte Dinge auf St. Pauli, heute sind sie auch in Berlin, Düsseldorf und Hannover erhältlich. Nachdem die Soundpauli-Boxen aber immer häufiger im Internet zum Beispiel in Blogs erwähnt wurden, verkaufen Kuntoff und Rilling inzwischen etwa ein Drittel der Produktion im Online-Direktvertrieb. Selbst aus den USA kommen Anfragen. „Wir haben das Gefühl, dass Handgemachtes im Ausland, zum Beispiel in England oder in Österreich, stärker geschätzt wird als in Deutschland“, sagt Kuntoff. „Hier verlässt man sich lieber auf Großserienprodukte.“
Allerdings erwägen die beiden Hamburger, künftig auch Boxen nach eigenen Plänen anzufertigen, wie Rilling sagt: „Dazu müssten wir eine kleine Tischlerei finden, die die Gehäuse herstellt.“ Einer der Gründe für die Überlegungen ist die Knappheit an geeignetem Ausgangsmaterial für den Recycling-Prozess. Zwar liefern manche Interessenten ihre eigenen Boxen, die sie in einen Soundpauli-Lautsprecher umgewandelt haben möchten. Sonst aber müssen sich Kuntoff und Rilling selbst auf die Suche machen, zum Beispiel auf Flohmärkten. Auf diese Weise findet man jedoch meist nur Einzelstücke oder Pärchen. Lediglich in Ausnahmefällen kommen größere Stückzahlen herein – so wie eine Serie von Isophon-Lautsprechern, die seit den 1950-er Jahren an Gefängniswänden hingen.
„Wichtig ist uns, dass wir uns weiterentwickeln“, sagt Kuntoff. So experimentiere man mit einem drahtlosen Anschluss über WLAN, außerdem haben die beiden auch schon einen ausgedienten Plastik-Benzinkanister in eine Box umgebaut. Das ursprüngliche Geschäft mit den aufgearbeiteten Lautsprechern soll aber bestehen bleiben. „Ich finde es reizvoll, altes Design nicht sterben zu lassen“, erklärt Rilling dazu. Bis auf weiteres soll Soundpauli auch ein Nebenerwerb bleiben. Denn anderenfalls, befürchtet Kuntoff, sei nicht sicher, dass man auch künftig nach der bisherigen Devise vorgehen könne: „Nicht groß nachdenken, das machen wir einfach.“