Ein 13-jähriger Junge soll zusammen mit einem 17-jährigen Ex-Heimbewohner eine Frau in Hamm missbraucht haben, als er einen Heimaturlaub in Hamburg verbrachte.

Hamm-Nord. Sie sind noch so jung, der eine Täter ein Kind, gerade mal 13 Jahre alt. Der andere 17. Gemeinsam sollen sie eine 23 Jahre alte Frau in Hamm-Nord sexuell missbraucht haben. Zuvor waren die beiden Jugendlichen aus Hamburg in dem skandalumwitterten, inzwischen geschlossenen Jugendheim Haasenburg in Brandenburg untergebracht.

Die Tat ereignete sich bereits am 3. November. Die 23-jährige Frau geht gegen 21 Uhr auf einem Weg zwischen dem Kleingartenverein 127 und der Rückseite von Wohnhäusern am Mettlerkampsweg entlang, als sie plötzlich von den zwei jungen Männern niedergerissen wird. Sie zerren sie ins Gebüsch. Der Jüngere hält sie fest, während der 17-Jährige sexuelle Handlungen an ihr vornimmt. Zum Geschlechtsverkehr soll es aber nicht gekommen sein.

Möglicherweise nur deshalb, weil die Frau sich nach Kräften wehrt und um Hilfe schreit. Zwei Passanten hören die Hilferufe und rennen zum Tatort. Die Täter ergreifen sofort die Flucht.

Die 23-Jährige hat sich ihre Peiniger genau eingeprägt. Nur beim vermeintlichen Alter liegt sie komplett daneben: Gegenüber der Polizei beschreibt die 23-Jährige die Täter als zwei Männer, „Anfang 20“. Eine Sofortfahndung bleibt zunächst ohne Erfolg. Doch die Zeugenaussagen und Aufzeichnungen aus der Überwachungskamera einer nahe gelegenen S-Bahnhaltestelle bringen die Polizei auf ihre Spur. Am vergangenen Freitag spürt sie die beiden Teenager am Hauptbahnhof auf.

17-Jähriger konnte aus Einrichtung fliehen

Während der als verhaltensauffällig eingestufte 13-Jährige in eine Unterbringung des Kinder- und Jugendnotdienstes gebracht wurde, kam sein vier Jahre älterer Komplize in eine jugendgerichtliche Einrichtung – aus der er aber flüchten konnte. In der Nacht zu Montag wurde er erneut gefasst und kam am Morgen danach vor den Haftrichter. Er befindet sich jetzt in Untersuchungshaft in Hahnhöfersand. „Beide haben Aussagen gemacht, und sie sind im wesentlichen geständig“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nana Frombach dem Abendblatt. Nach Medienberichten sollen beide ihren Tatbeitrag heruntergespielt und sich gegenseitig schwer belastet haben. Kommentieren wollte das Frombach nicht. „Das ist Teil der Ermittlungen.“

Der 17-Jährige hat zwar keine erheblichen Straftaten begangen, ist aber wegen jugendtypischer Verfehlungen und Delikten wie Diebstahl, Bedrohung oder einfacher Körperverletzung polizeibekannt. Im schlimmsten Fall muss er mit einer Jugendstrafe rechnen. Der 13-Jährige hingegen hat keine strafrechtlichen Konsequenzen zu fürchten, da er nach dem Gesetz noch nicht strafmündig ist. Beide sind zuvor aber noch nicht mit einer Sexualstraftat in Erscheinung getreten.

Angefreundet hatten sich die beiden Jugendlichen im umstrittenen Kinderheim Haasenburg. Der 17-Jährige war dort bereits Anfang August entlassen worden und wurde seither in Hamburg ambulant betreut. Nach Abendblatt-Informationen war er einer der drei Jungen, die im Sommer gegenüber der Hamburger Morgenpost die Zustände in dem Heim öffentlich beklagt hatten. Unter anderem berichtete er, er sei von Erziehern misshandelt worden, weil er sein HSV-Buch nicht habe herausgeben wollen.

Der 13-Jährige befand sich zum Tatzeitpunkt während eines Wochendbesuchs bei seiner Mutter in Hamburg. Der Aufenthalt sei ihm gestattet worden, weil er „auf einem guten Weg“ gewesen sei. Eigentlich sollte er wieder in ein Haasenburg-Heim zurückkehren – doch die Behörden entschlossen sich dagegen, als bekannt wurde, dass die Kinder- und Jugendheime der Haasenburg GmbH geschlossen werden sollen.

Noch zwei Hamburger in der Haasenburg

Der Junge soll nun einen Platz in einer geschlossenen Unterbringung außerhalb von Hamburg erhalten. Aktuell befinden sich demnach noch zwei Hamburger Jungen in der Haasenburg. „Wir suchen weiter nach einer alternativen Betreuung für sie“, sagte der Sprecher der Sozialbehörde, Schweizer.

Am Mittwoch vergangener Woche war bekanntgeworden, dass die Haasenburg-Heime mit 114 Plätzen für schwer erziehbare Jugendliche aus ganz Deutschland geschlossen werden soll. Zahlreiche Bewohner sollen dort teils schwer misshandelt und gedemütigt worden sein. Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt in 70 Fällen gegen Erzieher und Betreiber der Einrichtung. Im Abendblatt kündigte Sozialsenator Detlef Scheele an, dass die Stadt ein geschlossenes Heim für 15 Jugendliche einrichten will.

Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Grünenfraktion, Christiane Blömeke, bleibt bei ihrer Kritik an der geschlossenen Unterbringung von Jugendlichen: „Der Überfall wirft erneut kein gutes Licht auf die Haasenburg und macht deutlich, dass auch geschlossene Unterbringung keine hundertprozentige Sicherheit bringt. Es spricht vieles dafür, dass wir diese kleine Gruppe von Jugendlichen sehr engmaschig und intensiv müssen. Es stellen sich in diesem Fall aber noch viele Fragen, die ich zunächst mit einer Anfrage an den Senat klären möchte.“